Mi, 15. Mai 2024, 07:40    |  Login:  User Passwort    Anmelden    Passwort vergessen
ARBEITSPLATTFORM NEWS URTEILE GESETZE/VO KOMMENTARE SITEINFO/IMPRESSUM NEWSLETTER
BGB
Bürgerliches Gesetzbuch
§ 765 Vertragstypische Pflichten bei der Bürgschaft (Regelung seit 01.01.2002)
(1) Durch den Bürgschaftsvertrag verpflichtet sich der Bürge gegenüber dem Gläubiger eines Dritten, für die Erfüllung der Verbindlichkeit des Dritten einzustehen.

(2) Die Bürgschaft kann auch für eine künftige oder eine bedingte Verbindlichkeit übernommen werden.

Inhalt:
1. Begriff und Form
2. Inhalt und Auslegung
3. Pflichten des Bürgen
4. Pflichten des Gläubigers
5. Nichtigkeitsgründe der Bürgschaft
6. Erlöschen der Bürgschaft
7. Kündigungsrecht
8. Prozessuales

1.1. Die Bürgschaftsübernahme erfordert einen Vertrag, also Willenserklärungen beider Seiten. Da der Bürge die Verpflichtung für die Schuld eines Anderen einzustehen einseitig übernimmt, ist der Bürgschaftsvertrag kein gegenseitiger Vertrag.

1.2. Formbedürftiger Teil des Vertrages ist gem. § 766 BGB jedoch lediglich die Erklärung des Bürgen. Auch die Vollmacht eines Vertreters des Bürgen muss dieser Form genügen. Bis zur Erteilung der Bürgschaftsurkunde kann deshalb die Bürgschaftserklärung widerrufen werden. Ein Widerrufsrecht steht dem Bürgen nach § 1 HausTWG zu. Eine zumindest analoge Anwendung des § 7 VerbrKrG ist dagegen noch umstritten. Wegen Irrtums über den Bürgschaftscharakter kann nach § 119 BGB eine Anfechtung der Bürgschaftserklärung erfolgen. Eine Anfechtung kann allerdings nicht darauf gestützt werden, dass ein Irrtum über die Kreditfähigkeit des Hauptschuldners bestanden hat. Gerade dieses Risiko soll der Bürge ja absichern. Desweiteren kann er auch nich nach § 123 BGB anfechten, nur weil der Gläubiger die Gewährung des Dahrlehens von der Bürgschaft abhängig gemacht hat.

2.1. Die Bürgschaft muss neben dem Verbürgungswillen auf Grund des Bestimmheitsgrundsatzes auch die Person des Gläubigers und des Hauptschuldners sowie den Umfang der gesicherten Hauptforderung enthalten. Diese Tatsachen müssen zumindest bestimmbar sein. Der Umfang der Haftung des Bürgen kann von den Parteien frei bestimmt werden. Ist dies nicht oder nur unzureichend erfolgt, und hilft auch § 767 BGB nicht weiter, so ist der Umfang der Bürgschaft durch Auslegung zu ermitteln.

2.2. Ob dagegen u.a. Nebenforderungen (Zinsen, Kontoführungsgebühren, etc.) bzw. Ersatzforderungen (ungerechtfertigte Bereicherung wegen Nichtigkeit des Grundgeschäfts/Darlehnsvertrages) umfasst sind, ist durch Auslegung zu ermitteln (§§ 133, 157 BGB). Dabei ist auf den objektiven Erklärungswert der Bürgschaftserklärung abzustellen, doch müssen sich dafür auch ausreichende Anahltspunkte für den Willen der Parteien ergeben. Wo nach Auslegung und Erforschung des tatsächlichen Parteiwillens noch Zweifel verbleiben, gehen diese (also auch außerhalb des AGBG!) zu Lasten des Gläubigers (Pal.-Sprau § 765 BGB Rn 2 d m.w.N., BGH, Urt.v.02.03.2000 - IX ZR 328/98; LG Berlin, Urt.v.19.11.1999-65 S 227/99).

2.3. Sicherbar durch Bürgschaft sind grundsätzlich alle vermögensrechtlichen Verbindlichkeiten.

2.4. Auch bei der Übernahme von Bürgschaften für künftige oder bedingte Verbindlichkeiten, müsssen diese doch hinreichend bestimmt sein. Dies ist namentlich bei zukünftigen Verbindlichkeiten nicht immer so einfach.

2.5. Die Bürgschaftserklärung kann nach den allgemeinen Grundsätzen auch durch Vertreter (§§ 164 ff BGB) oder Boten abgegeben werden.

3.1. Der Bürge muss für die Hauptschuld im vereinbarten Umfang einstehen, wenn der Hauptschuldner nicht leistungsfähig ist. Dazu muss aber die verbürgte Hauptschuld wirksam entstanden ist und auch noch bestehen. Dies ergibt sich aus der zwingenden Verbindung und Abhängigkeit von Bürgschaft und der Hauptschuld (Akzessiorität). Weitere Voraussetzungen für eine Inanspruchnahme gegeben sich aus (§§ 771-773, 777 BGB). Allerdings können vorstehende Vorschriften zwischen den Parteien auch abbedungen werden.

