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Text des Urteils
8 AZR 393/02;
Verkündet am: 
 21.08.2003
BAG Bundesarbeitsgericht
 

Vorinstanzen:
10 Sa 886/01 E
Landesarbeitsgericht
Sachsen-Anhalt;
Rechtskräftig: unbekannt!
Urteil - Lang
Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 26. April 2002 - 10 Sa 886/01 E - teilweise aufgehoben.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Halle vom 26. Oktober 2001 - 2 Ca 2044/01 E - wird zurückgewiesen, soweit die Klägerin auf 703,16 Euro einen 4 v.H. übersteigenden Zinsfuß geltend macht.

Im Übrigen wird die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 26. April 2002 - 10 Sa 886/01 E - zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die tarifgerechte Eingruppierung der Klägerin und ihre daraus folgende Vergütung.

Die Klägerin ist seit dem 26. August 1993 als Sonderschulpädagogin bei dem Beklagten, einem gemeinnützigen Verein, der nicht tarifgebunden ist, beschäftigt. Der Arbeitsvertrag vom 26. Mai 1993 lautet, soweit hier von Bedeutung:

"§ 2

Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach BAT-O und diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen sowie nach den für Angestellte des Bundes im Gebiet nach Artikel 3 des Einigungsvertrages jeweils geltenden sonstigen Regelungen.

...

§ 4

Die Angestellte ist in der Vergütungsgruppe III der Anlage 1 a/1 b zum BAT-O eingruppiert (§ 22, Abs. 3, BAT-O).

...

§ 6

Änderungen und Ergänzungen des Arbeitsvertrages einschließlich von Nebenabreden sind nur wirksam, wenn sie schriftlich vereinbart werden."

Bei dem Arbeitsvertrag handelt es sich um einen maschinenschriftlich ergänzten Vordruck; zu § 4 wurde die Angabe "III" zur Vergütungsgruppe in den hierfür vorgesehenen Leerraum eingesetzt.

Die Klägerin hat im Jahre 1984 ein vierjähriges Studium der Sonderpädagogik an der Wilhelm-Pieck-Universität Rostock als Diplomlehrerin für Hilfsschulen mit der Lehrbefähigung an allgemeinbildenden polytechnischen Hilfsschulen der ehemaligen DDR abgeschlossen. Von 1984 bis 1989 unterrichtete sie als Hilfsschullehrerin an der Pestalozzi-Schule in M, von August 1989 bis Februar 1990 war sie als Erzieherin im Rehabilitationszentrum H tätig und von März 1990 bis 1993 unterrichtete sie als Hilfsschullehrerin an der Pestalozzi-Schule in H.

Die bei dem Beklagten zuletzt mit einer Arbeitszeit von 72 % der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit eines vollbeschäftigten Mitarbeiters beschäftigte Klägerin erhält Vergütung nach der VergGr. III BAT-O. Sie verlangt rückwirkend seit November 1999 die Eingruppierung in VergGr. IIa BAT-O und entsprechende Bezahlung. Die Klägerin meint, die VergGr. IIa stehe ihr auf Grund des Lehrergleichstellungsgesetzes zu; dieses sei durch die arbeitsvertragliche Bezugnahme auf den BAT-O und diesen ergänzende Tarifverträge auf ihr Arbeitsverhältnis anwendbar.

Sie hat beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, an sie 5.396,65 DM brutto Gehaltsdifferenzen für den Zeitraum November 1999 bis einschließlich März 2001 nebst 5 % Verzugszinsen über den Basiszinssatz gem. § 1 DÜG seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

2. den Beklagten zu verurteilen, an sie 1.985,31 DM brutto Gehaltsdifferenzen für den Zeitraum April 2001 bis August 2001 nebst 5 % Verzugszinsen über den Basiszinssatz gem. § 1 DÜG seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat vorgetragen, die Eingruppierung und Vergütung der Klägerin nach VergGr. III BAT-O sei individuell und konstitutiv im Arbeitsvertrag vereinbart worden.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin als begründet angesehen, soweit sie nicht den Entgeltanspruch für den Monat November 1999 betrifft. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision des Beklagten ist im Wesentlichen unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend entschieden, dass die Klägerin für den Zeitraum von Dezember 1999 bis einschließlich August 2001 Vergütung nach VergGr. IIa BAT-O verlangen kann. Die Revision hat lediglich hinsichtlich eines Teils des Zinsanspruchs Erfolg.

I. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, der geltend gemachte Vergütungsanspruch beruhe auf den Regelungen des BAT-O und der ihn ergänzenden Tarifverträge. Mit dem Arbeitsvertrag hätten die Parteien keine eigenständige, konstitutive Regelung über die Vergütung getroffen. Bereits der Hinweis auf § 22 Abs. 3 BAT-O spreche dafür, dass mit der Aufnahme der VergGr. III in den Vertrag lediglich die tarifliche Pflicht hierzu erfüllt werden sollte. Der Zusatz "der Anlage 1 a/1 b" könne nicht als Anhaltspunkt für eine individuelle Vereinbarung herangezogen werden, sondern sei durch den formularmäßigen Vordruck dieser Passage zu erklären. Da sich das Arbeitsverhältnis gem. § 2 des Arbeitsvertrages nach dem BAT-O und den diesen ergänzenden Tarifverträgen bestimme, sei die Klägerin gem. § 2 Nr. 3 Satz 2 des Änderungstarifvertrages Nr. 1 vom 8. Mai 1991 iVm. § 2 Satz 1 und der Besoldungsordnung A des Landesbesoldungsgesetzes Sachsen-Anhalt in die VergGr. IIa BAT-O eingruppiert. Diese Vergütungsgruppe entspreche gem. § 11 Satz 2 BAT-O der Besoldungsgruppe A 13, in die die Klägerin einzustufen wäre, wenn sie in einem Beamtenverhältnis stünde. Da die Tarifvertragsparteien sich einer eigenen Vergütungsregelung enthalten hätten, könne nur auf die Bestimmungen des Gesetzes zurückgegriffen werden.

Die Klägerin erfülle die Tätigkeitsmerkmale der Besoldungsgruppe A 13 in der Besoldungsordnung A nach der Anlage zu § 2 Satz 1 Landesbesoldungsgesetz Sachsen-Anhalt. Sie sei Sonderschullehrerin mit einer Lehrbefähigung für Sonderschulen und werde auf Grund ihrer Tätigkeit in der Montessori-Grundschule des Beklagten in H entsprechend verwendet. Nach Fußnote 10 zu Besoldungsgruppe A 13 stelle diese Verwendung das Eingangsamt für Lehrer mit einem Hochschulabschluss für Hilfsschulen nach einem vierjährigen Studium an der Universität Rostock dar, zu denen die Klägerin auf Grund ihres Studiums gehöre. Sie habe daher Anspruch auf Vergütung nach VergGr. IIa BAT-O für den Zeitraum von Dezember 1999 bis einschließlich August 2001. Der Anspruch auf Gehaltsdifferenz für den Monat November 1999 sei gem. § 70 BAT-O verfallen, da ihn die Klägerin nicht innerhalb der Ausschlussfrist geltend gemacht habe.

II. Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung - abgesehen von einem Teil der Zinsforderung - im Ergebnis und in wesentlichen Teilen der Begründung stand. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Differenzvergütung zu, soweit er Gegenstand des Revisionsverfahrens ist. Sie kann für den Zeitraum von Dezember 1999 bis August 2001 Vergütung nach VergGr. IIa BAT-O verlangen.

