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Text des Beschlusses
5 TaBV 6/08;
Verkündet am: 
 11.03.2009
LAG Landesarbeitsgericht
 

München
Vorinstanzen:
4a BV 233/07
Arbeitsgericht
München;
Rechtskräftig: unbekannt!
Wird Betrieb mit anderen Betrieben oder Teilen von anderen Betrieben zu neuem Betrieb zusammengefasst, so gelten die für diesen Altbetrieb bestehenden Betriebsvereinbarungen fort
Leitsatz des Gerichts:
Wird ein Betrieb mit anderen Betrieben oder Teilen von anderen Betrieben zu einem neuen Betrieb zusammengefasst, so gelten die für diesen Altbetrieb bestehenden Betriebsvereinbarungen in ihrem Geltungsbereich jedenfalls dann normativ fort, wenn dieser Geltungsbereich nach wie vor räumlich oder organisatorisch abgegrenzt werden kann
In dem Beschlussverfahren
1. p.
- Antragsteller und Beschwerdeführer -
Verfahrensbevollmächtigte: R.
2. pp. AG
- Beteiligte zu 2. -
Verfahrensbevollmächtigte: A.

hat die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Anhörung vom 11. März 2009 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Wanhöfer und die ehrenamtlichen Richter Tscharke und Kirchschlager für Recht erkannt:

1. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 05.12.2007, Az. 4a BV 233/07, abgeändert:

Es wird festgestellt, dass die Betriebsvereinbarung zum Jahresarbeitszeitmodell vom 12.11.1997 in der Fassung vom 22.01.2001 in den Filialen
M. 1,
M. 15,
M. 33,
M. 40,
M. 44,
M.45,
M. 70,
M. 701,
M. 71,
M. 801,
M. 81,
M. 83,
M. 90,
M. 60,
B.,
F. 1,
R. 1,
F. 1 und
K. 1

Anwendung findet.

2. Die Rechtsbeschwerde wird für die Beteiligte zu 2. zugelassen.


Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob eine Betriebsvereinbarung in den im Beschlusstenor genannten Filialen zur Anwendung kommt.

Antragsteller ist der Betriebsrat, für den nach § 3 Abs. 1 BetrVG gebildeten Betrieb RS der Beteiligten zu 2. Die im Tenor genannten Filialen sind dem RS zugeordnet.

Ursprünglich waren die genannten Filialen der „NPM“ zugeordnet. Hier war ein Betriebsrat gebildet.

Für die „NPM“ wurde am 12.11.1997 die hier streitgegenständliche Betriebsvereinbarung zum „Jahresarbeitszeitmodell“ geschlossen (zum Inhalt der Betriebsvereinbarung in der Fassung vom 22.02.2001, vgl. Bl. 10 ff. d. A.). Mit Anschlussvereinbarung vom 28.06.1999 wurde für den Fall einer Kündigung vereinbart, dass die Betriebsvereinbarung bis zum Abschluss einer neuen nachwirkt (Bl. 15 d. A.). Eine Kündigung dieser Betriebsvereinbarung ist bislang nicht erfolgt.

Inhaber der „NPM“ war ursprünglich die pp. AG. Daneben bestand - ebenfalls unter dem Dach der pp. AG - die „NPI“, für die ein eigener Betriebsrat gebildet war.

Vertriebsorganisatorisch bildete die pp. AG im Zuge einer Neuordnung des Filialbereichs aus der „NPM“ und der „NPI“ einen VD M.. Die betriebsverfassungsrechtliche Vertretung blieb dabei unangetastet; die jeweiligen Betriebsratsgremien für die beiden Niederlassungen bestanden fort.

Daneben bestanden in der pp.-Gruppe weitere - auch gesellschaftsrechtlich - selbständige Vertriebsorganisationen, zum einen zehn regionale pp. Vertriebsgesellschaften, jeweils in Rechtsform einer GmbH (unter anderem die „pp. GmbH1“) und zehn regionale pp. Retail Gesellschaften, ebenfalls in der Rechtsform einer GmbH (unter anderem die „pp. GmbH2“). Diese GmbHs wurden allesamt im Laufe des Jahres 2004 auf die „pp. GmbH3“ verschmolzen, die dann in die „pp. GmbH4“ umbenannt wurde. Unter dem 11.08.2004 schloss die „pp. GmbH3“ (im Text des Tarifvertrages dann schon mit „pp. GmbH4“ benannt) einen „Tarifvertrag gemäß § 3 BetrVG“ (Bl. 177 ff. d. A.). Nach dessen § 3 sollten bei der „pp. GmbH4“ die in der Anlage aufgeführten 10 regionalen Betriebe (unter anderem München) sowie die Betriebe Management, Partnermanagement und Service/IT-Filialen bestehen; je Betrieb sollte 1 Betriebsrat gebildet werden. In diesem Zusammenhang wurde auch ein Organisationsschreiben (Nr. 983/E) vom 13.09.2004 erlassen, das unter dem Betreff „Weiterentwicklung Organisation Filialen zum 01.01.2005“ entsprechende Regelungen enthält (Bl. 56 ff. d.A.).

Dementsprechend wurden unter dem Dach der „pp. GmbH4“ die vormaligen Betriebsorganisationen der VD München (also der NPM, NPI) und der pp. GmbH1 sowie der pp. GmbH2 zusammengeführt.

Die Mitarbeiterzahlen der zusammengeführten Betriebe werden von den Beteiligten den Größenordnungen nach übereinstimmend, allerdings nach Kopfzahlen etwas voneinander abweichend, angegeben (auf die Angaben im Schriftsatz des Betriebsrates vom 09.01.2009, dort Seite 3 ff., und der Beteiligten zu 2. vom 19.12.2008, dort Seite 8 ff., wird Bezug genommen).

Im hierdurch gebildeten Betrieb München der „pp. GmbH4“ wurden im Frühjahr 2005 Betriebsratswahlen durchgeführt. Schon im Schreiben vom 29.09.2004 (Nr. 998/E; nach dem dem internen Sprachgebrauch der pp. eine „Anweisung“, vgl. Einleitung des Schreibens) war unter Ziffer 1.1 unter anderem geregelt, dass bei den zehn regionalen Betrieben im ersten Halbjahr 2005 Betriebsratswahlen durchgeführt werden, die bis 30.06.2005 abgeschlossen sind (zum Inhalt des Schreibens im Einzelnen und im Übrigen vgl. Bl. 44 ff. d. A.).

