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BGB
Bürgerliches Gesetzbuch
§ 816 Verfügung eines Nichtberechtigten (Regelung seit 01.01.2002)
(1) Trifft ein Nichtberechtigter über einen Gegenstand eine Verfügung, die dem Berechtigten gegenüber wirksam ist, so ist er dem Berechtigten zur Herausgabe des durch die Verfügung Erlangten verpflichtet. Erfolgt die Verfügung unentgeltlich, so trifft die gleiche Verpflichtung denjenigen, welcher auf Grund der Verfügung unmittelbar einen rechtlichen Vorteil erlangt.

(2) Wird an einen Nichtberechtigten eine Leistung bewirkt, die dem Berechtigten gegenüber wirksam ist, so ist der Nichtberechtigte dem Berechtigten zur Herausgabe des Geleisteten verpflichtet.

1. Die Vorschrift regelt die Vermögensverschiebungen durch Handlungen des Bereicherten oder eines Dritten und damit einen Fall der Eingriffskondiktion des § 812 I 1 2.Alt BGB (BGH NJW 70, 2059). Es soll der Ausgleich des Vermögens geregelt werden, wenn die Verfügung des Nichtberechtigten dem Berechtigten gegenüber wirksam ist.

2.1. Voraussetzung für § 816 I 1 BGB ist das Vorliegen einer rechtsgeschäftlichen Verfügung. Darunter wird die Veränderung, Übertragung oder Aufhebung eines Rechtes verstanden (BGB 101, 26). Bei einer Vermietung oder Verpachtung ist eine solche Verfügung nicht gegeben. Unter die Vorschrift fallen auch nicht Verfügungen im Wege der Zwangsvollstreckung (BGH WM 87, 1048) oder der Verbrauch einer Sache (BGH 14, 7).

2.2. Die Verfügung eines Nichtberechtigten ist dann gegeben, wenn dieser über den Gegenstand verfügt, obwohl ihm die dazu erforderliche Verfügungsmacht (§ 185 BGB) nicht oder nicht allein zusteht (OLG Hamm OLGZ 81, 282). Beim Nichtberechtigten, welche die Verfügung getätigt hat ist kein Verschulden erforderlich (BGH 37, 371) doch kann es nach § 819 BGB zu einer verschärften Haftung des Nichtberechtigten führen. Bei wirksamer offener Stellvertretung ist der Vertretene als Verfügender anzusehen (BGH WM 68, 1326). Bei verdeckter Stellvertretung ist zwar der Vertreter der Verfügende, doch kann er sich auf Wegfall der Bereicherung nach § 818 III BGB berufen, wenn er das Erlangte an den Vertretenen herausgegeben hat.

2.3. Eine nichtberechtigte Verfügung ist dann wirksam, wenn der Nichtberechtigte durch das Grundbuch (§§ 892, 893, 1138, 1155 ff, 1192, 1200 BGB) legitimiert ist oder gutgläubiger Erwerb vorliegt (§§ 932 ff, 936, 1032, 1207 BGB). Desweiteren kann eine Legitimierung der Verfügung nach §§ 366 ff HGB, 325 II, 898 ZPO erfolgen. Auch eine zunächst unwirksame Verfügung kann noch nachträglich wirksam werden, vor allem durch die rückwirkende Genehmigung des Berechtigten nach § 184 BGB (BGH 107, 340). Durch eine solche Genehmigung wird nur die Rechtsfolge, nicht aber die Nichtberechtigung des Verfügenden geändert. Die Genehmigung oder deren Verweigerung sind unwiderruflich, wobei aber in der Forderung von Schadensersatz noch keine entgültige Genehmigungsverweigerung zu sehen ist (BGH NJW 68, 1326). Wird durch Klage die Herausgabe des Erlangten gefordert, so ist darin i.d.R. die konkludente Genehmigung der Verfügung zu sehen. Voraussetzung ist aber, dass der Genehmigende die Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts gekannt bzw. zumindest damit gerechnet hat.

2.4. Berechtigter ist derjenige, welcher zu der Verfügung berechtigt gewesen wäre und durch sie in seinen Rechten beeinträchtigt wird. Werden mehrere Personen in ihren Rechten verletzt, so steht jeder einzelnen Person ein Bereicherungsanspruch in dem Maße zu, wie es dem Verhältnis der verletzten Personen untereinander entspricht. Bei Verletzung von Miteigentum kann die Herausgabe nur an alle Miteigentümer gemeinsam verlangt werden.

