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StGB (Stand 31.12.2012)
Strafgesetzbuch
§ 35 Entschuldigender Notstand (Regelung seit 01.01.1999)
(1) Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib oder Freiheit eine rechtswidrige Tat begeht, um die Gefahr von sich, einem Angehörigen oder einer anderen ihm nahestehenden Person abzuwenden, handelt ohne Schuld. Dies gilt nicht, soweit dem Täter nach den Umständen, namentlich weil er die Gefahr selbst verursacht hat oder weil er in einem besonderen Rechtsverhältnis stand, zugemutet werden konnte, die Gefahr hinzunehmen; jedoch kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden, wenn der Täter nicht mit Rücksicht auf ein besonderes Rechtsverhältnis die Gefahr hinzunehmen hatte.

(2) Nimmt der Täter bei Begehung der Tat irrig Umstände an, welche ihn nach Absatz 1 entschuldigen würden, so wird er nur dann bestraft, wenn er den Irrtum vermeiden konnte. Die Strafe ist nach § 49 Abs. 1 zu mildern.
Aufbau des § 35:
1. Es muss eine Notstandslage vorliegen, d. h. es muss eine gegenwärtige Gefahr für ein bestimmtes Rechtsgut vorliegen, die nur durch die Verletzung anderer Interessen abgewendet werden kann
- Gefahr bedeutet dabei, die Wahrscheinlichkeit eines Schadeneintrittes
- diese Gefahr muss gegenwärtig sein, dies ist der Fall, wenn die Gefahr jederzeit in einen Schaden umschlagen kann; dies kann auch bei einer Dauergefahr der Fall sein, diese muss dann allerdings von einer
gewissen Erheblichkeit sein
- als Rechtsgut kommen die in § 35 abschließend aufgezählten Rechtsgüter in Betracht (Leben, Leib und körperliche Bewegungsfreiheit)
- Personenkreis, hierzu zählen Täter, Angehöriger und nahestehende Personen (das sind solche, die z. B. mit dem Täter in einer Hausgemeinschaft leben)

2. Es muss eine Notstandshandlung gegeben sein
- dabei ist zu beachten, dass die Abwehrhandlung geeignet und das relativ mildeste Mittel sein muss, d. h. sie darf nicht anders abwendbar sein (sie muss ultima ratio den einzigen Ausweg bilden)

3. Rettungswille (subjektive Entschuldigungsvoraussetzung)
- der Täter muss die Notstandssituation erkannt haben, d. h. er muss den Willen haben, die Gefahr abzuwenden

Nach I S. 2 entfällt die Entschuldigung, wenn dem Täter die Hinnahme der Gefahr zuzumuten ist. Dies ist z. B. der Fall, wenn er selbst die Gefahr verursacht hat oder wenn der Täter in einem besonderen Rechtsverhältnis stand (z. B. bei Soldaten, Feuerwehrmänner oder Seeleute etc.)

Nach II wird die Strafe nach § 49 I gemildert, wenn er sich bei Begehung der Tat über die Umstände irrt, welche ihn nach § 35 I entschuldigen würden und der Irrtum vermeidbar ist. Ist der Irrtum hingegen unvermeidbar, so führt dies zu Straflosigkeit.
 
Anregungen nehmen die Autoren gerne entgegen.