Mo, 14. Juli 2025, 18:44    |  Login:  User Passwort    Anmelden    Passwort vergessen
ARBEITSPLATTFORM NEWS URTEILE GESETZE/VO KOMMENTARE SITEINFO/IMPRESSUM NEWSLETTER
Pressemitteilung
T-496/11;
Verkündet am: 
 04.03.2015
EuGH Europäischer Gerichtshof
 

Rechtskräftig: unbekannt!
Das Gericht erklärt den von der EZB veröffentlichten "Eurosystem Oversight Policy Framework" für nichtig, wonach zentrale Gegenparteien im Euroraum ansässig sein müssen
Leitsatz des Gerichts:
Die EZB verfügt nicht über die erforderliche Befugnis, um ein solches Erfordernis für am Wertpapierclearing beteiligte zentrale Gegenparteien aufzustellen
Zum Urteilstext (Englisch!)
Zur englischen Version der Presserklärung

Das Eurosystem umfasst die Europäische Zentralbank (EZB) und die nationalen Zentralbanken der Mitgliedstaaten, die den Euro als gemeinsame Währung eingeführt haben. Am 5. Juli 2011 veröffentlichte die EZB auf ihrer Website den „Eurosystem Oversight Policy Framework“ (Rahmen für die Überwachungspolitik des Eurosystems, im Folgenden: Überwachungsrahmen), der die Rolle des Eurosystems bei der Überwachung der „Zahlungs-, Clearing- und Abwicklungssysteme“ beschreibt. Der EZB zufolge ergibt sich die Überwachung der Gesamtheit dieser Systeme und Infrastrukturen aus der ihr mit dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) übertragenen Aufgabe, das reibungslose Funktionieren der Zahlungssysteme zu fördern, sowie aus Art. 22 der Satzung des Eurosystems und der EZB, wonach „die EZB … Verordnungen erlassen [kann], um effiziente und zuverlässige Verrechnungs- und Zahlungssysteme innerhalb der Union und im Verkehr mit dritten Ländern zu gewährleisten“.

In dem Überwachungsrahmen führte die EZB aus, dass die Wertpapierabwicklungssysteme und die Clearingsysteme mit zentraler Gegenpartei (im Folgenden: zentrale Gegenparteien)1 Schlüsselbestandteile des Finanzsystems seien. Ein finanzielles, rechtliches oder operationelles Problem, das diese Systeme betreffe, könne eine systemische Störung des Finanzsystems verursachen. Dies gelte für die zentralen Gegenparteien in besonderer Weise, da sich bei ihnen die Kredit- und Liquiditätsrisiken bündelten. In dem Überwachungsrahmen wird betont, dass sich Fehlfunktionen, die bei außerhalb des Euroraums gelegenen Infrastrukturen aufträten, negativ auf im Euroraum ansässige Zahlungssysteme auswirken könnten, obwohl das Eurosystem über keinen unmittelbaren Einfluss auf solche Infrastrukturen verfüge. Die EZB leitet daraus ab, dass Infrastrukturen, die Zahlungsvorgänge in Euro abwickelten, im Euroraum als Rechtspersönlichkeit eingetragen sein und alle Kernfunktionen vom Euroraum aus überwacht und gesteuert werden sollten.

Die EZB gab an, dass diese Standortpolitik auf zentrale Gegenparteien angewandt werde, die im Durchschnitt ein tägliches Nettoausfallrisiko von mehr als 5 Milliarden Euro bei einer der auf Euro lautenden Hauptproduktkategorien aufwiesen.

Das Vereinigte Königreich hat beim Gericht der Europäischen Union u. a. mit der Begründung Klage erhoben, dass die EZB nicht befugt sei, zentralen Gegenparteien ein Standorterfordernis aufzuerlegen.

Mit seinem heutigen Urteil erklärt das Gericht den von der EZB veröffentlichten „Eurosystem Oversight Policy Framework“ insoweit für nichtig, als darin für zentrale Gegenparteien, die am Wertpapierclearing beteiligt sind, das Erfordernis eines Standorts innerhalb eines Mitgliedstaats des Euroraums festgelegt wird.

Dem Gericht zufolge geht die Schaffung eines solchen Erfordernisses über den Rahmen der bloßen Überwachung hinaus, da es die Tätigkeit von Wertpapierclearingsystemen reguliert; die EZB verfügt jedoch nicht über die erforderliche Befugnis, um deren Tätigkeit zu regulieren, da sich ihre Befugnis nach Art. 127 Abs. 2 AEUV allein auf Zahlungssysteme beschränkt. Mangels einer ausdrücklichen Bezugnahme auf das Wertpapierclearing in Art. 22 der Satzung ist daher der Ausdruck „Verrechnungs- und Zahlungssysteme“ dahin auszulegen, dass er hervorheben soll, dass die EZB über die Befugnis verfügt, Verordnungen zu erlassen, um effiziente und zuverlässige Zahlungssysteme, darunter auch solche, die eine Clearingphase einschließen, zu gewährleisten, und nicht dahin, dass ihr eine eigenständige Regulierungsbefugnis für sämtliche Clearingsysteme verliehen werden soll.

Das Gericht verwirft sodann das Argument der EZB, dass die ihr mit dem AEUV übertragene Aufgabe, das reibungslose Funktionieren der Zahlungssysteme zu fördern, zwangsläufig mit der Befugnis verbunden sei, die Tätigkeit der Infrastrukturen für das Wertpapierclearing zu regulieren. Nach Ansicht des Gerichts obliegt es der EZB – falls sie meint, dass für die ordnungsgemäße Wahrnehmung dieser Aufgabe eine solche Befugnis erforderlich sei –, den Unionsgesetzgeber auf der Grundlage von Art. 129 Abs. 3 AEUV zu ersuchen, Art. 22 der Satzung in der Weise zu ändern, dass ein ausdrücklicher Hinweis auf Wertpapierclearingsysteme hinzugefügt wird.

------------------
HINWEIS: Gegen die Entscheidung des Gerichts kann innerhalb von zwei Monaten nach ihrer Zustellung ein auf Rechtsfragen beschränktes Rechtsmittel beim Gerichtshof eingelegt werden.

HINWEIS: Eine Nichtigkeitsklage dient dazu, unionsrechtswidrige Handlungen der Unionsorgane für nichtig erklären zu lassen. Sie kann unter bestimmten Voraussetzungen von Mitgliedstaaten, Organen der Union oder Einzelnen beim Gerichtshof oder beim Gericht erhoben werden. Ist die Klage begründet, wird die Handlung für nichtig erklärt. Das betreffende Organ hat eine durch die Nichtigerklärung der Handlung etwa entstehende Regelungslücke zu schließen.
--------------------
1Die Clearingsysteme mit zentraler Gegenpartei (Central Counterparty, CCP) gewährleisten das Clearing bestimmter außerbörslicher Derivattransaktionen, indem sie das Kreditrisiko der an der Transaktion Beteiligten tragen und verwalten.
-----------------------------------------------------
Die von uns erfassten Urteile wurden oft anders formatiert als das Original. Dies bedeutet, daß Absätze eingefügt und Hervorhebungen durch fett-/kursiv-/&farbig-machen sowie Unterstreichungen vorgenommen wurden. Dies soll verdeutlichen, aber keinesfalls natürlich den Sinn verändern.Wenn Sie vorsichtshalber zusätzlich die Originalversion sehen möchten, hier ist der Link zur Quelle (kein Link? Dann ist dieser Link nicht in unserer DB gespeichert, z.B. weil das Urteil vor Frühjahr 2009 gespeichert worden ist).