3.1. Beim Vorliegen einer unentgeltlichen Verfügung ist der Dritte und nicht der unberechtigt Verfügende Anspruchsgegner des Berechtigten, da der Nichtberechtigte durch die Verfügung nichts erhalten hat. Dies auch, wenn der Dritte gutgläubig erworben hat. Unentgeltlich ist eine Verfügung, wenn sie unabhängig von einer Gegenleistung erfolgt (BGH NJW, 82, 436). Dies ist stets nach der objektiven Sachlage festzustellen, vor allem muss der Dritte einen rechtlichen Vorteil erlangen. Eine entsprechende Anwendung des § 816 I 2 BGB auf unentgeltliche Verfügungen von Erben eines Begünstigten aus der Bodenreform scheidet aus (BGH, Urt. v. 28.1.2000 - V ZR 78/99).

Bei gemischten Schenkungen ist darauf abzustellen, ob der unentgeltliche Charakter des Rechtsgeschäftes überwiegt.

3.2. Umstritten ist, ob die rechtsgrundlose Verfügung der unentgeltlichen Verfügung gleichzustellen ist. Insoweit stehen sich in der Literatur die Einheitskondiktionslehre und die Doppelkondiktionslehre gegenüber (Palandt § 816 Rn.16 ff). Der BGH hat in diesen Streit noch keine Stellung bezogen, doch dürfte wohl eine Gleichsetzung nicht möglich sein, da die Unentgeltlichkeit eine freigiebige Absicht voraussetzt. Diese dürfte aber bei rechtsgrundlosen Verfügungen nicht gegeben sein.

4. Auch § 816 II BGB regelt einen Fall der Eingriffskondiktion, wonach der Leistende gegenüber dem Berechtigten mit seinen Verpflichtungen freibleibt, der Berechtigte aber die Herausgabe der Leistung vom Nichtberechtigten verlangen kann (BGH NJW 93, 1788). Allerdings wird erst mit der Genehmigung durch den Berechtigten der Leistende von seiner Leistungspflicht frei. Insoweit steht dem Berechtigten ein Wahlrecht zu, ob er genehmigt und vom Nichtberechtigten Herausgabe verlangt oder ob er gegen den nichtbefreiten Leistenden vorgeht. Der Anspruch auf Herausgabe des Geleisteten entfällt aber, wenn sich die Berechtigung aus einer Abtretung herleitet, die infolge vertraglich notwendiger Genehmigung erst nach der Leistung an den angeblichen Nichtberechtigten für die Zukunft (ex nunc) wirksam wird (OLG Köln, Urt. v. 10.9.1999 - 19 U 93/97).

5. Dem Berechtigten ist das durch die Verfügung Erlangte herauszugeben. Nach § 816 I 1 BGB ist dies der Wert des Erlangten, nach § 816 I 2 BGB die unentgeltlich abgegebene Sache und nach § 816 II BGB die durch den Nichtberechtigten angenommene Leistung. Auch der erzielte Gewinn ist nach § 816 I 1 BGB herauszugeben, selbst wenn dieser nur auf der besonderen Tüchtigkeit des Nichtberechtigten ruhen sollte (BGH WM 75, 1179). Grobe Unbilligkeiten für den Bereicherten können nach § 242 BGB ausgeglichen werden. Der Umfang des Anspruches richtet sich nach §§ 818, 819 BGB wobei zu berücksichtigen ist, dass § 818 II BGB durch die Sondervorschrift des § 816 BGB ausgeschlossen ist. Der Nichtberechtigte kann aber die Aufwendungen von dem Erlangten abziehen und kann sich auch auf die Entreicherung nach § 818 III BGB berufen, wenn § 819 BGB nicht eingreift.

6. Prozessuales
Der Berechtigte muss die Voraussetzungen des Anspruches beweisen.

Diese Kommentierung basiert auf einer Arbeit des Rechtsanwalts Michael Linke. Stand ist eigentlich der 30.09.2000. Aus technischen Gründen musste oben ein Stand nach dem In-Kraft-treten der Neufassung des BGB am 1.1.2002 eingegeben werden.
Urteile nach 02.01.2002, also nach Abschluss dieser Kommentierung