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BGB
Bürgerliches Gesetzbuch
§ 819 Verschärfte Haftung bei Kenntnis und bei Gesetzes- oder Sittenverstoß (Regelung seit 01.01.2002)
(1) Kennt der Empfänger den Mangel des rechtlichen Grundes bei dem Empfang oder erfährt er ihn später, so ist er von dem Empfang oder der Erlangung der Kenntnis an zur Herausgabe verpflichtet, wie wenn der Anspruch auf Herausgabe zu dieser Zeit rechtshängig geworden wäre.

(2) Verstößt der Empfänger durch die Annahme der Leistung gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten, so ist er von dem Empfang der Leistung an in der gleichen Weise verpflichtet.

1. Die Vorschrift führt zu einer Haftungserweiterung des Leistungsempfängers, indem die Herausgabepflicht ab Kenntniserlangung festgelegt wird. Sie ist auf alle Bereicherungsansprüche anwendbar. Andere Haftungsgrundlagen wie das Deliktsrecht nach §§ 823 ff BGB bleiben unberührt.

2. Die Kenntnis von der Rechtsgrundlosigkeit des Empfangs verlangt die positive Kenntnis der Tatsachen, aus denen sich das Fehlen des Rechtsgrundes ergibt (BGH 133, 246). Bösgläubigkeit, Zweifel und fahrlässige Unkenntnis sind für das Eingreifen der verschärften Haftung nicht ausreichend. Der Leistungsempfänger muss sich auch die Kenntnis des Vertreters zurechnen lasssen (§ 166 BGB). Deshalb muss sich derjenige, der einem anderen die Benutzung des Girokontos durch Einräumung einer Bankvollmacht gestattet, sich auch dessen Wissen zurechnen lassen (OLG Köln, Urt.v.05.08.1999-1 U 3/99). Auch betreffs der Rechtsfolgen des rechtsgrundlosen Empfangs muss positives Wissen vorliegen (BGH 118, 383). Dieses ist auch gegeben, wenn sich der Empfänger der Erkenntnis bewusst verschließt (BGH 133, 246). Maßgebender Zeitpunkt für die verschärfte Haftung ist die Kenntniserlangung. Diese Haftung tritt sofort ein, wenn die Kenntnis schon bei Vermögensübergang bestanden hat.

3. Bei minderjährigen bzw. beschränkt geschäftsfähigen Empfängern welche die Sache durch Leistung erlangen, ist die Vorschrift nicht anwendbar, da sonst faktisch eine Haftung wie bei voll Geschäftsfähigen eintreten würde, was dem Minderjährigenschutz zuwiderlaufen würde (KG Berlin NJW 98, 2911). Erlangt der Minderjährige auf sonstige Weise die Sache, ist dagegen die Vorschrift u.a. wegen der Anwendbarkeit der §§ 827, 828, 829 BGB bei unerlaubten Handlungen zulässig.

4. Die Vorschrift ist ausgeschlossen, wenn der Leistende Kenntnis vom Mangel des rechtlichen Grundes oder die Unmöglichkeit des Erfolgseintritts hat (§§ 814, 815 BGB).

5. Der Leistungsempfänger ist nach § 819 II BGB haftbar, wenn positive Kenntnis vom Gesetzesverstoß oder des sittenwidrigen Handelns bewusst ist, auch wenn beide Seiten verwerflich handeln. Kennt der Leistende die Rechtsfolgen des Rechts- und Sittenverstoßes (§§ 134, 138 BGB) dann ist die verschärfte Haftung auch nach § 819 BGB gegeben.

6. Der Umfang der Haftung ergibt sich aus § 818 BGB. Nach § 818 IV BGB kann sich der Empfänger nicht mehr auf den Wegfall der Bereicherung nach § 818 III BGB berufen. Es ist aber zu beachten, dass § 819 BGB nur den Eintritt der Rechtshängigkeit regelt. Die Verzugsvoraussetzungen müssen daneben gesondert geprüft werden.

7. Prozessuales
Der Anspruchsberechtigte hat die verschärfte Haftung nach dieser Vorschrift zu beweisen (BGH NJW 58, 1725). Der Empfänger muss die Kenntnis des Leistenden vom fehlenden Rechtsgrund beweisen.

Diese Kommentierung basiert auf einer Arbeit des Rechtsanwalts Michael Linke. Stand ist eigentlich der 16.08.2000. Aus technischen Gründen musste oben ein Stand nach dem In-Kraft-treten der Neufassung des BGB am 1.1.2002 eingegeben werden.