1. Dem Anspruch auf höhere Vergütung steht nicht entgegen, dass § 4 des Arbeitsvertrages die VergGr. III BAT-O nennt. Die Auslegung des zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrages vom 26. Mai 1993 ergibt, dass die Vorinstanzen dieser vertraglichen Regelung zutreffend lediglich deklaratorische Bedeutung beigemessen haben.

a) Die Auslegung des Arbeitsvertrages durch das Landesarbeitsgericht unterliegt der uneingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfung. Die Auslegung von sogenannten atypischen Verträgen ist grundsätzlich Sache der Tatsachengerichte und durch das Revisionsgericht nur daraufhin nachprüfbar, ob bei der Auslegung solcher Verträge die Rechtsvorschriften über die Auslegung (§§ 133, 157 BGB) richtig angewandt worden sind, der Tatsachenstoff vollständig verwertet oder dabei gegen Denkgesetze und Erfahrungsgrundsätze verstoßen worden ist (Senat 16. Mai 2002 - 8 AZR 460/01 - AP BAT-O §§ 22, 23 Nr. 21; Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge ArbGG § 73 Rn. 16 mwN). Anders verhält es sich bei typischen Verträgen und Vertragsbestimmungen (BAG 29. Januar 1992 - 5 AZR 266/90 - AP BGB § 611 Lehrer, Dozenten Nr. 104; 20. Juni 1985 - 2 AZR 427/84 - AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 33 = EzA KSchG § 4 Ausgleichsquittung Nr. 1). Typische Klauseln sind Bestimmungen, die nicht auf die besonderen Verhältnisse des einzelnen Falles zugeschnitten, sondern für eine Vielzahl von Arbeitsverhältnissen bestimmt sind, also formularmäßig verwandt werden (BAG 22. Mai 1985 - 4 AZR 427/83 - BAGE 48, 351 = AP TVG § 1 Tarifverträge: Bundesbahn Nr. 7). Für den Arbeitsvertrag der Parteien wurde, wie das Landesarbeitsgericht festgestellt hat, ein Vordruck verwendet, in welchem lediglich die Daten der Klägerin und die Vergütungsgruppe maschinenschriftlich eingefügt wurden. Daher liegt ein "typischer Arbeitsvertrag" vor, den der Senat unbeschränkt und selbständig auslegen kann.

b) Das Landesarbeitsgericht hat der Angabe der VergGr. III BAT-O lediglich deklaratorische Bedeutung beigemessen. Dieses Auslegungsergebnis ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

aa) Vertragliche Ansprüche werden durch übereinstimmende Willenserklärungen der Vertragsparteien begründet. Ob eine bestimmte Äußerung eine Willenserklärung iSd. §§ 116 ff. BGB darstellt, richtet sich nach den Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB. Um eine Willenserklärung handelt es sich, wenn sich der Erklärung ein bestimmter Rechtsfolgewillen entnehmen lässt, also der Wille, ein Recht zu begründen, inhaltlich zu ändern oder aufzuheben. Es muss zum Ausdruck gekommen sein, dass durch die Erklärung ein bisher nicht bestehendes Recht begründet bzw. ein bereits bestehendes Recht inhaltlich geändert oder aufgehoben werden soll. Bei der Auslegung einer empfangsbedürftigen Willenserklärung kommt es nach §§ 133, 157 BGB darauf an, wie der Erklärungsempfänger sie nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte verstehen musste. Auszugehen ist zunächst vom Wortlaut; dann sind die Begleitumstände der Erklärung in die Auslegung einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Bei einer empfangsbedürftigen Erklärung sind nur solche Umstände zu berücksichtigen, die dem Erklärungsempfänger bekannt oder erkennbar waren. Anhaltspunkte für das Gewollte können sich insbesondere aus weiteren Äußerungen der Parteien im Zusammenhang mit der Erklärung, aus im Laufe der Zeit entstandenen Gebräuchen und aus dem Zweck der Erklärung ergeben (Senat 16. Mai 2002 - 8 AZR 460/01 - AP BAT-O §§ 22, 23 Nr. 21).

