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Text des Urteils
8 Sa 495/95;
Verkündet am: 
 13.05.1996
LAG Landesarbeitsgericht
 

Erfurt
Vorinstanzen:
1 Ca 3279/94
Arbeitsgericht
Gera;
Rechtskräftig: unbekannt!
betriebsbedingte Kündigung eines Buchhalters wegen der unternehmerischen Entscheidung des Arbeitgebers
Leitsatz des Gerichts:
betriebsbedingte Kündigung eines Buchhalters wegen der unternehmerischen Entscheidung des Arbeitgebers, die Buchhaltungsarbeiten zukünftig durch einen Steuerberater bzw. durch die Buchhaltung eines gesellschaftlich verbundenen Unternehmens durchführen zu lassen
Entscheidungstenor


1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Gera vom 02.05.1995 - 1 Ca 3279/94 - abgeändert.

2. Die Klage wird abgewiesen.

3. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.


Tatbestand


Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit der gegenüber dem seit 1976 bei der Beklagten bzw. ihrem Rechtsvorgänger als Buchhalter beschäftigten Kläger am 28.09.1994 zum 31.03.1995 ausgesprochenen betriebsbedingten Kündigung.

Wegen des erstinstanzlichen Parteivortrages, wegen der gestellten Anträge und wegen der vom Gericht getroffenen Feststellungen wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Gera vom 02.05.1995 gem. § 543 Abs. 1 ZPO Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 28.09.1994 nicht aufgelöst worden sei und die Beklagte zur Weiterbeschäftigung des Klägers zu den bisherigen Bedingungen verurteilt.

Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt: Die Beklagte sei ihrer Darlegungs- und Beweislast im Hinblick auf die außer- oder innerbetrieblichen Umstände, die Anlass zur Kündigung gewesen wären und im Hinblick auf die aufgrund dieser Umstände getroffenen unternehmerischen Entscheidungen nicht gerecht geworden. Sie habe die Kündigung zwar mit der beabsichtigten Konzentration der Buchhaltung der Firmengruppe M. W. M. zum 01.01.1995 begründet, ihr Vortrag über die Veräußerung des beklagten Unternehmens an die M. sei aber unsubstantiiert, weil der konkrete Zeitpunkt der Veräußerung nicht mitgeteilt worden sei. Es sei auch nicht konkret vorgetragen worden, welche Maßnahmen in dem im September geführten Gespräch verabredet worden seien, die Einfluss auf den Arbeitsplatz des Klägers hätten haben können.

Gegen dieses dem Beklagtenvertreter am 22.06.1995 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 26.06.1995, beim Berufungsgericht eingegangen am 19.07.1995, Berufung eingelegt und die Berufung mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 18.09.1995, beim Berufungsgericht eingegangen am 20.09.1995 begründet, nachdem die Berufungsbegründungsfrist mit Verfügung vom 24.07.1995 bis zum 21.09.1995 verlängert worden war.

Die Beklagte wendet sich mit erheblicher Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages gegen die tragenden Gründe des angefochtenen Urteils und legt die - in der Berufungsinstanz nach Durchführung der Beweisaufnahme unstreitig gewordenen - Gründe für die Verlagerung der Buchhaltungsarbeiten auf die M. klar.

Danach haben ihr früherer Geschäftsführer, der Zeuge Z. und der frühere Geschäftsführer der Fa. M., R. B., im Rahmen der Veräußerung der von B. und Z. an der Beklagten gehaltenen Anteile an die M. GmbH Mitte September 1994 vereinbart, die bei der Beklagten geführte Buchhaltung, mit der der Kläger angesichts von nur noch 23 bei der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer bei weitem nicht mehr ausgelastet war, ab 01.01.1995 auch aus Gründen der Kostenersparnis von der bei der M. geführten Buchhaltung miterledigen zu lassen und dementsprechend die Abteilung Buchhaltung bei der Beklagten zum Ende des Jahres zu schließen. Die bei der Fa. M. zum 01.01.1995 vorgesehene Installation eines leistungsfähigeren Rechners verzögerte sich aber wegen Schwierigkeiten bei der Softwarebeschaffung. Deshalb beschloss die Geschäftsführung, mit Wirkung vom 01.01.1995 aufgrund des Vertrages vom 15.12.1994 zunächst ein Steuerberatungsbüro mit den notwendigen Lohn- und Finanzbuchhaltungsarbeiten sowie der Durchführung des Jahresabschlusses zu betrauen. Seit dem 01.07.1995 wird die gesamte Lohn- und Finanzbuchhaltung für die Beklagte von der Fa. M. bearbeitet, wobei im Betrieb der Beklagten nur noch die Unterlagen für die Berechnung der Vorgänge zusammengestellt und per Post nach W. transportiert werden. Ab diesem Zeitpunkt erfolgten keinerlei Berechnungen bei der Beklagten mehr; die monatlichen Lohnarbeiten wurden allerdings bis Ende 1995 noch bei dem beauftragten Steuerberatungsbüro aufgrund des abgeschlossenen Vertrages abgewickelt.

