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StGB (Stand 31.12.2012)
Strafgesetzbuch
§ 24 Rücktritt (Regelung seit 01.01.1999)
(1) Wegen Versuchs wird nicht bestraft, wer freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt oder deren Vollendung verhindert. Wird die Tat ohne Zutun des Zurücktretenden nicht vollendet, so wird er straflos, wenn er sich freiwillig und ernsthaft bemüht, die Vollendung zu verhindern.

(2) Sind an der Tat mehrere beteiligt, so wird wegen Versuchs nicht bestraft, wer freiwillig die Vollendung verhindert. Jedoch genügt zu seiner Straflosigkeit sein freiwilliges und ernsthaftes Bemühen, die Vollendung der Tat zu verhindern, wenn sie ohne sein Zutun nicht vollendet oder unabhängig von seinem früheren Tatbeitrag begangen wird.
1. Rücktritt
Wegen Versuchs wird nicht bestraft, wer freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt oder deren Vollendung verhindert (§ 24 I 1).
Wer also freiwillig zurücktritt, hebt seine bereits eingetretene Strafbarkeit wegen Versuchs wieder auf.
Die Mindermeinung lässt dem Rücktritt dabei eine entschuldigende Wirkung zukommen, sie sieht ihn folglich als Entschuldigungsgrund an, während nach der h. M. der Rücktritt nur einen persönlichen Strafaufhebungsgrund bildet.

2. Prüfungsaufbau
I. Rücktritt gem. § 24
  a) Anwendbarkeit
    - nur, soweit kein subjektiv fehlgeschlagener Versuch vorliegt (h. M.), da die Vorschrift des § 24 nur dem Täter Straffreiheit gewähren soll, der freiwillig in die Legalität zurückkehrt
    - nach h. M. ist ein Versuch fehlgeschlagen, wenn aus der subjektiven Sicht des Täters der erstrebte Erfolg nicht mehr oder nur aufgrund eines neuen Tatentschlusses erreicht werden kann
  b) Abgrenzung beendeter und unbeendeter Versuch
    - § 24 I S. 1, 1. Alt betrifft den Rücktritt vom unbeendeten Versuch, die 2. Alt vom beendeten Versuch
    - die Abgrenzung richtet sich nach dem Vorstellungsbild des Täters
    - ein Versuch ist dann unbeendet, wenn der Täter noch nicht alles getan zu haben glaubt, was nach seiner Vorstellung der Tat zu ihrer Vollendung notwendig ist
    - beendet ist ein Versuch, wenn der Täter glaubt, er hätte nach seiner Vorstellung alles zur Herbeiführung des tatbestandlichen Erfolges getan.
  c) Rücktrittshandlung
    - dies richtet sich danach, ob es sich um einen Alleintäter (§ 24 I) oder um mehrere Beteiligte (§ 24 II) handelt
    - welche Handlung zum strafbefreienden Rücktritt führt, findet sich im Wortlaut des § 24
   d) Freiwilligkeit
    - freiwillig handelt, wer durch autonome Motive zum Rücktritt bewegt wird, d. h. wer in freier Selbstbestimmung von der Tat ablässt
    - unfreiwillig handelt dagegen, wer durch heteronome Motive, d. h. wer fremdbestimmt zur Aufgabe der Tat veranlasst wird   

2.1.  Der Rücktritt vom unbeendeten Versuch, § 24 I S. 1, 1. Alt.
In objektiver Hinsicht setzt der Rücktritt vom unbeendeten Versuch voraus, dass der Täter die weitere Ausführung der Tat aufgibt, dass er also keine weiteren auf die Vollendung gerichtete Handlungen vornimmt. Dabei wird vorausgesetzt, dass in der Vorstellung des Täters der Straftatbestand noch verwirklicht werden kann. 
Der Täter kann auch vom untauglichen Versuch zurücktreten, solange er die mangelnde Tauglichkeit nicht erkannt hat.

In subjektiver Hinsicht ist die Freiwilligkeit (s.o.) erforderlich.

2.2. Der Rücktritt vom beendeten Versuch, § 24 I S. 1, 2. Alt.
Hier ist in objektiver Hinsicht erforderlich, dass der Täter durch ein aktives Tun den Erfolgseintritt verhindert. Zur Verhinderung der Vollendung reicht es nach der h. M. aus, dass der Täter bewusst und gewollt eine neue Kausalkette in Gang setzt, die für das Ausbleiben des Erfolges wenigstens mitursächlich wird. Die Einschaltung dritter Personen kann genügen. Rein passives Verhalten reicht hingegen nicht.

In subjektiver Hinsicht erfordert auch § 24 I S. 1, 2. Alt. freiwilliges Handeln.