Zum 01.01.2006 wurde der Filialbereich erneut neu organisiert. 850 Filialen (bundesweit) blieben bei der „pp. GmbH4“, 1.172 Filialen wurden der „pp. AG“ zugeordnet. Die „pp. GmbH4“ wurde in die „pp. AG“ (Beteiligte zu 2.) umfirmiert. Bezogen auf den Betrieb München wurden von 187 Filialen (Stand 31.12.2005) 106 Filialen auf die „pp. AG“ überführt, 86 Filialen blieben der Beteiligten zu 2. zugeordnet. Sämtliche der im Tenor genannten Filialen gehören zur Beteiligten zu 2.

Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, die Betriebsvereinbarung zum Jahresarbeitszeitmodell sei weiter anzuwenden. Insbesondere habe der Zusammenschluss von Betrieben zum 01.01.2005 die betriebliche Identität der „NPM“, also des Betriebs, wo 1997 die streitgegenständliche Betriebsvereinbarung geschlossen worden sei, nicht berührt (zum erstinstanzlichen Vortrag des Betriebsrats im Einzelnen wird auf seine Schriftsätze vom 07.05.2007, Bl. 1 ff. d. A., und 06.11.2007, Bl. 51 ff. d. A., nebst Anlagen Bezug genommen).

Der Betriebsrat hat beantragt:

Die Antragsgegnerin hat bei der Feststellung des Personalbedarfs in den Filialen die Zuschläge nach Anlage 3 Ziffer 2 der Betriebsvereinbarung zum Jahresarbeitszeitmodell vom 12.11.1997 in ihrer Fassung vom 22.01.2001 zu berücksichtigen.

Hilfsweise:
Es wird festgestellt, dass die Betriebsvereinbarung zum Jahresarbeitszeitmodell vom 12.11.1997 in ihrer Fassung vom 22.01.2001 in den nachfolgenden Filialen im Betrieb der Antragsgegnerin Anwendung findet:

M. 1, M. 15, M. 33, M. 40, M. 44, M. 45, M. 70, M. 701, M. 71, M. 801, M. 81, M. 83, M. 90, M. 60, B., F. 1, R. 1, F. 1, K. 1.

Die Beteiligte zu 2. hat beantragt, die Anträge zurückzuweisen und die Auffassung vertreten, mit der Zusammenlegung der Betriebe zum 01.01.2005 sei der Betrieb der „NPM“ untergegangen und deshalb die streitgegenständliche Betriebsvereinbarung zumindest auf kollektivrechtlicher Ebene erloschen (zum erstinstanzlichen Vortrag der Beteiligten zu 2. im Einzelnen wird auf ihre Schriftsätze vom 12.07.2007, Bl. 27 ff. d. A., und 27.09.2007, Bl. 40 ff. d. A., nebst Anlagen Bezug genommen).

Mit Beschluss vom 05.12.2007 hat das Arbeitsgericht den Antrag des Betriebsrates zurückgewiesen. Der Hauptantrag sei schon zu unbestimmt und damit unzulässig. Der Hilfsantrag sei unbegründet, weil der Betrieb, für den die Betriebsvereinbarung geschlossen worden sei, nicht mehr existiere. Eine Betriebsvereinbarung könne kollektivrechtlich nur fortgelten, wenn die Identität des Betriebes erhalten bleibe. Der Verlust der Betriebsidentität sei anzunehmen, wenn der Betrieb unter Aufgabe seiner bisherigen organisatorischen Struktur mit anderen Betrieben, deren Struktur ebenfalls aufgegeben werde, verschmolzen werde. Hieran gemessen habe die Umstrukturierung vom 01.01.2005 zum Untergang des bisherigen Betriebes „NPM“ geführt (zur Begründung des Arbeitsgerichts im Einzelnen wird auf den Beschluss vom 05.12.2007, Bl. 74 ff. d. A., Bezug genommen).

In seiner Beschwerde hält der Betriebsrat nur noch an seinem erstinstanzlichen Hilfsantrag fest. Mit dem Beschlussverfahren solle die streitgegenständliche Betriebsvereinbarung nicht über ihren ursprünglichen Anwendungsbereich hinaus ausgedehnt werden. Allerdings müsse sie für diesen Bereich weiterhin Anwendung finden. Eine organisatorische Änderung in den Betriebsstätten sei auch durch den Betriebsübergang zum 01.01.2005 nicht herbeigeführt worden. Hierdurch hätten sich weder die Organisationsstruktur noch die Führungspersonen verändert. Das Arbeitsgericht habe sich nicht ausreichend mit dem Begriff der Betriebsidentität auseinander gesetzt. Zu den vorhandenen 1.207 Mitarbeitern seien nur 52 Mitarbeiter der „pp. GmbH1“ und 71 Mitarbeiter der „pp. GmbH2“ dazugekommen. Erst Recht habe sich kein Verlust der betrieblichen Identität durch organisatorische Veränderungen zum 01.01.2006 ergeben. Die Beteiligte zu 2. gehe selbst von der kollektivrechtlichen Fortgeltung der Betriebsvereinbarung aus, indem sie sie auch heute noch zum Teil anwende. In der „Betriebsvereinbarung zur Regelung der Arbeitszeit“ gültig ab 14.05.2007 werde unter § 15 („Jahresarbeitszeitmodell (Jazmo)“) geregelt, dass „eventuell abweichende Bestimmungen aus dem bestehenden Jahresarbeitszeitmodell durch diese Betriebsvereinbarung nicht berührt“ würden (zur Betriebsvereinbarung im Einzelnen vgl. Bl. 154 ff. d. A.). (zum zweitinstanzlichen Vortrag des Betriebsrats im Einzelnen wird auf seine Schriftsätze vom 20.02.2008, Bl. 100 ff. d. A., 19.06.2008, Bl. 146 ff. d. A., und 09.01.2009, Bl. 191 ff. d. A., nebst Anlagen Bezug genommen).

