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Text des Urteils
6 Sa 1289/09;
Verkündet am: 
 23.11.2009
LAG Landesarbeitsgericht
 

Berlin-Brandenburg
Vorinstanzen:
1 Ca 1174/08
Arbeitsgericht
Eberswalde;
Rechtskräftig: unbekannt!
Ausschlußfrist: Dienstplan mit Summierung aufgelaufener Überstunden am Plananfang erübrigt schriftliche Geltendmachung - Überstundenausgleich nach Durschnittsverdienst, nicht nach Grundgehalt - Ausschlußklauseln AGB-rechtswidrig?
In dem Rechtsstreit
...

- Klägerin und Berufungsklägerin -


Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt Franz-Anton Plitt, Ankerstraße 15, 06108 Halle

gegen
...

- Beklagte und Berufungsbeklagte -


Prozessbevollmächtigte: ...

hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Kammer 6, auf die mündliche Verhandlung vom 09. Oktober 2009 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Corts sowie die ehrenamtlichen Richter Synowzik und Mohr für Recht erkannt:

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Eberswalde vom 14.05.2009- 1 Ca 1174/08-im Kostenausspruch und insoweit geändert, wie die Klage über einen Betrag von 70,86 € brutto hinaus abgewiesen worden ist, und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 455,84 € brutto (vierhundertfünfundfünfzig 84/100) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03. Juni 2008 zu zahlen und der Klägerin hierüber eine Lohnabrechnung zu erteilen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben bei einem Streitwert von 726,70 € die Klägerin zu 23,51 % und die Beklagte zu 76,49 % zu tragen, während die Kosten der Berufungsinstanz bei einem Streitwert von 626,70 € der Klägerin zu 11,31 % und der Beklagten zu 88,69 % auferlegt werden.

3. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.


Tatbestand

Die Klägerin trat aufgrund Arbeitsvertrags vom 23. Dezember 2005 (Ablichtung Bl. 44 und 45 d.A.) als Altenpflegehilfskraft in die Dienste der Beklagten.

Sie kündigte ihr Arbeitsverhältnis selbst fristlos am 5. Mai 2008.

Nach Rücknahme eines Antrages auf Urlaubsabrechnung begehrt die Klägerin noch Zahlung von 526,70 € brutto Vergütung von 44,5 Überstunden und Erteilung einer Abrechnung hierüber.

Das Arbeitsgericht Eberswalde hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Klägerin habe die arbeitsvertraglich vereinbarte Ausschlussfrist von drei Monaten versäumt, die mit Rücksicht auf ihre fristlose Kündigung vom 05. Mai 2008 am 01. Juni 2008 begonnen habe, während eine Geltendmachung allenfalls in ihrem Schriftsatz vom 17. November 2008 zu sehen sei, mit dem sie eine Abrechnung für 44,5 Überstunden und Ausgleichung des sich ergebenden Betrages verlangt habe.

Die Verfallklausel sei weder überraschend noch inhaltlich zu beanstanden. Soweit sie Ansprüche aus zwingenden gesetzlichen Regelungen erfasse, wäre allenfalls von einer teilweisen Unwirksamkeit auszugehen.

Gegen dieses ihr am 25. Mai 2009 zugestellte Urteil richtet sich die am 25. Juni 2009 eingelegte und am 27. Juli 2009, einem Montag, begründete Berufung der Klägerin.

Sie verweist auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach die uneingeschränkte Verkürzung von Fristen zur Geltendmachung von Rechten gegen das gesetzliche Klauselverbot bei Verletzung von Leben, Körper und Gesundheit und bei grobem Verschulden verstoße und eine solche Klausel deshalb insgesamt unwirksam sei.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte unter Änderung des angefochtenen Urteils zu verurteilen, an sie 526,70 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 15. Mai 2005 zu zahlen und ihr eine Abrechnung über 44,5 Überstunden mit einem Bruttostundenlohn von 11,84 € zu erteilen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Hinweis auf die bisherige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu arbeitsvertraglichen Ausschlussfristen.