Auf der Grundlage dieser Entwicklung vertritt die Beklagte nach wie vor die Auffassung, dass die Kündigung begründet sei, weil der Arbeitsplatz des Klägers durch eine unternehmerische Entscheidung weggefallen sei.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Gera abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung der Beklagten kostepflichtig abzuweisen und das Urteil des Arbeitsgerichts Gera vom 02.05.1995, 1 Ca 3279/94, zu bestätigen.

Er verteidigt unter Stellungnahme zur Berufungsbegründung die tragenden Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung und weist vor allem darauf hin, dass zwischen der Beklagten und der Fa. M. keine Fusion und auch keine anderweitige Vereinigung erfolgt sei und dass die M. von der Beklagten nicht die Rechte und die Pflichten der Geschäftsführung übernommen hätte. Auch habe sich die Beklagte nicht ihrer gesetzlichen Pflicht zur Führung einer ordnungsgemäßen Buchhaltung durch die Vereinbarung mit der M. entziehen können. Sein Arbeitsplatz sei also nicht weggefallen, wobei sich allerdings die Unwirksamkeit der Kündigung nicht aus § 613 a Abs. 4 BGB ergebe, da nur der Tatbestand einer Organisationsänderung und nicht der Tatbestand einer Betriebsveräußerung vorliege.

Über die - zunächst - strittigen Behauptungen der Beklagten hat das Berufungsgericht durch Einvernahme des Zeugen Z. Beweis erhoben; wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift Bl. 129 d. A. verwiesen.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den vorgetragenen Inhalt der beiderseitigen Schriftsätze nebst Anhang Bezug genommen.

Entscheidungsgründe


I


Die gem. §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 ArbGG statthafte und nach dem Beschwerdewert gem. § 64 Abs. 2 ArbGG zulässige Berufung der Beklagten ist fristgemäß und formgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 518, 519 Abs. 1 und 3 ZPO, 64 Abs. 6 S. 1, 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG) und damit insgesamt zulässig.

II


Die Berufung ist auch begründet, weil das Arbeitsgericht der Klage zu Unrecht stattgegeben hat. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien ist durch die angegriffene Kündigung vom 28.09.1994 mit Ablauf der Kündigungsfrist aufgelöst worden, und der Kläger hat deshalb auch keinen Anspruch auf Weiterbeschäftigung über diesen Termin hinaus.

Das Berufungsgericht hat nämlich auf der Grundlage des zumindest nach Durchführung der Beweisaufnahme unstreitig gewordenen Sachvortrages der Parteien die Auffassung gewonnen, dass der Arbeitsplatz des Klägers mindestens mit Ablauf der Kündigungsfrist durch die von der Beklagten tatsächlich durchgeführten Rationalisierungsmaßnahme weggefallen ist. Diese Auffassung hätte allerdings wohl schon das Arbeitsgericht gewinnen können, wenn es den erstinstanzlichen Sachvortrag beider Parteien auf Schlüssigkeit und Erheblichkeit genau geprüft und nicht allein auf die von der Beklagten angeblich nicht erfüllte Darlegungs- und Beweislast abgestellt hätte, ohne versucht zu haben, ggf. für notwendig erachteten weiteren Vortrag im Wege eines konkreten Auflagenbeschlusses zu erhalten.