Der Betriebsrat beantragt:

Es wird festgestellt, dass die Betriebsvereinbarung zum Jahresarbeitszeitmodell vom 12.11.1997 in ihrer Fassung vom 22.01.2001 in den Filialen M. 1, M. 15, M. 33, M. 40, M. 44, M. 45, M. 70, M. 701, M. 71, M. 801, M. 81, M. 83, M. 90, M. 60, B., F. 1, R. 1, F. 1, K. 1 Anwendung findet.

Die Beteiligte zu 2. beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen und hält daran fest, dass die Umstrukturierung zum 01.01.2005 zum Untergang des bisherigen Betriebes pp. AG, VD M., Betrieb M., geführt habe. Demzufolge hätten im 1. Halbjahr 2005 im neuen Betrieb der „pp. GmbH4“ auch Betriebsratswahlen stattgefunden. Durch die betriebsrätliche Diskontinuität werde das Fehlen der Betriebsidentität augenfällig aufgezeigt. Entscheidend sei, dass zum Stichtag 01.01.2005 von den insgesamt 1.548 Beschäftigten des Münchner Betriebes der „pp. GmbH3“ lediglich 714 Beschäftige aus dem Bereich der vormaligen VD M., Betrieb M. - dem Herkunftsbetrieb der im Streit stehenden Betriebsvereinbarung - herrührten. Aus der Gesamtschau der seit 2001 erfolgten organisatorischen Veränderungen ergebe sich, dass die Neuwahl des Betriebsrates im 1. Halbjahr 2005 nicht nur ein Indiz dafür sei, dass die vormalige VD M., Betrieb M., als solche spätestens seit dem 01.01.2005 nicht mehr fortbestehe. Die vormalige VD M. (Betriebe in M. und I.“) sei aus dem Unternehmen der pp. AG herausgelöst und auf das Unternehmen der „pp. GmbH4“ übertragen worden. Unberührt bleiben könne die Frage, ob ggf. Beschäftigte, die in den von der vormaligen Betriebsvereinbarung betroffenen Filialen tätig seien, gemäß § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB einen Anspruch auf Berücksichtigung der Zuschläge nach der Anlage 3 Ziffer 2 der Betriebsvereinbarung hätten. Über etwaige individualrechtliche Ansprüche sei im vorliegenden Beschwerdeverfahren nicht zu befinden (zum zweitinstanzlichen Vorbringen der Beteiligten zu 2. wird auf ihre Schriftsätze vom 22.04.2008, Bl. 130 ff. d. A., und 19.12.2008, Bl. 167 ff. d. A., nebst Anlagen Bezug genommen). 5 TaBV 6/08 - 9 -

II.

Die Beschwerde ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Die Betriebsvereinbarung „Jahresarbeitszeitmodell“ ist in den vom Betriebsrat in seinem zweitinstanzlichen Antrag benannten Filialen weiterhin anzuwenden.

1. Zwar ist ein Feststellungsantrag nur unter den Voraussetzungen des § 256 Abs. 1 ZPO zulässig. Danach bedarf es für den Betriebsrat des rechtlichen Interesses an einer alsbaldigen rechtlichen Feststellung. Diese besondere Prozessvoraussetzung ist die spezielle Ausgestaltung des bei jeder Rechtsverfolgung erforderlichen Rechtsschutzinteresses. § 256 ZPO ist deshalb auch in Beschlussverfahren anwendbar. Hier entfällt das Feststellungsinteresse nicht deshalb, weil der Betriebsrat einen Leistungsantrag stellen könnte. Zwar ist auch im Beschlussverfahren ein möglicher Leistungsantrag dem Feststellungsantrag im Allgemeinen vorzuziehen, weil aus ihm vollstreckt werden kann. Soweit es jedoch um die grundsätzliche Klärung eines streitigen Rechtsverhältnisses zwischen den Betriebspartnern geht, ist das Feststellungsverfahren trotzdem häufig das geeignetere Verfahren, wenn es zu einer umfassenden Bereinigung des Streites führen kann. Der Grundsatz der Subsidiarität des Feststellungsantrages beruht letztlich auf Überlegungen der Prozessökonomie. Da Feststellungsanträge keinen vollstreckbaren Inhalt haben, müsste zusätzlich ein Leistungsverfahren durchgeführt werden, wenn der Schuldner nicht bereit ist, dem stattgebenden Feststellungsantrag Folge zu leisten. Dies erscheint bei Einzelansprüchen, die den Streit abschließend erfassen, als unsinnige Prozessverdoppelung. Geht es aber um Bestand und Inhalt der Rechtsbeziehung zwischen den Betriebspartnern, ist die Klärung im Feststellungsverfahren in der Regel trotzdem hilfreich. Hier kann häufig mit der begehrten Feststellung ein Streit auch über künftige gleichgelagerte Fälle vermieden werden (BAG vom 15.12.1998 – 1 ABR 9/98, NZA 1999, S. 722).

So auch im vorliegenden Fall: Zwischen den Betriebsparteien ist grundsätzlich die Frage streitig, ob die beschriebenen organisatorischen Änderungen dazu geführt haben, dass eine für den Betrieb „NPM“ abgeschlossene Betriebsvereinbarung nicht mehr zur Anwendung kommt. Diese Fragestellung weist über die Geltendmachung eines Einzelanspruchs deutlich hinaus. Hinzu kommt eine weitere Überlegung. Zwar müssen auch Feststellungsanträge bestimmt sein, damit der Umfang der Rechtskraftwirkung zweifelsfrei ist. Die insoweit an einen Leistungsantrag zu stellenden Anforderungen sind aber weitaus strenger, weil ein Leistungsurteil vollstreckbar und daher so eindeutig sein muss, dass es nicht im Vollstreckungsverfahren klärungsbedürftig bleibt, welches Tun oder Unterlassen zu erzwingen ist. Die erforderliche Präzision ist gerade in betriebsverfassungsrechtlichen Streitigkeiten erfahrungsgemäß besonderes schwierig. Auch deshalb bietet es sich an, die Frage, ob eine Betriebsvereinbarung überhaupt noch zur Anwendung kommt, zunächst im Rahmen eines Feststellungsverfahrens grundsätzlich zu klären (vgl. BAG vom 15.12.1998, a.a.O.).