bb) Ausgehend von diesen Grundsätzen ist der Arbeitsvertrag der Parteien dahin auszulegen, dass sich die Höhe des Arbeitsentgelts nach den gem. § 2 in Bezug genommenen Tarifverträgen und sonstigen Regelungen und nicht nach der in § 4 genannten Vergütungsgruppe bemessen soll. Zwar handelt es sich bei dem Beklagten nicht um einen Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes, so dass sich die vom Bundesarbeitsgericht entwickelten Grundsätze zur lediglich deklaratorischen Bedeutung der Angabe von Vergütungsgruppen in Arbeitsverträgen (vgl. Senat 16. Mai 2002 - 8 AZR 460/01 - AP BAT-O §§ 22, 23 Nr. 21; BAG 27. September 2000 - 10 AZR 146/00 - BAGE 96, 1 = AP BAT-O §§ 22, 23 Nr. 15; 16. Februar 2000 - 4 AZR 62/99 - BAGE 93, 340 = AP NachwG § 2 Nr. 3 = EzA TVG § 4 Rückgruppierung Nr. 1) nicht ohne weiteres auf den vorliegenden Streitfall übertragen lassen. Die Vorinstanzen haben jedoch zu Recht den in § 4 des Arbeitsvertrages enthaltenen Hinweis auf § 22 Abs. 3 BAT-O als Hinweis auf die lediglich deklaratorische Bedeutung der Angabe von VergGr. III BAT-O gewertet. Diese Tarifnorm verpflichtet zur Angabe der Vergütungsgruppe des Angestellten im Arbeitsvertrag. Der Nennung dieser Vorschrift im Arbeitsvertrag kann nur der Sinngehalt beigelegt werden, dass die Parteien, insbesondere der Beklagte als Arbeitgeber, mit der Aufnahme der Vergütungsgruppe diese Verpflichtung erfüllen wollten. Daraus kann zunächst gefolgert werden, dass § 4 des Arbeitsvertrages nicht als Ergebnis einer Einigung der Parteien über die Entgelthöhe, sondern nur auf Grund der durch Inbezugnahme der Vorschriften des BAT-O bestehenden Verpflichtung erfolgt ist. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass § 22 Abs. 3 BAT-O seinerseits die nur deklaratorische Aufnahme der Vergütungsgruppe in den Arbeitsvertrag regelt, denn aus dem systematischen Zusammenhang mit den beiden vorhergehenden Absätzen der Tarifnorm ergibt sich, dass sich die Vergütung nach der Vergütungsgruppe bemisst, in der der Angestellte eingruppiert ist, wobei sich die Eingruppierung wiederum nach der auszuübenden Tätigkeit richtet.

Auch die Formulierung, wonach die Klägerin in "der" Vergütungsgruppe III eingruppiert "ist", spricht für dieses Ergebnis. Sie deutet darauf hin, dass die Zuordnung zu einer Vergütungsgruppe nicht durch den Arbeitsvertrag erfolgen sollte, sondern sich als zwingende rechtliche Folge ergibt, wenn ihre (tariflichen) Voraussetzungen erfüllt sind (Tarifautomatik; vgl. zur entsprechenden Formulierung in § 22 Abs. 1 BAT-O Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese BAT-O/ATB-Ang § 22 BAT-O Erl. 4 unter Hinweis auf das Rundschreiben des BMI vom 28. Juni 1991 - D III 1 - 220 000/44 a -). Es ist nicht ersichtlich, weshalb die Parteien bzw. der Beklagte als Verwender des Vordrucks eine der tariflichen Regelung entsprechende Formulierung verwenden, wenn nicht in der Absicht, die gleichen Rechtsfolgen wie bei direkter Anwendbarkeit des Tarifvertrages herbeizuführen.