Im Einzelnen gilt Folgendes:

1. Nach den von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur betriebsbedingten Kündigung i. S. des § 1 Abs. 1 und 2 KSchG entwickelten Grundsätzen führen außer- wie innerbetriebliche Kündigungsursachen allein noch nicht zum Wegfall des Arbeitsplatzes. Erforderlich ist stets eine unternehmerische Entscheidung, mit der auf diese unterschiedlichen Ursachen reagiert wird. Die außerbetrieblichen Ursachen (z. B. Absatzmangel, Umsatzrückgang, Gewinnverfall) bedürfen jeweils einer innerbetrieblichen Umsetzung (z. B. durch Betriebseinschränkung, Rationalisierungsmaßnahmen, Umstrukturierungsmaßnahmen). Die Unternehmerentscheidung, die dann letztlich zum Wegfall des Arbeitsplatzes führt, kann von den Arbeitsgerichten nicht auf Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit hin überprüft werden, denn der Unternehmer hat gem. Art. 14 GG das Recht, den in seinem Eigentum stehenden Betrieb so einzurichten, wie er es für zweckmäßig hält, und die Gerichte wären überfordert, wenn sie ihm eine "bessere" Organisation vorschreiben wollten. Nur wenn die Maßnahmen offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich sind, kann das Gericht der unternehmerischen Gestaltungsfreiheit die Anerkennung versagen. Dies ist allerdings vom Arbeitnehmer darzulegen und zu beweisen. Es handelt sich insoweit lediglich um eine Missbrauchskontrolle, mit der Extremfällen begegnet werden kann (vgl. zuletzt BAG Urteil vom 19.05.1993, EzA § 1 KSchG, Betriebsbedingte Kündigung Entsch. 73).

Es reicht nicht aus, dass die ernstlich beabsichtigte bzw. durchgeführte Maßnahme offensichtlich unzweckmäßig ist. Aus der beschränkten Kontrolle der Unternehmerentscheidung folgt insbesondere auch, dass nicht zu prüfen ist, ob die vom Arbeitgeber aufgrund seiner Unternehmerentscheidung erwarteten Vorteile in einem "vernünftigen Verhältnis" zu den Nachteilen stehen, die der Arbeitnehmer durch die Kündigung erleidet.

Zur Bejahung eines dringenden betrieblichen Erfordernisses kommt es also entscheidend darauf an, ob außer- oder innerbetriebliche Kündigungsursachen vorliegen, ob diese Ursachen durch eine bindende und nachvollziehbare Unternehmerentscheidung umgesetzt worden sind, ob durch diese Entscheidung der in Frage stehende Arbeitsplatz weggefallen ist und ob etwa vorrangige mildere Mittel zur Abwendung einer Kündigung nicht eingesetzt werden konnten (vgl. zu alledem BAG Urteil vom 29.03.1990, EzA § 1 KSchG, Soziale Auswahl, Entsch. 29 m. w. N.).

Ist eine Kündigung wegen einer bindenden Unternehmerentscheidung "an sich" betriebsbedingt, dann kann die immer notwendige umfassende Interessenabwägung sich nur in seltenen Ausnahmefällen zugunsten des Arbeitnehmers auswirken. Eine, zumeist nur vorübergehende Weiterbeschäftigung kann dem Arbeitgeber dann zuzumuten sein, wenn der Arbeitnehmer aufgrund schwerwiegender persönlicher Umstände besonders schutzbedürftig ist (so BAG Urteil vom 30.04.1987, 2 AZR 184/86, EzA § 1 KSchG, Betriebsbedingte Kündigung, Entsch. 47).

2. Die Anwendung dieser Grundsätze führt zur Bejahung der sozialen Rechtfertigung der Kündigung, weil beim vorliegenden Sachverhalt der Kündigungsgrund ein solches Gewicht hat, dass nach einem objektiven Maßstab auch ein "ruhig und verständig urteilender Arbeitgeber" zur Kündigung veranlasst worden wäre (vgl. zu dieser sehr konturenlosen, aber in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts stets angeführten Formel BAG Urteil vom 18.10.1990, 2 AZR 204/90 m. v. unter Berufung auf die ständige Rechtsprechung des BAG seit BAG Urteil vom 07.10.1954 AP Nr. 5 zu § 1 KSchG 1969).

Die Beklagte hat nämlich im Zeitpunkt der Kündigungserklärung - und auf diesen Zeitpunkt kommt es entscheidend an - den ersten und nachhaltigen Entschluss gefasst, aus Kostengründen wie auch aus Gründen der mangelnden Arbeitsauslastung des Klägers die anfallenden Buchhaltungsarbeiten, mit denen der Kläger allein betraut war, ab dem 01.01.1995 nicht mehr im Betrieb selber, sondern im Betrieb der Fa. M. in deren Buchhaltung durchführen zu lassen.