2. 3. Der Rücktritt vom vermeintlich vollendbarem Versuch, § 24 I S. 2
Hiernach bleibt der beendete Versuch straflos, wenn sich der Täter, falls die Tat ohne sein Zutun nicht vollendet wird, freiwillig und ernsthaft bemüht, die Vollendung zu verhindern. So kann also der Einzeltäter auch vom untauglichen oder objektiv misslungenen Versuch zurücktreten, solange er die mangelnde Tauglichkeit oder das Scheitern seines Versuches noch nicht erkannt hat. Dies gilt auch für die Fälle, in denen das Ausbleiben des Erfolges der Rettungshandlung auf das Opfer bzw. auf Dritte zurückzuführen ist.
Erforderlich ist jedoch, dass der Täter sich ernsthaft bemüht. Dies liegt nur dann vor, wenn der Täter alles tut, was aus seiner Sicht zur Abwendung des drohenden Erfolges notwendig und geeignet ist. Steht ein Menschenleben auf dem Spiel, sind hohe Anforderungen an seine Rettungsbemühungen zu stellen. 

In subjektiver Hinsicht ist auch hier freiwilliges Handeln erforderlich.

2. 4. Der Rücktritt bei mehreren Beteiligten, § 24 II
Hier entfällt eine Entscheidung zwischen beendetem und unbeendetem Versuch, da das bloße Aufgeben der Tathandlung im Rahmen des § 24 II nicht ausreicht.

Nach § 24 II S. 1 tritt der Beteiligte straffrei zurück, wenn er freiwillig die Vollendung verhindert. Dabei ist also objektiv erforderlich, dass die Tat aufgrund der Gegenmaßnahme des Beteiligten nicht vollendet wird. Subjektiv wird Freiwilligkeit gefordert.

Nach § 24 II S. 2, 1. Alt. Kann Straffreiheit in den Fällen eintreten, in denen die Tat ohne Zutun des Beteiligten nicht vollendet wird. Objektiv ist Nichtvollendung erforderlich, wobei kein Kausalzusammenhang zwischen Rücktrittshandlung und Tatverhinderung vorliegen muss. Jedoch ist das freiwillige und ernsthafte Bemühen des Täters erforderlich, die Tatvollendung zu verhindern, wobei der Beteiligte die subjektiv erfolgsgeeignete Abwendungsmöglichkeit ausschöpfen muss. Des weiteren muss das ernsthafte Bemühen freiwillig erfolgen.

Nach § 24 II S. 2, 2. Alt. werden die Fälle geregelt, in denen die Vollendung unabhängig von dem früheren Tatbeitrag des Beteiligten abhängt. Hier liegt zwar ein kausaler Tatbeitrag des Beteiligten für den Versuch vor, nicht aber für dessen Vollendung. Voraussetzung ist also, dass dem Täter die vollendete Tat nicht zugerechnet werden kann. Weiterhin muss sich der Täter ernsthaft bemüht haben, die Tat zu vereiteln. Dabei reicht bloße Abstandnahme von seiner Mitwirkung nicht aus. Auch hier wird freiwilliges Handeln vorausgesetzt.

3. Probleme
Auch im Bereich des Rücktritts sind zahlreiche Probleme und Streitigkeiten zu finden.

So ergibt sich z. B. ein Problem bei der Abgrenzung zwischen unbeendete und fehlgeschlagenen Versuch, wenn dem Täter neben seiner erfolglosen Handlung weitere Handlungsmöglichkeiten zur Verfügung stünden, von denen er aber Abstand nimmt (Bsp. A will B erschießen. Nachdem er alle Patronen verschossen hat und B noch unverletzt ist, stellt er fest, dass er B noch erstechen könnte, nimmt aber davon Abstand). Zur Lösung dieses Problems werden verschiedene Meinungen vertreten.

Zum einen wird die Einzelaktstheorie vertreten. Hiernach liegt ein beendeter fehlgeschlagener Versuch bereits dann vor, wenn der Täter einen subjektiv erfolgsgeeignete Handlung vorgenommen hat und deren Scheitern erkennen. Gegen diese Theorie spricht der Gesichtspunkt des Opferschutzes. Dem Täter wird jeglicher Anreiz genommen das Opfer zu verschonen.

Zum anderen wird die sog. Tatplantheorie vertreten. Sie nimmt eine differenzierende Wertung vor. Hat der Täter einen Tatplan, so ist die Vorstellung zu Beginn seiner Ausführungshandlung maßgeblich. Wenn der Täter sein festgelegtes Handlungsprogramm durchlaufen hat, liegt beendeter Versuch vor. Hat er dagegen dessen Scheitern erkannt, so ist er fehlgeschlagen. Besteht bei Beginn der Tathandlung kein Tatplan, ist die Vorstellung des Täters nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung maßgeblich. Gegen diese Auffassung spricht jedoch, dass dadurch der besonders umsichtig planende Täter privilegiert würde, seinem Einlassungsgeschick würden Türen und Tore geöffnet. Der Täter würde somit besser gestellt werden, wenn er bspw. von vornherein auch andere Tötungsmöglichkeiten einkalkuliert. Ein weiteres Gegenargument ist auch die Differenzierung zwischen Beginn der Ausführungshandlung bei festem Tatplan und Abschluss der Ausführungshandlung bei fehlendem Tatplan, dies ist willkürlich.