2. Keinem Zweifel kann es unterliegen, dass die Betriebsvereinbarung „Jahresarbeitszeitmodell“ jedenfalls dann anwendbar ist, wenn die Identität des Betriebes, für den die Betriebsvereinbarung abgeschlossen wurde, nach wie vor erhalten geblieben ist. Dass hier von einem in seiner Identität fortbestehenden Betrieb „NPM“ gesprochen werden kann, ist allerdings fraglich.

Soweit der Betriebsrat in seiner Argumentation auf die VD M. abstellt, wird dabei übersehen, dass diese ja bereits über den ursprünglichen Anwendungsbereich der Betriebsvereinbarung hinausgeht, weil die im Herbst 2004 gebildete VD M. auch die - jedenfalls ursprünglich - eigenständige „NPI“ umfasst, die einen eigenen Betriebsrat hatte und für die die Betriebsvereinbarung „Jahresarbeitszeitmodell“ nicht abgeschlossen worden war.

Entscheidend für die Frage nach der Betriebsidentität ist, ob hinsichtlich der ursprünglichen Betriebe und Betriebsteile lediglich ein Zuordnungstarifvertrag geschlossen wurde, oder ob es auch zu einer Veränderung der Leitungsstruktur gekommen ist, aus der man auf die Bildung einer einheitlichen Betriebsorganisation schließen kann. Ein Betrieb im Sinne des BetrVG ist die organisatorische Einheit, innerhalb derer ein Arbeitgeber allein oder mit seinen Arbeitnehmern mit Hilfe technischer und immaterieller Mittel bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt (st. Rspr. des BAG, vgl. etwa Beschluss vom 22.06.2005 - 7 ABR 57/04, NZA 2005, S. 1248). Ein Betrieb im Sinne einer organisatorischen Einheit auf arbeitstechnischer Ebene liegt demnach vor, wenn die Betriebsmittel für den oder die verfolgten arbeitstechnischen Zwecke zusammengefasst, geordnet und gezielt eingesetzt werden und der Einsatz der menschlichen Arbeitskraft von einem einheitlichen Leitungsapparat gesteuert wird. Entscheidendes Kriterium ist hiernach der einheitliche Leitungsapparat und ausgehend davon, dass die Bestimmung des Betriebsbegriffs zur Anwendung des BetrVG vorgenommen wird, die Einheitlichkeit der Entscheidungen in mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten.

c) Mit der Zusammenfassung nach § 3 Abs. 1 Nr. 1b BetrVG im Rahmen eines Zuordnungstarifvertrages gehen tatsächliche Veränderungen der bisherigen Betriebsorganisation nicht notwendig einher. Die einseitig vom Arbeitgeber bestimmte Betriebsorganisation wird durch bloßen Abschluss eines Zuordnungstarifvertrages nicht geändert. Die zusammengefassten Organisationseinheiten können als solche vielmehr unverändert fortbestehen. Dementsprechend bleiben - wenn nicht der Arbeitgeber den Abschluss des Zuordnungstarifvertrages zum Anlass nimmt, durch zusätzliche Maßnahmen die Organisations- und Leitungsstruktur der betroffenen Betriebe auch tatsächlich zu ändern - die tariflich zusammengefassten Betriebe als organisatorisch getrennte Teileinheiten der tariflich geschaffenen größeren Organisationseinheit bestehen. Die Betriebe haben zwar nach der ersten Betriebsratswahl in der neuen Einheit keine eigenständigen Arbeitnehmervertretungen mehr, sie behalten aber ihre Leitungs- und Organisationsstruktur bei. Sie sind organisatorisch klar abgegrenzte Teile des nach § 3 Abs. 5 BetrVG fingierten Einheitsbetriebs. Den zusammengefassten Betrieben geht allein durch die Zusammenfassung ihre betriebsverfassungsrechtliche Identität nicht verloren (BAG vom 18.03.2008 - 1 ABR 3/07, NZA 2008, S. 1259).

d) Die Beschwerdekammer hat mit Beschluss vom 31.10.2008 den Beteiligten aufgegeben, zu erläutern, aufgrund welcher organisatorischer Veränderungen auf betrieblicher (d. h. arbeitstechnischer) Ebene die Umstrukturierungen zum 01.01.2005 zum Untergang des bisherigen Betriebes pp. AG, VD M., Betrieb M. (das ist der unter Ziffer I. „NPM“ benannte Betrieb) geführt haben. Die arbeitsorganisatorische Struktur davor und danach sei im Einzelnen zu beschreiben. Dem Vortrag der Beteiligten, insbesondere dem Vortrag der Beteiligten zu 2., die sich ja darauf beruft, dass die Identität des Betriebes „NPM“ nicht mehr gegeben sei, lassen sich keine hinreichenden Tatsachen entnehmen, dass und inwiefern aufgrund (welcher) organisatorischer Veränderungen durch die Zusammenführung der „NPM“, der „NPI“ und der betrieblichen Organisationen der pp. GmbH1 sowie der pp. GmbH2 einheitliche Leitungsstrukturen im betriebsverfassungsrechtlichen Sinne entstanden sind. Die pp.-Gruppe organisiert zwar offensichtlich des Öfteren ihren Filialbereich um. Ob die dabei jeweils vorgesehenen Organisationseinheiten, die sicherlich nach vielerlei Gesichtspunkten - z. B. vertriebsorganisatorischen - gebildet werden, auch einheitliche Betriebe im Sinne des BetrVG sind, bleibt nach dem Vortrag der Beteiligten offen. Dementsprechend hat die Beteiligte zu 2. mit der Gewerkschaft v. auch einen Zuordnungstarifvertrag abgeschlossen und sich nicht darauf beschränkt, an veränderte Leitungsstrukturen im betriebsverfassungsrechtlichen Sinne anzuknüpfen. Die gemeinsame Wahl eines Betriebsrates beruht dann auf der Fiktion nach § 3 Abs. 5 BetrVG; dass eine Betriebsvereinbarung gegenstandslos wird, weil die Betriebsidentität entfällt, kann damit noch nicht begründet werden.