Durch diese Maßnahme sollte die Betriebsabteilung "Buchhaltung" quasi stillgelegt werden, was den Wegfall des Arbeitsplatzes des Klägers zur Folge hatte.

Die Beklagte hatte darüber hinaus nicht nur die Absicht, diese Maßnahme ab dem 01.01.1995 durchzuführen, sondern sie hat diese Maßnahme auch dann ab 01.01.1995 tatsächlich durchgeführt, weil ab diesem Zeitpunkt mit der Lohn- und Finanzbuchhaltung das Steuerberatungsbüro betraut wurde und dann erst ab 01.07.1995 die geplante Maßnahme unter Heranziehung der Buchhaltung der Fa. M. abschließend umgesetzt wurde.

Dabei ist unerheblich, dass im Betrieb, dass im Betrieb weiterhin Vorbereitungsarbeiten anfielen, wie etwa Registrierung der Rechnungsposten, Sicherung des Zahlungsverkehrs - jeweils unter Zuhilfenahme eines Computerprogramms - und Versendung von Post. Der Zeuge Z. hat insoweit unwidersprochen bekundet, dass diese marginalen Tätigkeiten nur noch 10 % der ursprünglich dem Kläger obliegenden Aufgaben darstellten und dass sie problemlos von einer Sekretärin oder von ihm selbst hätte miterledigt werden können. Diese reine Abwicklungstätigkeit macht auch nicht den Hauptinhalt der Arbeitsaufgabe des Klägers als Buchhalter aus, so dass er sich schon deshalb nicht darauf berufen kann, er hätte weiterhin mit diesen Randtätigkeiten betraut werden können. Die für das Unternehmen und das Personal wichtigen Buchhaltungsarbeiten als solche werden eben nicht mehr im Betrieb, sondern anderswo erledigt.

3. Die Auflösung der Buchhaltung und die Vergabe der Buchhaltungsarbeiten an ein anderes Unternehmen stellen eine Rationalisierungsmaßnahme dar, nämlich als eine unternehmerische Entscheidung einen innerbetrieblichen Umstanf für ein betriebsbedingtes Erfordernis i. S. des § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG (vgl. BAG Urteil vom 20.02.1986, 2 AZR 212/85, EzA § 1 KSchG, Betriebsbedingte Kündigung, Entsch. 37; BAG Urteil vom 30.04.1987 a. a. O.).

Der Kläger hat nicht vorgetragen, dass diese Maßnahme offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich gewesen ist. Eine solche Annahme drängt sich für das Gericht auch nicht aus dem Vortrag der Parteien auf. Für eine beschlossene und tatsächlich durchgeführte Unternehmerentscheidung spricht auch die Vermutung, dass sie aus sachlichen Gründen erfolgt ist (vgl. BAG Urteil vom 24.10.1979, EzA § 1 KSchG, Betriebsbedingte Kündigung, Entsch. 13; BAG Urteil vom 14.10.1986, 2 AZR 811/79, EzA § 613 a BGB Entsch. 38).

Es kann auch nicht der Auffassung des Klägers gefolgt werden, dass nämlich die Maßnahme einen Verstoß gegen die Buchführungs- und Bilanzierungspflichten des Handelsgesetzbuches und des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung darstellen würde, wobei offen bleiben kann, inwieweit sich der Kläger überhaupt auf einen solchen Verstoß berufen könnte (vgl. Schulze-Osterloh in Baumbach-Hueck, GmbHG, 16. Aufl. 1996, § 41 Rz. 3). Denn der Geschäftsführer als der eigentlich zu Buchführung und Bilanzierung Verpflichtete muss diese Aufgabe nicht selbst erfüllen, sondern kann geeignete Mitarbeiter einstellen, wie auch die Buchführungsaufgaben an sorgfältig ausgewählte und überwachte selbständige Unternehmen vergeben (vgl. Schulze-Osterloh a. a. O. Rz. 22 m. w. N.).

4. Der Kläger kann auch nicht auf einen anderen Arbeitsplatz im Betrieb der Beklagten beschäftigt werden. Er hat einen solchen Arbeitsplatz nicht aufgeführt; er ist auch offensichtlich - angesichts der Größe der Beklagten - nicht vorhanden.