Im Übrigen habe die Klägerin nicht substantiiert dargelegt, wann Überstunden angeordnet und von ihr geleistet worden seien. Auch läge der Berechnung des verlangten Betrages eine Vielzahl nicht zu berücksichtigender Zuschläge aus einer wahllos herangezogenen Abrechnung zugrunde.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

1. Die Berufung ist weitgehend begründet,

1.1 Die Klägerin kann von der Beklagten Überstundenvergütung in Höhe von 455,84 € brutto verlangen.

1.1.1 Anspruchsgrundlage ist der zwischen den Parteien geschlossene Arbeitsvertrag.

In der Vertragsurkunde vom 23. Dezember 2005 war zwar nur die regelmäßige Arbeitszeit von 30 Stunden wöchentlich und eine feste monatliche Bruttogrundvergütung geregelt.

Die Vertragspraxis als Ausdruck des übereinstimmenden Willens der Parteien brachte jedoch eine Ergänzung dahin, dass geleistete Überarbeit im monatlichen Dienstplan mit dem Ziel eines entsprechenden Freizeitausgleichs in der Folgezeit erfasst wurde.

Kommt es in einem solchen Fall aber zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sind noch nicht ausgeglichene Überstunden zu vergüten, wie sich im Wege einer an der beiderseitigen Interessenlage orientierten ergänzenden Vertragsauslegung gem. § 157 BGB ergibt.

Eine solche Vergütung hätte nicht einmal durch eine ausdrückliche gegenteilige Vertragsklausel ausgeschlossen werden können (dazu BAG, Urteil vom 24.11.1993 - 5 AZR 153/93 - BAGE 75, 133 = AP BGB § 611 Mehrarbeitsvergütung Nr. 11 zu A 12 d.Gr.).

1.1.2 Es war davon auszugehen, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin zur Beklagten durch ihre fristlose Kündigung vom 05. Mai 2008 beendet worden ist und nicht etwa zuvor mit Wirkung vom 01. Mai 2008 auf einen Betriebsteilerwerber gem. § 613a Abs. 1 BGB übergegangen ist.

Zwar hat die Beklagte erstinstanzlich behauptet, das sog. Haus 11 sei mit Wirkung zum 01. Mai 2008 komplett von einem Dritten übernommen worden, der seitdem sämtliche Pflegeleistungen dort erbringe, das gesamte Inventar in Besitz genommen und bis auf wenige Ausnahmen das dort tätige Personal übernommen habe.

Dies ließ jedoch nicht erkennen, dass dieses Gebäude schon zuvor als organisatorische Untergliederung geführt worden war, wogegen auch sprach, dass nach der insoweit unwidersprochenen Darstellung der Klägerin die Mitarbeiter der Beklagten Gebäude übergreifend eingesetzt worden waren.

1.1.3 Dass die Klägerin bis zur Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses noch 38,5 nicht in Freizeit ausgeglichene Überstunden geleistet hatte, ergab sich aus dem von ihr hinsichtlich ihrer Person in Ablichtung zur Akte gereichten Dienstplan für April 2008 (Ablichtung Bl. 13 d.A.).

Dort findet sich in der Spalte „Std.-Übertrag" zu Monatsbeginn der handschriftliche Eintrag „44,5" und in der entsprechenden Spalte zum Monatsende als Ergebnis von 126 Ist- und 132 Sollstunden der Eintrag „38,5".

Die erstinstanzliche Einlassung der Beklagten, eine Kontrolle durch die zuständige Pflegedienstleiterin sei letztmalig Ende Februar 2008 erfolgt und ihr sei nicht bekannt, wer den Dienstplan für April 2008 geführt habe, war prozessual unerheblich. Abgesehen davon, dass eine Erklärung mit Nichtwissen gem. § 138 Abs. 4 ZPO nicht zulässig ist, wenn die Partei eine Informationspflicht über Vorgänge in ihrem Organisationsbereich trifft (dazu BGH, Urteil vom 15.11.1989 - VIII ZR 46/89 - BGHZ 109, 205 zu II 1 d.Gr.), trägt der Dienstplan für April 2008 gerade die Unterschrift der Pflegedienstleiterin.

Soweit die Klägerin ihrerseits nur die zum Monatsanfang in derselben Handschrift wie zum Monatsende vermerkten Stundenzahl hat gelten lassen wollen, wäre es an ihr gewesen, im Wege qualifizierten Bestreitens vorzutragen, inwiefern es zu nicht richtig erfassten Abweichungen von der Einsatzplanung gekommen sein soll.