cc) Die Angriffe der Revision gegen dieses Ergebnis vermögen nicht zu überzeugen. Zwar trifft es zu, dass § 4 des Arbeitsvertrages mit den Anlagen 1 a und 1 b Regelungen nennt, die auf Lehrkräfte nicht angewendet werden können. Dem Landesarbeitsgericht ist jedoch darin zu folgen, dass dieser Umstand nicht Ausdruck einer von den Parteien gewollten konstitutiven Bedeutung der genannten Vergütungsgruppe ist. Der Zusatz "der Anlage 1 a/1 b" ist nicht individuell in den Text eingefügt, sondern war nach den bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts vorgedruckt. Möglicherweise geschah dies im Hinblick auf die Verwendung des Formulars für Arbeitnehmer, die unter die genannten Anlagen fallen. Jedenfalls ist diese Textstelle ungeeignet, um indiziell für eine individuelle und konstitutive Vereinbarung der VergGr. III BAT-O zu sprechen.

2. Die somit auch bezüglich der Eingruppierung der Klägerin gebotene Anwendung des BAT-O und der diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge (§ 2 des Arbeitsvertrages) ergibt, dass die Klägerin Anspruch auf Vergütung nach VergGr. IIa BAT-O hat.

a) Zu den arbeitsvertraglich in Bezug genommenen Tarifverträgen gehört der Änderungstarifvertrag Nr. 1 vom 8. Mai 1991 zum Ersten Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts - Manteltarifliche Vorschriften (BAT-O). § 2 Nr. 3 lautet auszugsweise:

"Die Anlage 1 a ist, soweit sie keine besonderen Tätigkeitsmerkmale enthält, nicht auf Angestellte anzuwenden, die

...

als Lehrkräfte, auch wenn sie nicht unter die SR 2 l I fallen,

beschäftigt sind. Diese Angestellten sind - gegebenenfalls nach näherer Maßgabe von Richtlinien - in der Vergütungsgruppe eingruppiert, die nach § 11 Satz 2 BAT-O der Besoldungsgruppe entspricht, in welcher der Angestellte eingestuft wäre, wenn er im Beamtenverhältnis stünde."

b) Gegen die Rechtswirksamkeit dieser Verweisung auf die Beamtendienstverhältnisse bestehen nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts grundsätzlich keine Bedenken. Die Verweisung auf das Beamtenrecht und in dessen Rahmen ergangene Verfügungen der Dienstbehörden stellt insbesondere auch keine unzulässige Delegation der Normsetzungsbefugnisse der Tarifvertragsparteien dar. Diesen bleibt es nämlich unbenommen, die Verweisung jederzeit aufzuheben (Senat 8. August 2002 - 8 AZR 476/01 -; BAG 20. Oktober 1993 - 4 AZR 26/93 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Bundesbahn Nr. 10 = EzA TVG § 4 Bundesbahn Nr. 4).

c) Die Anwendung der beamtenrechtlichen Vorschriften ergibt sich entgegen der Auffassung der Revision aus § 2 des Arbeitsvertrages. Zwar wird dort lediglich auf die Vorschriften des BAT-O sowie der diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge verwiesen. Entgegen der Auffassung der Revision führt dies jedoch zur Anwendung der Vorschriften, die für Beamte im Dienste des Landes Sachsen-Anhalt stehen. Der Änderungstarifvertrag Nr. 1 ist ein den BAT-O ändernder bzw. ergänzender Tarifvertrag, so dass er gem. § 2 des Arbeitsvertrages auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung findet. Dadurch, dass er keine eigene Vergütungsregelung für Lehrkräfte enthält, sondern zulässigerweise (so. b)) auf die für Beamte geltenden Vorschriften verweist, werden diese Vorschriften zu Normen dieses Tarifvertrages. Daher steht ihrer Anwendung nicht entgegen, dass § 2 des Arbeitsvertrages nicht direkt auf die für Beamte geltenden Vorschriften verweist; die Inbezugnahme des BAT-O nebst ändernden und ergänzenden Tarifverträgen reicht aus.