5. Im Rahmen der notwendigen Interessenabwägung ist zugunsten des Klägers zu berücksichtigen, dass er bereits in einem vorgerückten Alter steht, das es aller Wahrscheinlichkeiten nach unter den Bedingungen des hiesigen Arbeitsmarktes unmöglich erscheinen lässt, dass er einen neuen vergleichbaren Arbeitsplatz finden wird, und dass er bei der Beklagten und ihrem Rechtsvorgänger bereits seit ca. 18 Jahren in einem Beschäftigungsverhältnis stand. Dies spricht dafür, dass er in hohem Maße auf den Arbeitsplatz angewiesen ist und dass ihn der Verlust dieses Arbeitsplatzes hat trifft.

Zugunsten der Beklagten ist zu berücksichtigen, dass der Arbeitsplatz des Klägers angesichts der drastischen Verringerung der Zahl der Beschäftigen nach der Privatisierung schon vor Durchführung der unternehmerischen Entscheidung in starkem Maße "ausgehöhlt" war, weil der Arbeitsanfall im Verhältnis zu früher praktisch nur noch 50 % betrug, und dass sie nach Durchführung der nicht weiter angreifbaren Unternehmerentscheidung keine Möglichkeit zur Weiterbeschäftigung des Klägers mehr hat. Es kann ihr deshalb nicht angesonnen werden, den Kläger bis zu seiner Verrentung ohne vernünftige Arbeitsaufgaben weiterhin zu beschäftigen und weiterhin mit ca. 45.000,00 DM pro Jahr ohne betriebswirtschaftlich sinnvolle Gegenleistung zu vergüten.

Berücksichtigt man weiter, dass die Ehefrau des Klägers ein Einzelhandelsgeschäft betreibt, mit dessen Ertrag der Unterhalt der Familie gesichert ist, dann kann nicht davon gesprochen werden, dass der Kläger i. S. der zitierten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts besonders schutzbedürftig ist und dass seine Kündigung einen besonderen Härtefall darstellt.

6. Einer aus § 613 a Abs. 4 BGB abzuleitende Unwirksamkeit der Kündigung steht nicht in Rede, denn der Kläger hat nicht vorgetragen, dass die Kündigung wegen eines Betriebsüberganges erfolgt sei.

Auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (Urteil vom 14.04.1994, NZA 94, 545 "Christel Schmidt"; Urteil vom 19.05.1992, NZA 94, 207 "Redmond Stichting"; vgl. dazu Gaul Arbeit und Recht 1995, 119 ff) liegt in einer bloßen Funktionsnachfolge noch kein Betriebsübergang i. S. der Richtlinie 77/187 vom 14.02.1987.

Denn der Europäische Gerichtshof verlangt stets, dass trotz des Funktonsträgerwechsels die wirtschaftliche Identität gewahrt bleibt, denn nur dann bleibt die Verknüpfung von Arbeitsplatz und Arbeitsverhältnis in einer für den Unternehmer verwertbaren Weise bestehtn. Führt der Dritte eine einzelne Aufgabe an einem anderen Ort, mit einer anderen Belegschaft und mit eigenen Betriebsmitteln fort, dann führt er gerade keine gleichartige Tätigkeit aus, sondern erfüllt für den Auftraggeber nur die gleiche Funktion, aber auf eigenständige Art und Weise. Die Kontinuität der wirtschaftlichen Identität ist damit weggefallen (vgl. Wendeling-Schröder, Betriebsübergang und Funktionsnachfolge in: Arbeitsrecht der Gegenwart 1994, S. 55 f, 65; Zuleeg, ist der Stand des deutschen Arbeitsrechts durch europäische Rechtsprechung bedroht? In: Arbeitsrecht der Gegenwart 1994 S. 41 f, 49; Heilmann, Die Rechtsprechung des BAG und des EuGH zum Betriebsübergang im Vergleich, Arbeit und Recht 1996, 168 f, 169; LAG Düsseldorf, Urteil vom 22.08.1995, 16 Sa 364/95, Betriebsberater 1996, 431). Da hier die Fa. M. die Buchhaltungsarbeiten der Beklagten in einer eigenen betrieblichen Organisation, mit eigenen Betriebsmitteln und eigenen Arbeitnehmern an einem anderen Ort weiter durchführen sollte und durchgeführt hat, stellt diese Auftragsvergabe nach alledem keinen Betriebsübergang i. S. der zitierten Richtlinie oder des § 613 a BGB dar.

Aus alledem folgt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten am 31.03.1995 sein Ende gefunden hat. Die Klage ist unter Abänderung des angefochtenen Urteils abzuweisen.

Der Kläger hat als unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen (§ 91 ZPO).

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht ersichtlich.
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