1.1.4 Der Anspruch der Klägerin auf Abgeltung von 38,5 Überstunden ist nicht gem. § 9 Arbeitsvertrag wegen Versäumung der dort geregelten dreimonatigen Ausschlussfrist erloschen.

Dabei konnte dahinstehen, ob diese Klausel mit dem Klauselverbot in § 309 Nr. 7 BGB vereinbar ist, weil eine Geltendmachung des Anspruchs der Klägerin ohnehin entbehrlich war, worauf im Verhandlungstermin hingewiesen worden ist.

1.1.4.1 So braucht, wenn ein Anspruch durch eine Lohnabrechnung vom Arbeitgeber bereits streitlos gestellt worden ist, dieser vom Arbeitnehmer nicht mehr geltend gemacht zu werden (BAG, Urteil vom 20.10.1982 - 5 AZR 110/82 - BAGE 40, 258 = AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 76 zu 1 a d.Gr.).

Außerdem kann auf eine Bezifferung der Anspruchshöhe verzichtet werden, wenn aufgrund der einschlägigen Bestimmungen eine Ermittlung des zu leistenden Betrags ohne weiteres möglich ist (BAG, Urteil vom 23.08.1990 - 6 AZR 514/88 -APTVAL II § 35 Nr. 3 zu II3 a d.Gr.).

Schließlich drückt ein Zeitguthaben auf einem Arbeitszeitkonto den Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers lediglich in anderer Form aus (BAG, Urteil vom 13.03.2002 - 5 AZR 43/01 - EzA ZPO § 253 Nr. 22 zu I11 d.Gr.).

1.1.4.2 Indem die Beklagte die aufgelaufenen Überstunden der Klägerin von Monat zu Monat im Dienstplan ausgewiesen hat, hat sie den sich daraus ergebenden Freistellungsanspruch der Klägerin und damit bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses auch deren an seine Stelle tretenden Abgeltungsanspruch streitlos gestellt.

Einer bezifferten Geltendmachung bedurfte es unter diesen Umständen nicht mehr.

1.1.5 Gem. § 612 Abs. 2 BGB war mangels einer vertraglichen Bestimmung der Vergütungshöhe die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen.

Diese ergab sich aus dem Vorverdienst der Klägerin, wobei im Wege der Schätzung gem. § 287 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 ZPO auf die Lohnanbrechung der Klägerin für April 2008 (Ablichtung Blatt 24 d.A.) abgestellt werden konnte.

Hierbei waren neben Grundvergütung, Allgemeiner Zulage und Ortszuschlag auch die dort ausgewiesenen weiteren Zuschläge zu berücksichtigen.

Die Abgeltung nicht durch Freistellung ausgeglichener Überstunden kann nicht geringer ausfallen als die Vergütung, die im Falle einer Freistellung zu zahlen gewesen wäre.

Diese hätte aber dem Durchschnittsverdienst entsprechen müssen, andernfalls die Klägerin durch Leistung von Überstunden später eine Verdiensteinbuße erlitten hätte.

1.2 Verzugszinsen stehen der Klägerin mit Rücksicht auf die vereinbarte monatliche Gehaltszahlung gem. §§ 193, 286 Abs. 2 Nr. 1, 614 Satz 2 BGB erst ab 03. Juni 2008 zu.

Dabei konnten ihr gem. § 288 Abs. 1 BGB ohne Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zugesprochen werden, was sie mit den von ihr genannten 5 % über dem Basiszinssatz erkennbar begehrt hat.

1.3 Über die ausgeurteilte Überstundenvergütung hat die Beklagte der Klägerin gem. § 108 Abs. 1 GewO eine Abrechnung zu erteilen.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1 S. 1, 97 Abs. 1, 296 Abs. 3 S. 2 ZPO, wobei der zurückgenommene ebenso wie der zugesprochene Abrechnungsanspruch gem. § 3 Abs. 1 ZPO mit 100,- € bewertet worden ist.

Die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG für eine Zulassung der Revision waren nicht erfüllt.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen dieses Urteil ist kein Rechtsmittel gegeben.

Corts Synowzik Mohr
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