d) Die Anwendung der solcher Art in Bezug genommenen beamtenrechtlichen Vorschriften führt zum Anspruch der Klägerin auf Arbeitsentgelt gem. VergGr. IIa BAT-O.

aa) Gem. § 2 Nr. 3 des Änderungstarifvertrages Nr. 1 zum BAT-O iVm. § 11 Satz 2 BAT-O entspricht die VergGr. IIa der Besoldungsgruppe A 13.

bb) Die Klägerin wäre in Besoldungsgruppe A 13 eingestuft, stünde sie im Beamtenverhältnis.

(1) Auf der Grundlage von Art. 74a Abs. 1 und Art. 72 Abs. 1 GG regelt das Bundesbesoldungsgesetz auch die Besoldung der Lehrer der Länder, § 1 Abs. 1 Nr. 1 BBesG. Nach § 1 Abs. 4 BBesG können die Länder diesbezüglich besoldungsrechtliche Vorschriften nur erlassen, soweit dies bundesgesetzlich vorgesehen ist. Nach § 20 Abs. 3 BBesG dürfen in Landesbesoldungsordnungen Ämter nur aufgenommen werden, soweit dies im Bundesbesoldungsgesetz ausdrücklich vorgesehen ist oder wenn sie sich von den Ämtern in den Bundesbesoldungsordnungen nach dem Inhalt der zugeordneten Funktionen wesentlich unterscheiden.

(2) Durch Art. 1 des Gesetzes zur Änderung von Vorschriften der Lehrerbesoldung vom 23. August 1994 (BGBl. I S. 2186) wurde die Vorbemerkung Nr. 16b zu den Bundesbesoldungsordnungen A und B eingefügt. Diese Vorbemerkung bestimmt abschließend, dass Lehrer mit einer Lehrbefähigung nach dem Recht der ehemaligen DDR landesrechtlich eingestuft werden unter Berücksichtigung der Ämter für Lehrer, die in der Bundesbesoldungsordnung A und den Landesbesoldungsordnungen A ausgewiesen sind. In dem Bundesland, in welchem die Klägerin beschäftigt ist, erfolgte eine solche landesgesetzliche Regelung durch das Gesetz zur besoldungsrechtlichen Gleichstellung der Lehrerinnen und Lehrer im Dienst des Landes Sachsen-Anhalt vom 27. Juli 1995 (GVBl. LSA S. 217).

(3) Gem. Art. 1 Nr. 2a des vorbezeichneten Gesetzes sind Sonderschullehrer mit einer Lehrbefähigung für Sonderschulen bei einer entsprechenden Verwendung in Besoldungsgruppe A 12 oder A 13 eingestuft. Diese Vorschrift lautet auszugsweise:

"Besoldungsgruppe A 12

...

Sonderschullehrer

- mit einer Lehrbefähigung für Sonderschulden bei einer entsprechenden Verwendung -

...

Besoldungsgruppe A 13

...

Sonderschullehrer

- mit einer Lehrbefähigung für Sonderschulen bei einer entsprechenden Verwendung - 10)

...

Fußnote 10

Als Eingangsamt für Diplomlehrer oder vergleichbare Lehrkräfte mit einer Lehrbefähigung für ein oder zwei Fächer der allgemeinbildenden polytechnischen Oberschule und einem zusätzlichen Hochschulabschluß für eine sonderpädagogische Fachrichtung als Lehrer sowie für Lehrer mit einem Hochschulabschluß für Hilfsschulen nach einem vierjährigen Studium an der Universität Rostock, die im Wege der Bewährung als Lehrbefähigung anerkannt worden ist."

