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StGB (Stand 31.12.2012)
Strafgesetzbuch
§ 306a Schwere Brandstiftung (Regelung seit 01.01.1999)
(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1. ein Gebäude, ein Schiff, eine Hütte oder eine andere Räumlichkeit, die der Wohnung von Menschen dient,

2. eine Kirche oder ein anderes der Religionsausübung dienendes Gebäude oder

3. eine Räumlichkeit, die zeitweise dem Aufenthalt von Menschen dient, zu einer Zeit, in der Menschen sich dort aufzuhalten pflegen,

in Brand setzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört.

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine in § 306 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 bezeichnete Sache in Brand setzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört und dadurch einen anderen Menschen in die Gefahr einer Gesundheitsschädigung bringt.

(3) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.
Oskar Stübinger
 (Student)
90489
 Nürnberg
 (Deutschland)

Mobil 0179/7998982

Stand: 25.08.2005
Zu Abs. 1:

1. Systematik des § 306a I StGB
Die Norm des § 306a I StGB ist zweistufig aufgebaut.
Die erste Tatbestandsgruppe (Nr.1-3) umfasst die Brandstiftung an Wohngebäuden und Räumlichkeiten des zeitweiligen Aufenthalts von Menschen.
Zusätzlich enthält die Vorschrift ein abstraktes Gefährdungsdelikt zum Schutz von Leib und Leben vor den mit der Brandstiftung verbundenen Gefahren.
Es wird daher nicht vorausgesetzt, dass zur Zeit der Tat sich tatsächlich Menschen in der geschützten Räumlichkeit aufgehalten haben.
Beruft sich der Täter darauf, es hätte zu keiner konkreten (!) Gefährdung kommen können, so kommt dies nur in Betracht, wenn dieser sich durch absolut zuverlässige und lückenlose Maßnahmen vergewissert hatte, dass die verbotene Gefährdung mit Sicherheit nicht eintreten konnte (BGHSt 26, 121; 34, 115). Das wiederum scheint nur bei besonders kleinen, auf einen Blick überschaubaren Räumlichkeiten möglich zu sein. Ist die Lage nicht so eindeutig (der Sachverhalt würde in der Klausur derartige Andeutungen machen), kann der unwiderlegte Einwand des Täters, er habe sich vor der Tat vergewissert, dass keine Gefährdung eintreten könne, lediglich zur Anwendung des § 306a III StGB führen (BT-Drucks. 13/8587, S.47).
Die Eigentumsverhältnisse der in Brand gesetzten Sache spielen –anders als in § 306 StGB (spezielles Sachbeschädigungsdelikt)- keine Rolle (BGH, NStZ 1999, 32).
Die schwere Brandstiftung bildet den Grundtatbestand zu §§ 306b, 306c StGB.

2. Tathandlungen
Die Tathandlungen des § 306a I StGB ist zum einen das In-Brand-Setzen und zum anderen das Brandlegen mit der Folge, dass eine der in § 306a I StGB bezeichneten Sachen ganz oder teilweise zerstört wird.
Sie entsprechen somit im Wesentlichen denen des § 306 StGB.

a) In-Brand-Setzen
In Brand gesetzt ist eine Sache, wenn sie vom Feuer in einer Weise erfasst ist, die ein Fortbrennen aus eigener Kraft, also ohne Fortwirken des Zündstoffs, ermöglicht (BGHSt 36, 221) (Beispiele: Teppichboden, Zeltplane).
In Klausuren, wie auch im „real life“ wird eine Brandstiftung häufig an Gebäuden vorgenommen. Beim In-Brand-Setzen von Gebäuden wird in der Rechtsprechung eine tendenziell extensive Formel zur Erfolgsbestimmung verwendet. Der Erfolg tritt demnach ein, wenn der Brand sich auf Teile des Gebäudes auswirken kann (!), die für dessen bestimmungsgemäßen Gebrauch von wesentlicher Bedeutung sind (BGHSt 18, 365; 34, 117).
Als solche gelten: Türen, Tür- und Fensterrahmen, Zimmerwand, Fußboden, Teppichboden (BGHSt 20, 247; BGH NStZ 1984, 74; NStZ 1985, 455; wistra 1988, 304; NStZ 1995, 87; OLG Hamburg, NJW 1953, 117).
Im Gegensatz dazu wird die erforderliche Wesentlichkeit verneint bei bloßem Inventar einer Wohnung (Regale, Schränke), ebenso bei einer Tapete (BGH, NStZ 1981, 220) und einer Fußbodensockelleiste (BGH NStZ 1994, 130).