Die h. M. nimmt eine Gesamtbetrachtung anhand der Theorie vom Rücktrittshorizont vor. Sie stellt auf die Täterperspektive im Zeitpunkt der letzten Ausführungshandlung ab. Aus dieser Sicht ist zu fragen, ob die weiteren Akte die für den Täter noch in Betracht kamen, zusammen mit dem zurückliegenden Versuchsgeschehen eine natürliche Handlungseinheit bilden würde. Danach ist der Versuch unbeendet, wenn der Täter nach Vornahme der letzten Ausführungshandlung davon ausgeht, dass sein Verhalten nicht zum Erfolg führen kann, aber die Vollendung der Tat mit den zur Hand liegenden Mitteln möglich ist. Hingegen ist es ein Fehlschlag, wenn nach Vorstellung des Täters der Tatplan nur noch mit einer zeitlichen Verzögerung (Zäsur) nach Ingangsetzen einer neuen Kausalkette verwirklicht werde kann. Dieser Theorie ist der Vorzug zu geben, da sie sowohl opfer-, als auch täterfreundlich ist und hier eine einheitliche Beurteilung nach Abschluss der Ausführungshandlung vorgenommen wird.

Ein weiteres Problem ist der Rücktritt trotz Vollendung (Bsp. A verabreicht B mit Tötungsvorsatz eine bestimmte Menge tödlich wirkender Medikamente. Dabei geht er irrig davon aus, dass die bisherige Menge nicht zum Tode führt. Er besinnt sich und denkt durch bloßes Nichtweiterhandeln kann er den Erfolgseintritt verhindern. B stirbt dennoch.) Inwiefern der Einzeltäter trotz Vollendung der Tat zurücktreten kann, ist zweifelhaft und teilweise umstritten.
Ein Teil der Literatur vertritt die Fahrlässigkeitslösung. Die Vertreter dieser Meinung lassen die Strafbarkeit des versuchten Delikts nach freiwilliger Aufgabe nach § 24 entfallen, da sie aufgrund des Fehlens eines Vollendungsvorsatzes ein vollendetes Delikt verneinen. Jedoch ist  eine Bestrafung wegen eines Fahrlässigkeitsdelikts möglich. Dies begründen sie damit, da ansonsten dem Täter der Rücktritt vorzeitig entzogen würde. Gegen diese Ansicht spricht jedoch, dass wenn schon jeder vorzeitige Fehlschlag die Rücktrittsmöglichkeit abschneidet, muss dies erst recht der Erfolgseintritt können.

Die herrschende Meinung vertritt die Theorie der Vollendungsstrafbarkeit. Sie bejaht das Vorliegen eines vollendeten Delikts dann, wenn der wirkliche Kausalverlauf von dem vom Täter vorgestellten nur unwesentlich abweicht. Da ihm die Vollendung zuzurechnen ist, lehnt die h. M. die Rücktrittsmöglichkeit nach § 24 ab und bestraft wegen vollendeten Delikts. Liegt hingegen eine wesentliche Abweichung vor, so liegt auch nach der h. M. ein Versuch mit der Rücktrittsmöglichkeit nach § 24 I 1. Alt. vor. Für diese Ansicht spricht, dass wenn der Täter den Erfolg bereits durch seinen unbeendeten Versuch in objektiv zurechenbarer Weise bewirkt,  dass ihm dieser, auch als vorsätzlich zuzurechnen ist, da bereits der unbeendete Versuch von dem  Tatbestandsverwirklichungswillen des Täters getragen ist.

Als letztes Problem ist in dem Bereich der halbherzige Rücktritt zu erwähnen. (Bsp. A schlägt  B nieder und erkennt die naheliegende Möglichkeit eines Todeseintritts. Daraufhin fährt A den B zum Nebeneingang des Krankenhauses und fährt davon. Ein Spaziergänger findet den B und bringt ihn ins Krankenhaus. Ansonsten wäre der B gestorben.) Dies ist ein Fall des § 24 I S. 1 2. Alt. Somit muss der Täter den Erfolg verhindern.

Eine Ansicht lässt die Mitursache der Erfolgsverhinderung ausreichen. Danach verhindert der Täter die Vollendung der Tat, wenn er willentlich eine neue Kausalkette in Gang setzt, die zumindest mitursächlich wird. (Somit wäre A strafbefreiend zurückgetreten.)

Eine andere Ansicht fordert die sichere Abwendung des Erfolges. Der Täter muss hier Rettungsabsicht haben und darf nicht unzureichende Maßnahmen ergreifen, wenn ihm besondere Verhinderungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, da er diese voll ausschöpfen muss. (Danach wäre A nicht strafbefreiend zurückgetreten.)

Anregungen nehmen die Autoren gerne entgegen.
Urteile nach 24.08.2000, also nach Abschluss dieser Kommentierung