(4) Die Klägerin hat das in der Fußnote 10 zur Besoldungsgruppe A 13 ausreichende vierjährige Studium der Sonderpädagogik an der Universität Rostock als Diplomlehrerin für Hilfsschulen mit der Lehrbefähigung an allgemeinbildenden polytechnischen Hilfsschulen abgeschlossen. Sie wird entsprechend ihrer Ausbildung und Lehrbefähigung bei dem Beklagten beschäftigt; sie erfüllt daher die Voraussetzungen für die Einstufung in die Besoldungsgruppe A 13.

3. Der Auffassung der Revision, der Tarifvertrag zur Sicherung von Arbeitsplätzen an allgemeinbildenden Schulen Sachsen-Anhalts (Arbeitsplatzsicherungs-TV Schulen LSA) führe zu einem anderen Ergebnis, geht fehl. Dieser Tarifvertrag lautet auszugsweise:

"§ 1

Geltungsbereich

(1) Der Tarifvertrag gilt für die unter den Geltungsbereich des BAT-O fallenden vollbeschäftigten Lehrkräfte an den allgemeinbildenden Schulen des Landes Sachsen-Anhalt.

...

§ 2

Durchschnittliche regelmäßige Arbeitszeit, Kündigungsschutz

(1) Zur Sicherung von Beschäftigungsmöglichkeiten wird die regelmäßige Arbeitszeit vom 01.08.1997 bis zum 31.07.2003 für die in § 1 Abs. 1 genannten Arbeitnehmer

- an Grundschulen auf 81 v. H.

- an den übrigen allgemeinbildenden Schulen auf 87 v. H.

herabgesetzt (durchschnittliche regelmäßige Arbeitszeit).

(2) Der Arbeitnehmer, für den eine durchschnittliche regelmäßige Arbeitszeit nach Abs. 1 vereinbart worden ist, erhält von der Summe der Vergütung (§ 26 BAT-O) und der in Monatsbeträgen festgelegten Zulagen die ohne Anwendung des Tarifvertrages gezahlt würde, den in Abs. 1 bestimmten Vomhundertsatz. ..."

Die Klägerin ist lediglich mit 72 vH der regelmäßigen Arbeitszeit beschäftigt und daher keine vollbeschäftigte Lehrkraft iSv. § 1 Abs. 1 Arbeitsplatzsicherungs-TV Schulen LSA. Zum andern korrespondieren gem. dessen § 2 die Kürzung der Vergütung und diejenige der Arbeitszeit, so wie dies die Parteien auf der Basis eines Beschäftigungsumfangs von 72 vH ebenfalls vereinbart haben. Eine nochmalige Kürzung des Arbeitsentgelts für Zeiten, in denen die Klägerin ihre Arbeitsleistung in diesem Umfang bereits erbracht hat, ermangelt jeder rechtlichen Grundlage.

4. Die Revision hat Erfolg, soweit das Landesarbeitsgericht auch auf den vor dem 1. Mai 2000 fällig gewordenen Teilbetrag Zinsen in Höhe von mehr als 4 vH zugesprochen hat. Nach Art. 229 § 1 Abs. 1 Satz 1 EGBGB gilt § 288 BGB nF für Forderungen, die nach dem 1. Mai 2000 fällig werden. Gem. § 36 Abs. 1 Satz 1 BAT-O ist Zahltag und damit Fälligkeitstag jeweils der 15. des Monats. Somit kann die Klägerin auf die Monatsvergütungen für Dezember 1999 bis April 2000 nur Zinsen in Höhe von 4 vH verlangen (§ 288 Abs. 1 BGB aF). Nach der im Urteil des Landesarbeitsgerichts in Bezug genommenen Aufstellung gem. Schriftsatz vom 2. Oktober 2001 handelt es sich insoweit um eine Differenzvergütung in Höhe von 1.375,26 DM entsprechend 703,16 Euro (gezahlt: 18.725,18 DM; Forderung: 20.100,44 DM).

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1, § 92 Abs. 2 ZPO.

Hauck Dr. Wittek Laux Brückmann Dr. Scholz
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