3. Die Frage, ob die Identität des ursprünglichen Betriebes „NPM“ erhalten geblieben ist, kann hier letztlich auch dahinstehen.

Die Beschwerdekammer steht auf dem Standpunkt, dass der vollständige Wirkungsverlust einer Betriebsvereinbarung nicht in jedem Fall mit dem Verlust der betrieblichen Identität begründet werden kann. Das alleinige Abstellen auf die ursprüngliche Organisationsbasis beantwortet noch nicht, warum mit dem Verlust der Betriebsidentität automatisch die normative Wirkung der Betriebsvereinbarungen des bisherigen Betriebes enden soll (Kreutz in FS 50 Jahre BAG, S. 993, 1007). Abgesehen davon, dass der Begriff der Betriebsidentität ohnehin nur schwer zu bestimmen ist (nach Thüsing, DB 2004, S. 2474, kein definitionsfähiger Begriff, sondern typologisch zu bestimmen anhand des Gesamteindrucks der organisatorischen Einheit vorher und nachher) finden sich unter dem Tatbestand „Verlust der betrieblichen Identität“ so viele Fallgestaltungen - von der völligen Auflösung jeglichen organisatorischen Zusammenhangs bis zur einfachen Trennung zweier Betriebsteile -, dass sich pauschale Antworten verbieten.

Eine Fortgeltung einer Betriebsvereinbarung käme allerdings dann von vorneherein nicht in Betracht, wenn ein Betrieb unter Verlust seiner Selbstständigkeit in einen anderen eingegliedert wird und in diesem eine Betriebsvereinbarung über denselben Regelungsbereich besteht. Maßgebend wäre in einem solchen Fall nur die Betriebsvereinbarung des aufnehmenden Betriebes (vgl. Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, 24. Aufl., § 77 Rn. 163). Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben. Wenn bei der Zusammenfassung zum 01.01.2005 die Identität der ursprünglichen Betriebe nicht ohnehin erhalten geblieben sein sollte (oben Ziffer 2), handelt es sich um einen aus mehreren Betrieben zusammengesetzten neuen Betrieb.

Wird ein Betrieb in zwei oder mehrere neue Betriebe aufgespalten, gelten die in dem Ursprungsbetrieb bestehenden Betriebsvereinbarungen in den neuen Betrieben weiter (Fitting, a. a. O., § 77 Rn. 165; Richardi, BetrVG, 11. Aufl., § 77 Rn. 215; Kreutz in GK-BetrVG, § 77 Rn. 378; Berg in Däubler/Kittner/Klebe, BetrVG, 11. Aufl., § 77 Rn. 49a; für „nachwirkende“ Geltung Kania in ErfKom, 9. Aufl., § 77 Rn. 124).

. Das ist allerdings umstritten. Die Gegenauffassung will eine Betriebsvereinbarung normativ nur unter der Voraussetzung weiter anwenden, dass die sog. Identität des Betriebes erhalten bleibt (vgl. ausführlich Thüsing, a. a. O.). Hiernach sollen mit dem Untergang des Betriebes - quasi automatisch und ohne Nachwirkung - zugleich auch die Betriebsvereinbarungen dieses Betriebes enden. Man stellt den Verlust der Betriebsidentität damit neben unstreitige Beendigungsgründe wie Zeitablauf, Zweckerreichung, Aufhebung, Ablösung und Kündigung. Auch das Bundesarbeitsgericht hat im Zusammenhang mit der Bestimmung des Anwendungsbereiches des § 613a Abs. 1 BGB mehrfach betont, dass aus dieser Vorschrift nicht abzuleiten sei, dass Betriebsvereinbarungen nach einem Betriebsinhaberwechsel nicht mehr normativ fortwirkten; zum Inhalt der Arbeitsverhältnisse würden Betriebsvereinbarungen nur, wenn der Betrieb anlässlich des Übergangs seine betriebliche Identität verliere (vgl. BAG vom 18.09.2002 - 1 ABR 54/01, NZA 2003, S. 670; vom 15.01.2002 – 1 AZR 58/01, NZA 2002, S. 1034; vom 14.08.2001 - 1 AZR 619/00, NZA 2002, S. 276). Allerdings hat das Bundesarbeitsgericht mit Beschluss vom 18.09.2002 (a.a.O.) nunmehr für den Fall eines Betriebsteilübergangs und Fortführung des übergegangenen Teils als eigenständigen Betrieb ausgeführt, dass in einem solchen Fall in dem veräußerten Betriebsteil die Betriebsvereinbarungen, die vor dem Betriebsübergang im ursprünglichen Betrieb galten, mit normativer Wirkung weiter gelten würden. Die Betriebsvereinbarungen würden weiterhin nur für Belegschaften gelten, für die sie auch zuvor schon gegolten hätten; sie behielten auf diese Weise ihre demokratische Legitimation. Im Übrigen bleibe wegen § 21a BetrVG auch der Betriebsrat im Amt und führe die Geschäfte für die ihm bislang zugeordneten Betriebsteile weiter, soweit diese nach § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrVG betriebsratsfähig seien. Zumindest im Hinblick auf Einzelbetriebsvereinbarungen wäre es dann nicht folgerichtig, den Betriebsrat zwar mit einem Übergangsmandat nach § 21a BetrVG auszustatten, die Fortgeltung der von ihm selbst auch für den veräußerten Betriebsteil geschlossener Betriebsvereinbarungen aber zu verneinen. Bemerkenswert daran ist, dass das Bundesarbeitsgericht - jedenfalls für die zugrunde liegende Konstellation - von einer normativen Fortwirkung der Betriebsvereinbarungen ausgeht, obwohl die Identität des Ursprungsbetriebes durch Aufspaltung verloren geht.