3.2. Neben den in den §§ 773 Nr.1, 769 und 777 BGB geregelten Bürgschaften können die Parteien noch weitere Arten der Bürgschaft vereinbaren. So kann die Teilbürgschaft vereinbart werden, wonach der Bürge nur betreffs eines individualisierbaren Teils der einheitlichen Forderung haftet. Bei der Höchstbetragsbürgschaft ist eine betragsmäßige Grenze festgelegt, bis zu der der Bürge höchstens haften muss. Im Rahmen einer Kontokorrentbürgschaft muss der Bürge für die laufenden Rechnungen einstehen. Bei einer Nachbürgschaft haftet der Bürge nachrangig. Erst wenn ein vorrangig haftender Bürge nicht leisten kann, muss der Nachbürge für die gesicherte Forderung einstehen. Ein Ausfallbürge haftet für die Schäden des Gläubigers, welche diesem trotz Zwangsvollstreckung und Verwertung der Sicherheiten geblieben sind. Bei der Bürgschaft auf erstes Anfordern verpflichtet sich der Bürge auf die Zahlungsaufforderung sofort zu zahlen (BGH, Urt.v.10.02.2000-IX ZR 397/98). Gegenüber dem Gläubiger kann nur eingwandt werden, dass die Zahlungsaufforderung unvollständig ist und die Bürgschaft nicht die zugrundeliegende Hauptforderung sichere oder die Inanspruchnahme mißbräuchlich sei. Andere Einwendungen können erst in einem Rechtsstreit nach der Zahlung geltend gemacht werden Palandt Einf § 765 Rn.14).

3.3. Keine Bürgschaft stellen dagegen die Kreditaufnahme, der Garantievertrag (Palandt Einf.§ 765 BGB) sowie Wechselverbindlichkeiten dar.

4. Aus dem Bürgschaftsverhältnis können für den Gläubiger, vor allem bei der Begründung, Hinweis- und Warnpflichten aus Treu und Glauben (§ 242 BGB) bestehen. Diese dürften sich vor allem auf eine mögliche Überforderung des Bürgen beziehen. Desweiteren könne Pflichten des Gläubigers auch vertraglich vereinbart werden.

5.1. Unwirksamkeit bzw. Nichtigkeit der Bürgschaft kann sich neben dem Verstoß gegen § 134 BGB nach § 138 BGB auch ergeben, wenn die Leistungsfähigkeit des Bürgen erheblich überschritten wird und weitere belastende Umstände hinzukommen (BGH NJW 98, 2140). Diese krasse Überforderung ist allein nach den Vermögensverhältnissen des Bürgen zu beurteilen. Von einer Überforderung ist deshalb auszugehen, wenn schon die Zinsen der Hauptschuld nicht beglichen werden können (BGH, Urt.v.27.01.2000-IX ZR 198/98). Auch bei starken Belastungen ist aber keine Sittenwidrigkeit gegeben, wenn ein Handlungsbevollmächtigter einer GmbH sich für einen Kredit an die Gesellschaft verbürgt um einen Gewinn und seinen Arbeitsplatz zu sichern (BGH, Urt.v.16.12.1999-IX ZR 36/98). Eine Unwirksamkeit kann sich auch ergeben, wenn der Grund für die Bürgschaft weggefallen ist. Dies ist oft dann der Fall, wenn Eheleute füreinander bürgen und sich später scheiden lassen.

5.2. Die formularmäßige Vereinbarung einer Globalbürgschaft, also eine Bürgschaft auch für andere als den Anlasskredit, verstößt i.d.R. gegen § 9 AGBG ( BGH IX ZR 364/97, BGH, Urt.v.02.03.2000 - IX ZR 328/98), wobei die Wirksamkeit für den Anlasskredit erhalten bleibt (§ 6 I AGBG). Ein solcher Verstoß gegen §§ 3, 9 AGBG liegt allerdings dann nicht vor, wenn die Bürgschaft von einem Handlungsbevollmächtigten anstatt eines Geschäftsführers für eine GmbH eingegangen wurde (BGH, Urt.v.16.12.1999-IX ZR 36/98). Auch eine Ausdehnung der Bürgschaft auf Ansprüche aus künftigen Verträgen und Forderungen verstößt ebenfalls gegen § 9 AGBG, da sie über das gegenwärtige Sicherungsbedürfnis des Gläubigers hinausreicht (BGH NJW 98, 2815). So verstößt auch die Bürgschaft für Forderungen aus einem Beschäftigungsverhältniss selbst dann gegen § 9 AGBG, wenn ein Höchstbetrag vereinbart worden ist, da der Bürge das Risiko nicht abschätzen kann und auf der Seite des Gläubigers keine anerkennenswertes Interesse vorliegt (BAG, Urt.v.27.04.2000-8 AZR 286/99). Bei Individualabreden sind solche Vereinbarungen im Rahmen der Privatautonomie zulässig. Sie können dann ein zusätzliches Garantieversprechen oder einen Schuldbeitritt darstellen.

