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BGB
Bürgerliches Gesetzbuch
§ 770 Einreden der Anfechtbarkeit und der Aufrechenbarkeit (Regelung seit 01.01.2002)
(1) Der Bürge kann die Befriedigung des Gläubigers verweigern, solange dem Hauptschuldner das Recht zusteht, das seiner Verbindlichkeit zugrunde liegende Rechtsgeschäft anzufechten.

(2) Die gleiche Befugnis hat der Bürge, solange sich der Gläubiger durch Aufrechnung gegen eine fällige Forderung des Hauptschuldners befriedigen kann.

1. Hier ist in § 770 I BGB die Situation gegeben, dass dem Hauptschuldner mit der Anfechtung nach §§ 119, 120, 123 BGB und dem Gläubiger mit der Aufrechnung (§ 387 BGB) ein Gestaltungsrecht zusteht, welches er aber noch nicht ausgeübt hat. § 770 II BGB behandelt demgegenüber den Fall, dass der Gläubiger sich durch Aufrechnung gegenüber dem Schuldner befriedigen könnte.

2. Allerdings ist der Bürge nicht berechtigt, etwaige Gestaltungsrechte der Parteien selbst auszuüben und damit seine Haftung endgültig auszuschließen. Dies, da die Gestaltungsrechte derart intensiv in das der Hauptschuld zugrundeliegende Geschäft eingreifen würde, dass dies den Parteien des Hauptrechtsverhältnisses nicht zugemutet werden soll. Solange Hauptschuldner oder Gläubiger, denen die Ausübung der Gestaltungsrechte weiterhin allein zusteht, diese nicht geltend gemacht haben, kann der Bürge ein Zurückbehaltungsrecht betreffs seiner Leistungspflicht geltend machen.

3. Hier kommt, wie auch in den §§ 771, 772 BGB, der Gedanke zum Ausdruck, dass der Bürge nur eine Art Gewährsträger ist. Nach Möglichkeit sollen sich die Parteien untereinander behelfen. Solange sie diese Möglichkeit haben, soll der Bürge seine eigene Leistung verweigern können.

4. Die Gestaltungsrechte müssen aber auch bestehen. So ist z.B. strittig, ob bei einer Aufrechnungsmöglichkeit lediglich des Schuldners, also dem gerade diametral zu § 770 II BGB liegenden Fall, der Bürge ein Leistungsverweigerungsrecht haben soll ( verneinend: Pal.-Sprau § 770, Rn 3, Staudinger § 770 Rn.9 zu beiden Ansichten). Tatsächlich sollte man ein Leistungsverweigerungsrecht auch in diesen Fällen bejahen. Ein schutzwürdiges Interesse des Gläubigers hiergegen ist nicht wirklich ersichtlich. Warum soll der Gläubiger davon profitieren, wenn der Hauptschuldner die Aufrechnung verweigert?

5. Über den Wortlaut hinaus ist die Vorschrift auch für andere Fälle dieser Art anwendbar, sei es direkt, entsprechend oder analog. Auch im Falle, dass dem Hauptschuldner also ein Rücktrittsrecht etc. zusteht, kann sich der Bürge hierauf berufen. Über die Grenzen dieser weitergehenden Anwendbarkeit besteht Streit (Palandt-Sprau § 770 Rn 4, Staudinger § 770 Rn.23)

6. Der Verzicht des Bürgen auf die Einrede ist möglich. Dieser ist nicht schon in der Übernahme einer selbstschuldnerischen Bürgschaft zu sehen.

Diese Kommentierung basiert auf einer Arbeit des Rechtsanwalts Michael Linke. Stand ist eigentlich der 18.07.2000. Aus technischen Gründen musste oben ein Stand nach dem In-Kraft-treten der Neufassung des BGB am 1.1.2002 eingegeben werden.