bb) Dem schließt sich die Beschwerdekammer an. Der Gesetzgeber hat für bestimmte Fallgruppen des Verlust betrieblicher Identität zur Frage der betriebsverfassungsrechtlichen Vertretung der hiervon betroffenen Arbeitnehmer in § 21a BetrVG eine Antwort gefunden. Wird ein Betrieb gespalten, so bleibt dessen Betriebsrat im Amt und führt die Geschäfte für die ihm bislang zugeordneten Betriebsteile weiter, soweit diese die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrVG erfüllen und nicht in einen Betrieb eingegliedert werden, in dem ein Betriebsrat besteht (Übergangsmandat, § 21a Abs. 1 Satz 1 BetrVG). Damit verhindert das Übergangsmandat für die in § 21a Abs. 1 BetrVG geregelten Fallgestaltungen die Entstehung eines betriebsratslosen Zustandes und sichert damit die Amtskontinuität in den neu geschaffenen Betriebseinheiten. Es ist nur konsequent, an diesen Tatbestand auch die normative Weitergeltung von Betriebsvereinbarungen zu knüpfen. Soweit eine Eingliederung in einen bereits bestehenden Betrieb stattfindet (Ausschlusstatbestand für Übergangsmandat nach § 21a Abs. 1 Satz 1 BetrVG) findet auch eine Eingliederung in eine dort bestehende kollektive Ordnung statt. Ansonsten, also bei einer Spaltung ohne Eingliederung des Spaltproduktes verlangt der Gedanke der Amtskontinuität grundsätzlich auch die kollektive Fortgeltung der Betriebsvereinbarungen in ihrem bisherigen Geltungsbereich.

Andernfalls hätte der Gesetzgeber mit dem Übergangsmandat zwar die Kontinuität betriebsverfassungsrechtlicher Vertretung gewährleistet, der das Übergangsmandat wahrnehmende Betriebsrat (und der dann neu zu wählende Betriebsrat) und der Arbeitgeber müssten im Bereich der kollektiven Ordnung aber bei Null anfangen. Das kann nicht damit gerechtfertigt werden, man könne dem neuen Betrieb nicht den „Ballast alter Betriebsvereinbarungen“ aufladen (so. Thüsing, a.a.O.). Der mit dem Übergangsmandat bezweckte Arbeitnehmerschutz wäre „in der kritischen Phase im Anschluss an eine betriebliche Umstrukturierung“ (Begründung zum Regierungsentwurf, BetrVG - Reformgesetz, BT-Drucksache 14/5741, S. 39) nur unvollständig gewährleistet. Außerdem würde eine völlig ungerechtfertigte Funktionsbeeinträchtigung des das Übergangsmandat wahrnehmenden Betriebsrates eintreten und zudem ein Wertungswiderspruch dazu, dass das Übergangsmandat als Vollmandat selbst zum Abschluss neuer Betriebsvereinbarungen mit demselben Arbeitgeber berechtigt (Kreutz in GK-BetrVG, § 77 Rn. 377). Dem kann nach Auffassung der Beschwerdekammer auch nicht entgegen gehalten werden, beim Übergangsmandat handele es sich nur um eine vorübergehende Mandatsübertragung hin zu einer betriebsverfassungsrechtlichen Neuordnung und eine Betriebsvereinbarung würde diese Zeit überdauern, würde man eine fortbestehende normative Geltung bejahen (Thüsing, a.a.O., S. 2477). Die Betonung des Übergangszeitraums verwischt, dass es im Kern um eine kontinuierliche und lückenlose betriebsverfassungsrechtliche Vertretung geht. Die Neuwahl des Betriebsrats - wofür der Betriebsrat im Übergangsmandat unverzüglich Wahlvorstände zu bestellen hat, § 21a Abs. 1 Satz 2 BetrVG - dient der Anpassung an veränderte Organisationsstrukturen und hierauf bezogen der demokratischen Legitimation des Vertretungsgremiums. Die demokratische Legitimation der normativen Fortgeltung der Betriebsvereinbarung ist dagegen nach der hier vertretenen Lösung ohnehin gewährleistet, denn die Betriebsvereinbarung soll nur in ihrem bisherigen Geltungsbereich fortwirken. Ein vollständiger Wirkungsverlust wäre vor dem Hintergrund des § 77 Abs. 6 BetrVG insbesondere in mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten kaum erklärbar. Der Gesetzgeber schließt bei Gegenständen erzwingbarer Mitbestimmung durch § 77 Abs. 6 BetrVG regelungsfreie Zeiträume bei Ablauf einer Betriebsvereinbarung aus. Nachwirkung bedeutet, dass eine Regelung auch nach Beendigung der Betriebsvereinbarung unmittelbar, allerdings nicht mehr zwingend fortwirkt. Zumindest die Annahme einer Nachwirkung in mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten ist bei Verlust der Betriebsidentität zwingend geboten.

c) Schwieriger stellt sich die Konstellation bei einer Verschmelzung zuvor selbstständiger Betriebe (oder mit bzw. von Betriebsteilen) in einen neuen einheitlichen Betrieb dar. Vorliegend betrifft das die Zusammenfassung der „NPM“, der „NPI“ und der betrieblichen Organisationen der pp. GmbH1 sowie der pp. GmbH2. Die Beschwerdekammer vertritt folgende Auffassung: Wird ein Betrieb mit anderen Betrieben oder Teilen von anderen Betrieben zu einem neuen Betrieb zusammengefasst, so gelten die für diesen Altbetrieb bestehenden Betriebsvereinbarungen in ihrem bisherigen Geltungsbereich jedenfalls dann normativ fort, wenn dieser Geltungsbereich nach wie vor räumlich oder organisatorisch abgegrenzt werden kann. Das ist bei den vom Betriebsrat genannten Filialen, für die die Betriebsvereinbarung „Jahresarbeitszeitmodell“ ursprünglich abgeschlossen worden war, der Fall.

