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BGB
Bürgerliches Gesetzbuch
§ 814 Kenntnis der Nichtschuld (Regelung seit 01.01.2002)
Das zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete kann nicht zurückgefordert werden, wenn der Leistende gewusst hat, dass er zur Leistung nicht verpflichtet war, oder wenn die Leistung einer sittlichen Pflicht oder einer auf den Anstand zu nehmenden Rücksicht entsprach.

1. Die Vorschrift stellt eine Ausnahme zu § 812 I 1 BGB dar. Sie ist nur auf Leistungen auf Verbindlichkeiten anwendbar, welche im Zeitpunkt der Leistung tatsächlich nicht bestanden haben (BGH WM 86, 1324). Auf andere Fälle der Leistungskondiktion ist die Vorschrift nicht anwendbar. Auch auf Dritte ist die Vorschrift anwendbar, wenn dieser unaufgefordert nach § 267 BGB auf eine fremde Schuld leistet, obwohl er weiß, dass die Forderung des Gläubigers gegen den Schuldner nicht bestanden hat.

2.1. Erfolgt die Leistung in Kenntnis der Tatsache, dass die Leistung nicht geschuldet ist, kann keine Rückführung der Leistung gefordert werden. Die Kenntnis der Nichtschuld umfasst aber neben dem positiven Wissen um die tatsächlichen Umstände auch die Rechtslage (BGH NJW 97, 2381). Unkenntnis auf Grund grober Fahrlässigkeit ist nicht für die Kenntnis i.S.d. § 814 BGB ausreichend (BGH WM 72, 283). Zweifel führen allein dann zum Ausschluss des Rückforderungsrechts, wenn die Leistung erkennbar auch für den Fall gezahlt worden ist, dass eine Nichtschuld besteht. Die Kenntnis des Leistenden von Einwendungen oder der Anfechtbarkeit wird der Kenntnis von der Nichtschuld gleichgestellt. Das Wissen von Vertretern ist dem Vertretenen zuzurechnen (§§ 164 ff BGB).

2.2. Wird die Leistung unter Vorbehalt erbracht und auch angenommen, so schließt auch die Kenntnis von der Nichtschuld die Rückforderung nicht aus (BGH 88, 1496). Dasselbe gilt auch dann, wenn zwar die Leistung auf eine Nichtschuld bekannt ist, aber die Heilung der Tatsachen, welche zur Nichtschuld führten, erwartet werden (BGH NJW 76, 238). Eine solche Konstellation ist u.a. bei Nichtigkeit der Vereinbarung wegen §§ 313, 125 BGB gegeben (vor allem bei Grundstücksgeschäften), bei schwebend unwirksamen Geschäften, mit deren Genehmigung gerechnet wird oder bei aufschiebend bedingten Geschäften der Fall. Eine Rückforderung ist auch dann möglich, wenn die Leistung nicht freiwillig, sondern unter einer Zwangslage erfolgt ist.

3. Die Rückforderung scheidet des Weiteren aus, wenn die Leistung aus einer sittlichen Pflicht oder dem Anstand her erbracht worden ist. Eine irrtümliche Annahme einer solchen Verpflichtung berechtigt nicht zur Rückforderung. Die sittliche Pflicht muss sich aus den Umständen ergeben. Leistungen aus Anstand sind die üblichen Gelegenheitsgeschenke zum Geburtstag, zu Weihnachten oder zur Hochzeit. Auch Unterhaltszahlungen und Unterstützung von Verwandten, gegenüber denen keine Unterhaltspflicht besteht, können eine sittliche Pflicht darstellen. Dabei ist im Einzelfall immer auf die Ansichten und Gepflogenheiten sozial gleichgestellter Personen abzustellen (BGH NJW 81, 111). Der Leistende muss irrtümlich an seine Leistungspflicht geglaubt haben. Eine solche Leistung kann z.B. in der Zahlung von Unterhalt an verwandte bestehen, obwohl keine Unterhaltspflicht bestand.

4. Prozessuales

Der Leistende muss beweisen, dass er zur Erfüllung auf eine bestimmte Verbindlichkeit erfüllt hat die aber nicht bestand und beide Seiten eine Heilung nicht mehr erwartet haben (OLG Düsseldorf NJW-RR 86, 692). Ebenso hat der Leistende einen Vorbehalt oder die Zwangslage zu beweisen. Der Leistungsempfänger hat dagegen zu beweisen, dass beim Leistenden kein Irrtum über den Bestand der Schuld vorlag und er bewusst auf eine Nichtschuld oder aus Anstand oder einer sittlichen Pflicht leistete.

Diese Kommentierung basiert auf einer Arbeit des Rechtsanwalts Michael Linke. Stand ist eigentlich der 16.08.2000. Aus technischen Gründen musste oben ein Stand nach dem In-Kraft-treten der Neufassung des BGB am 1.1.2002 eingegeben werden.
Urteile nach 02.01.2002, also nach Abschluss dieser Kommentierung