b) Brandlegung
Der Begriff der Brandlegung umfasst die Fälle, in denen die gefährdende/ zerstörende Wirkung des Brandmittels (Beispiele: Feuer, Zündstoff, Sprengmittel) eintritt, ohne das es zu einem Brand (im Sinne des In-Brand-Setzens) des entsprechenden Objekts kommt (Beispiel: unabsichtliche Explosion des vom Täter verwendeten Benzinkanisters BT-Drucks. 13/9064, S.22).
Hierdurch wird dem Umstand Rechnung getragen, dass infolge Verwendung feuerbeständiger Baustoffe wesentliche Gebäudeteile nicht mehr in Brand geraten, Menschen und bedeutende Sachwerte aber durch Gase, die Hitzeentwicklung, Verrußungen oder Rauchentwicklung gefährdet werden können (BT-Drucks.13/8587, S.69; NJW 1998, 640).
Das der Brandlegung anhängige Element „ganz oder teilweise zerstört“ entstammt den §§ 305, 305a StGB. Demnach ist ein Objekt ganz zerstört, wenn es vernichtet ist oder seine bestimmungsgemäße Brauchbarkeit völlig verloren hat, teilweise zerstört, wenn einzelne, für den bestimmungsgemäßen Gebrauch des Objekts wesentliche Teile unbrauchbar geworden sind (Wessels/ Hettinger BT, Rn. 958).

3. Tatobjekte
Da der Strafgrund nicht erst durch die konkrete Gefährdung von Menschen, sondern bereits durch die Gefährlichkeit der Handlung selbst gebildet wird, müssen die Tatobjekte diesem Umstand dadurch entsprechen, dass diese dem dauernden oder zeitweiligen Aufenthalt von Menschen dienen.
Die tauglichen Tatobjekte des § 306a I StGB werden in einem Katalog aufgeführt.
Es sind:
Gebäude:
Ein Gebäude ist ein mit dem Erdboden verbundenes, mit Wänden und Dach versehenes Bauwerk, auch der Rohbau und Fenster (BGHSt 6, 107).
Im Vordergrund steht hier die Nutzung als Wohnung.
Umstritten ist die strafrechtliche Bewertung bei der Brandstiftung an gemischt genutzten
Gebäuden, die zum Teil Wohnzwecken, zum Teil gewerblichen Zwecken dient.
Hier soll es genügen, wenn ein Übergreifen des Brandes auf den Wohnungsteil nicht auszuschießen ist (BGHSt 34, 115; 35, 283).
Mit dem entgültigen Auszug aller Bewohner oder dem Tod des einzigen Bewohners hört ein Gebäude auf, zur Wohnung zu dienen (BGHSt 23, 114; 16, 394).
Der einzige Bewohner kann seinen Willen, das Gebäude als Wohnung aufzugeben, durch in Brand setzen desselben in die Tat umsetzen (BGHSt 16, 394; BGH NStZ 94, 130).
Das gleiche gilt für Mitbewohner, die mit der Brandlegung einverstanden sind und das Gebäude vor der Tat verlassen haben (BGH JZ 88, 55).

Schiffe:
Bei Schiffen kommt es nicht auf deren Größe, sondern ausschließlich auf die Verwendung als Wohnung an (Beispiele: Kreuzfahrtschiff, Frachtschiff mit Wohnbereich, Hausboot).

Hütten:
Bei Hütten (Beispiele: Baumhaus, Gartenlaube) sind die Anforderungen an Größe, Festigkeit und Dauerhaftigkeit geringer als bei einem Gebäude (RGSt 17, 179).

eine andere Räumlichkeit, die der Wohnung von Menschen dient:
Die „Räumlichkeit, die der Wohnung von Menschen dient“ kann als Kernmerkmal des § 306a I Nr.1 StGB angesehen werden (Gebäude, Schiffe und Hütten haben daher eher einen Beispielcharakter).
Unter einer Räumlichkeit versteht man einen abgeschlossenen Raum, welcher sowohl beweglich, als auch unbeweglich sein kann- soweit er tatsächlich Wohnzwecken dient (Beispiel: Wohnwagen, Zelt).
Entscheidend ist dabei nicht eine Bestimmung oder Eignung zum Wohnen, sondern allein die tatsächliche, auch widerrechtliche (!) Nutzung als Wohnung (BGHSt 26, 121; RGSt 60, 136).