. Auch für die Zusammenlegung von Betrieben wird die normative Fortgeltung der in den Altbetrieben geschlossenen Betriebsvereinbarungen vertreten (vgl. Fitting, a. a. O., § 77 Rn. 164; Kreutz, a. a. O., § 77 Rn. 378; Richardi, a. a. O., § 77 Rn. 211; Berg, a. a. O, § 77 Rn. 49; Bruns, AR-Blattei, Betriebsvereinbarung, Rn. 532; „nachwirkend“ Kania, a. a. O., § 77 BetrVG Rn. 123; - offen gelassen in BAG vom 28.06.2005 - 1 AZR 213/04, AP Nr. 25 zu § 77 BetrVG 1972 Betriebsvereinbarung unter Ziff. II.4 der Gründe und vom 21.01.2003 - 1 ABR 9/02, NZA 2003, S. 1097 unter Ziff. II.2.a der Gründe). Immerhin wird auch für den Fall der Zusammenfassung von Betrieben oder Betriebsteilen zu einem (neuen) Betrieb nach § 21a Abs. 2 BetrVG ein Übergangsmandat vorgesehen. Bei einer Beschränkung auf den jeweiligen bisherigen Geltungsbereich der Betriebsvereinbarung wäre auch deren Legitimation gegeben. Kaum überzeugend zu begründen wäre dagegen wiederum, warum der Verlust der Identität der ursprünglichen Betriebe automatisch die Beendigung jeglicher normativen Wirkung der dort existierenden Betriebsvereinbarungen zur Folge haben soll. Auseinanderzusetzen hat man sich allerdings mit praktischen Problemen. Eine normative Fortgeltung der jeweiligen Betriebsvereinbarungen verschiedener zusammengefasster Betriebe bedeutet, dass in dem neuen Betrieb möglicherweise Betriebsvereinbarungen zu ein und demselben Regelungsgegenstand zur Anwendung kommen. Fitting (a.a.O.) möchte deshalb - aber nur dann - Betriebsvereinbarungen als gegenstandslos ansehen, wenn die gleichzeitige Anwendung der aus den Ursprungsbetrieben stammenden Betriebsvereinbarungen „sinnvoll“ nicht möglich ist. Kreutz (a.a.O.) sieht den Fall, dass sich die Regelungen „ausnahmsweise“ gerade durch die neuen Betriebsstrukturen erledigen. Kania (a.a.O.) vertritt eine nachwirkende Geltung, „solange und soweit die betriebliche Organisation nicht eine einheitliche Regelung erfordert“. In der Rechtsanwendungspraxis taugliche Abgrenzungskriterien für Fallgruppen, in denen eine normative Fortwirkung von Betriebsvereinbarungen bei der Zusammenlegung von Betrieben nicht in Betracht kommt, sind damit noch nicht herausgearbeitet. Insbesondere der Begriff „sinnvoll“ ist hierfür kaum geeignet.

. Kein Gegenargument gegen die gleichzeitige Fortwirkung mehrerer aus den Altbetrieben herrührender Betriebsvereinbarungen ist nach Auffassung der Beschwerdekammer jedenfalls, dass möglicherweise ein Harmonisierungsbedarf besteht. Besteht ein Bedürfnis, zu einheitlichen Regelungen zu kommen, stehen hierfür die normalen Instrumentarien, insbesondere eine ablösende Betriebsvereinbarung (evtl. nach Kündigung der alten Betriebsvereinbarung) zur Verfügung. Ein hierzu befugter einheitlicher Verhandlungs- und Vertragspartner ist mit dem Betriebsrat im Übergangsmandat und dem ihm folgenden Betriebsrat nach der Neuwahl vorhanden. Ein Harmonisierungsbedarf kann auch dann entstehen, wenn man keine normative Fortwirkung annimmt und - weil gleichzeitig (für einen Teil der Belegschaft) ein Betriebsinhaberwechsel vorliegt - § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB zur Anwendung bringt. Die für diese Vorschrift von der h. M. vertretene Transformationslehre, also der Wechsel der Rechte aus einer Betriebsvereinbarung auf die individualrechtliche Ebene, erschwert zudem - gerade durch den Wechsel der Regelungsebene - das Zusammenwachsen der neu entstandenen Betriebsbelegschaft unter dem Gesichtspunkt möglichst einheitlicher Arbeitsbedingungen. Individualvertragliche Rechte sind nur unter erschwerten Bedingungen veränderbar. Neben dogmatischen Erwägungen wird wohl auch deshalb zum Teil vertreten, dass § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB als beschränkte normative Weitergeltung der kollektivvertraglich geregelten Rechte und Pflichten zu verstehen ist (vgl. Richardi, a. a. O., § 77 Rn. 216 „Normative Fortgeltungsanordnung“; Annuß in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2005, § 613a Rn. 250; Zöllner, DB 1995, S. 1401). Das Bundesarbeitsgericht hat aus den Ungereimtheiten, die entstehen, wenn man bei Anwendung des § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB einen Wechsel der Regelungsebene annimmt, insofern die Konsequenz gezogen, als es „die nach einem Betriebsübergang individualrechtlich als Inhalt des Arbeitsverhältnisses weiter geltende Betriebsvereinbarung lediglich nach ihrer kollektivrechtlichen Natur“ als „geschützt und somit der Ablösung durch eine neue Betriebsvereinbarung zugänglich“ ansieht (BAG vom 14.08.2001 - 1 AZR 619/00, NZA 2002, S. 276). Es bleibt aber dabei: Mit einem Harmonisierungsbedarf bei der Zusammenlegung von Betrieben muss man sich ohnehin auseinandersetzen. Eher um Ausnahmefälle dürfte es sich handeln, dass Betriebsvereinbarungen derart miteinander kollidieren, dass eine gleichzeitige Anwendung nicht in Betracht kommt (z. B. elektronische Zugangsregelung zum einheitlichen Betriebsgelände, mitbestimmungspflichtig nach § 87 Abs. 1 Ziff. 6 BetrVG).

cc) Unverzichtbar ist aber eine Abgrenzbarkeit des Geltungs- und damit auch des persönlichen Anwendungsbereichs der normativ fortwirkenden Betriebsvereinbarungen. Das Problem ist nicht damit gelöst, dass man – wie Kreutz meint (a.a.O., § 77 Rn 378) – notfalls auf den „persönlichen Geltungsbereich der jeweiligen Betriebsvereinbarung abstellt“. Erklärt man mehrere Betriebsvereinbarungen zu derselben Thematik nebeneinander für anwendbar, muss etwa im Falle eines Neueintritts in die Betriebsbelegschaft bestimmbar sein, welche der Betriebsvereinbarungen auf dieses neue Belegschaftsmitglied zur Anwendung kommt. Das ist jedenfalls dann sichergestellt, wenn der bisherige Geltungsbereich räumlich oder organisatorisch nach wie vor abgegrenzt werden kann (vgl. Fitting, a.a.O., § 77 Rn. 164; - Kreutz betont dagegen, dass eine kollektive Fortgeltung nicht zusätzlich davon abhängig ist, dass bisherige Betriebe in den neuen Einheiten räumlich oder organisatorisch abgrenzbar fortbestehen).