5.3. Erteilt der Ehegatten-Bürge ein Einverständnis güterrechtlicher Art, bedeutet dies im Zweifel nicht, dass er seine Bürgschaft auch Ausdehnen will ( BGH, Urt.v.02.03.2000 - IX ZR 328/98 ). Desweiteren kann eine Übernahme zukünftiger Verbindlichkeiten kann insbesondere gegen § 9 AGBG verstoßen, wenn der Bürge keine Einfluss- bzw. Kontrolle über diese neuen Verbindlichkeiten hat (BGH, Urt.v.15.07.1999 - IX ZR 243/98).

5.4. Der Unwirksamkeit nach § 138 BGB wegen Überforderung kann auch nicht der Einwand entgegengehalten werden, der Gläubiger wolle Vermögensverschiebungen zwischen Hauptschuldner und Gläubiger verhindern, wenn der Sicherungsumfang die Sicherungsinteressen des Gläubigers weit übersteigt (BGH, Urt.v.27.01.2000-IX ZR 198/98).

5.5. Eine Bürgschaftsklage ist dann wegen Rechtsmißbrauchs abzuweisen, wenn eine Ehefrau für den Warenkredit einer GmbH einsteht (Mann ist der Geschäftsführer), um eine Vermögensverlagerung unter den Eheleuten zu verhindern, dieses Risiko sich aber bislang nicht verwirklicht hat (BGH, V.Urt.v.25.11.1999-IX ZR 40/98).

6. Bei Erlöschen der Bürgschaft ist der Bürge dem Gläubiger nicht mehr zur Leistung verpflichtet. Die Bürgschaft erlischt wegen der zwingenden Verbindung mit der Hauptschuld, wenn diese erlischt oder nicht mehr zur Entstehung gelangen kann. Letzteres vor allem deshalb, da die Bürgschaft mit der Hauptschuld untrennbar verbunden ist (Akzessiorität). Leistet der Bürge eigenständig auf die Hauptschuld so kann das Erlöschen der Bürgschaftsschuld herbeigeführt werden. Bei Teilleistungen auf die Hauptschuld wird auch der Bürge entsprechend befreit. Das Erlöschen kann auch durch Aufrechnung oder Hinterlegung gegenüber dem Gläubiger erreicht werden.

7.1. Der Bürge kann in manchen Fällen seine Bürgschaft kündigen. So natürlich zunächst einmal, wenn dies vereinbart ist zwischen dem Bürgen und dem Gläubiger.

7.2. Ein Kündigungsrecht hat der Bürge bei der Verbürgung von Dauerschuldverhältnissen (z.B. Miete), wenn und soweit dem Gläubiger/Vermieter genug Zeit verbleibt, das Dauerschuld-/Mietverhältnis ordentlich zum Ende der Bürgschaftszeit zu kündigen (OLG Düsseldorf, Urt.v.24.11.1998 - 24 U 264/97). Bei Kreditbürgschaften soll eine solche Kündigung auch mit Wirkung für zukünftig neu entstehende Forderungen bei wesentlicher Verschlechterung des Vermögens des Schuldners zulässig sein (BGH BB 59, 866) sowie generell nach einer gewissen Zeit, wenn die Bürgschaft unbefristet eingegangen war (BGH NJW-RR 93, 944).

8. Prozessuales

8.1. Zunächst einmal soll bei Inanspruchnahme des Bürgen jedenfalles der Zivilrechtsweg gelten, also auch, wenn die verbürgte Schuld eine öffentlich-rechtliche ist (BGH 90, 187; OLG Ff/M WM 84, 1048). Demnach würde auch ein Arbeitnehmer den Bürgen für sein Arbeitsentgelt im ordentlichen Rechtsweg verklagen müssen, was das BAG bestimmt anders sieht! Die Angelegenheit dürfte also noch nicht ganz geklärt sein. Erfüllungsort und Gerichtsstand sind keineswegs mit denen der Hauptschuld identisch (Pal.-Sprau aaO Rn 4,5), können es aber natürlich im Einzelfalle dennoch sein.

8.2. Beweislast betreffs der wirksamen Bürgschaft, sowie das Bestehen und die Fälligkeit der Hauptschuld trägt der Gläubiger. Der Bürge muss seine Einwendungen gegen Hauptschuld und Bürgschaft nachweisen.

8.3. Ist eine Bürgschaft auf erstes Auffordern vereinbart worden, so kann sich der Bürge auch im Urkundsprozess nicht darauf berufen, die Stellung einer solchen Bürgschaft nicht vereinbart zu haben (OLG Hamm, Urt.v.05.11.1999-25 U 64/99).

Diese Kommentierung basiert auf einer Arbeit des Rechtsanwalts Michael Linke. Stand ist eigentlich der 18.07.2000. Aus technischen Gründen musste oben ein Stand nach dem In-Kraft-treten der Neufassung des BGB am 1.1.2002 eingegeben werden.
Urteile nach 02.01.2002, also nach Abschluss dieser Kommentierung