Kirche oder ein anderes der Religionsausübung dienendes Gebäude:
Umfasst werden von dem Begriff des zur „Religionsausübung dienendes Gebäudes“ nur Gebäude, in welchen man sich ausschließlich zu diesem Zweck versammelt.
Zur Religionsausübung dient ein Gebäude also, wenn es tatsächlich dafür benutzt wird.
Es muss aber nicht bereits für diesen Zweck errichtet worden sein.

eine Räumlichkeit, die zeitweise dem Aufenthalt von Menschen dient, zu einer Zeit, in der Menschen sich dort aufzuhalten pflegen:
Derartige Räumlichkeiten können zum Beispiel Bürogebäude, Theater, Kinos, geräumige Verkehrsmittel wie etwa U-Bahnen, Gaststätten oder Werkstatträume sein. Nicht jedoch ein PKW oder eine Telefonzelle (BGHSt 10, 208).
Ebenso kommen Stallungen in Betracht, wenn diese mit einer gewissen Regelmäßigkeit von Menschen zum Aufenthalt benutzt werden (BGHSt 23, 60).
Dem Wortlaut ist bereits zu entnehmen, dass es auch hier nicht darauf ankommt, dass sich zur Tatzeit tatsächlich Menschen in den Räumlichkeiten befunden haben. Notwendig ist hingegen, dass das geschützte Objekt zu einer Zeit vom Feuer erfasst wird (!), in der sich Menschen darin aufzuhalten pflegen. Hierauf muss sich daher auch der (bedingte) Vorsatz
Des Täters erstrecken (BGHSt 36, 221).

Zu Abs. 2:

Abs.2 ist als konkretes Gefährdungsdelikt konzipiert.
Erforderlich ist ein vorsätzlich herbeigeführter Erfolg in Form der Gefahr einer Gesundheitsschädigung (BayObLG, JR 2000, 210 f).
Eine Gesundheitsschädigung ist das Hervorrufen oder Steigern eines vom Normalzustand der körperlichen Funktion des Opfers nachteilig abweichenden krankhaften Zustandes körperlicher oder seelischer Art (BGHSt 36, 1; 43, 346- dies ist die Definition des Begriffs, wie sie auch bei § 223 StGB vorkommt- also: einmal lernen genügt!).
Der Gefahrerfolg muss aus der spezifischen Gefährlichkeit der Tathandlung resultieren (Jura 98, 597).
Laut BGH genügt dafür aber der Umstand, dass ein Mensch sich in enger räumlicher Nähe zur Gefahrenquelle befindet noch nicht. Die Tathandlung muss das geschützte Gut derart in eine kritische Situation gebracht haben, dass es nur noch vom Zufall abhing, ob es verletzt wurde oder nicht (BGH NStZ 99, 32).

Zu Abs. 3:

Die Frage, ob ein minder schwerer Fall im Sinne des Abs.3 vorliegt, wird in Klausuren wohl nur sehr selten gestellt sein. In dem Fall würde der Sachverhalt aber sicherlich ziemlich deutlich darauf hinweisen.
In Betracht kommt hier allerdings die Problematik des Ausschlusses einer konkreten Gefährdung (siehe bei Abs.1, 1.).

§ 306e StGB
Falls der Sachverhalt (relativ eindeutige) Hinweise auf tätige Reue des Täters enthält sollte man an § 306e StGB denken.
Unter Umständen ist die Strafe zu mildern- oder für die Klausur eventuell relevanter:
die Straffreiheit bei rechtzeitigem (bevor erheblicher Schaden entsteht) Löschen des Brandes durch den Täter.

Konkurrenzen:
§ 306a StGB verdrängt § 306 StGB teilweise (Spezialität), vgl. Kataloge.
Urteile nach 25.08.2005, also nach Abschluss dieser Kommentierung