d) Angewandt auf den der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt bedeutet dies: Zwar wurden zum 01.01.2005 – falls es auch zu einer vereinheitlichten Leitungsstruktur gekommen ist (vgl. oben 2.) – mehrere ursprünglich selbständige Betriebe zusammengefasst. Der Geltungsbereich der Betriebsvereinbarung „Jahresarbeitszeitmodell“ ist aber auch in der neuen Betriebsstruktur eindeutig bestimmbar, da sich die Betriebsvereinbarung auf Filialen bezieht, die nach wie vor bestehen und gegenüber anderen (dazugekommenen) Filialen unschwer abgrenzbar sind. Da der Geltungsbereich organisatorisch bzw. räumlich nach wie vor abgegrenzt werden kann, wirkt die für diesen Geltungsbereich abgeschlossene Betriebsvereinbarung normativ fort. Einer Anwendung des § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB als Auffangvorschrift für den Fall, dass eine normative Weitergeltung nicht gegeben ist, bedarf es nicht. Die Betriebsvereinbarung „Jahresarbeitszeitmodell“ ist seitens der Beteiligten zu 2. auch ungekündigt. Verhandlungen mit dem Betriebsrat über eine Ablösung dieser Betriebsvereinbarung sind nicht bekannt. Im Gegenteil: Die Regelung in § 15 der „Betriebsvereinbarung zur Regelung der Arbeitszeit“, in Kraft getreten am 14.05.2007, spricht dafür, dass die Betriebsparteien gemeinsam von einer Fortgeltung ausgehen. Hier heißt es: „Eventuell abweichende Bestimmungen aus dem bestehenden Jahresarbeitszeitmodell werden durch diese Betriebsvereinbarung nicht berührt.“ Zudem hat man sich ausweislich der Regelung in § 16 Ziff. 1 mit der Ablösung alter – also fortbestehender – Betriebsvereinbarungen auseinandergesetzt. Hier heißt es: „Diese Betriebsvereinbarung ersetzt die Betriebsvereinbarung zu TV 37 b des Betriebes München (NL M. vom 25.05.1999 und NL I. vom 09.08.1999) und die Betriebsvereinbarung der ehemaligen pp. GmbH“. Auch dass zum 01.01.2006 zahlreiche Filialen von der damaligen „pp. GmbH4“ (die jetzige Beteiligte zu 2.) auf die „pp. AG“ übergegangen sind, hat auf die normative Fortgeltung der Betriebsvereinbarung keine Auswirkung. Sollte man – in analoger Anwendung des § 77 Abs. 6 BetrVG – vertreten, dass es bei Wegfall der Betriebsidentität nur in mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten zu einer unmittelbaren Fortgeltung der Betriebsvereinbarung im Wege der Nachwirkung kommt, ist die Betriebsvereinbarung „Jahresarbeitszeitmodell“ ebenfalls anzuwenden. Die Betriebsparteien hatten sich in der Anschlussvereinbarung vom 28.06.1999 darauf verständigt, dass die Betriebsvereinbarung bis zum Abschluss einer neuen nachwirkt. Die Betriebspartner können auch bei freiwilligen Betriebsvereinbarungen eine Nachwirkung vereinbaren (BAG vom 28.04.1998 – 1 ABR 43/97, NZA 1998, S. 1348).

Die Rechtsbeschwerde wird für die Beteiligte zu 2. zugelassen, §§ 92 Abs. 1, 72 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.

Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss kann die Beteiligte zu 2. Rechtsbeschwerde einlegen.

Für den Betriebsrat ist gegen diesen Beschluss kein Rechtsmittel gegeben.

Die Rechtsbeschwerde muss innerhalb einer Frist von einem Monat eingelegt und innerhalb einer Frist von zwei Monaten begründet werden. 5 TaBV 6/08 - 23 -

Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Beschlusses, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung des Beschlusses.

Die Rechtsbeschwerde muss beim Bundesarbeitsgericht Hugo-Preuß-Platz 1 99084 Erfurt Postanschrift: Bundesarbeitsgericht 99113 Erfurt Telefax-Nummer: 0361 2636-2000 eingelegt und begründet werden.

Die Rechtsbeschwerdeschrift und die Rechtsbeschwerdebegründung müssen von einem Rechtsanwalt unterzeichnet sein.

Es genügt auch die Unterzeichnung durch einen Bevollmächtigten der Gewerkschaften und von Vereinigungen von Arbeitgebern sowie von Zusammenschlüssen solcher Verbände

. für ihre Mitglieder
. oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder

oder

von juristischen Personen, deren Anteile sämtlich in wirtschaftlichem Eigentum einer der im vorgenannten Absatz bezeichneten Organisationen stehen,

. wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt
. und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.

In jedem Fall muss der Bevollmächtigte die Befähigung zum Richteramt haben.

Zur Möglichkeit der Rechtsbeschwerdeeinlegung mittels elektronischen Dokuments wird auf die Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesarbeitsgericht vom 09.03.2006 (BGBl. I, 519 ff.) hingewiesen. Einzelheiten hierzu unter http://www.bundesarbeitsgericht.de/.

Dr. Wanhöfer Tscharke Kirchschlager
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Die von uns erfassten Urteile wurden oft anders formatiert als das Original. Dies bedeutet, daß Absätze eingefügt und Hervorhebungen durch fett-/kursiv-/&farbig-machen sowie Unterstreichungen vorgenommen wurden. Dies soll verdeutlichen, aber keinesfalls natürlich den Sinn verändern.Wenn Sie vorsichtshalber zusätzlich die Originalversion sehen möchten, hier ist der Link zur Quelle (kein Link? Dann ist dieser Link nicht in unserer DB gespeichert, z.B. weil das Urteil vor Frühjahr 2009 gespeichert worden ist).