Do, 16. Mai 2024, 03:32    |  Login:  User Passwort    Anmelden    Passwort vergessen
ARBEITSPLATTFORM NEWS URTEILE GESETZE/VO KOMMENTARE SITEINFO/IMPRESSUM NEWSLETTER
BGB
Bürgerliches Gesetzbuch
§ 170 Wirkungsdauer der Vollmacht (Regelung seit 01.01.2002)
Wird die Vollmacht durch Erklärung gegenüber einem Dritten erteilt, so bleibt sie diesem gegenüber in Kraft, bis ihm das Erlöschen von dem Vollmachtgeber angezeigt wird.
Franz-Anton Plitt
 (Internet entrepreneur)
 Chisinau
 (Moldova)


Stand: 02.01.2002
1. In den §§ 170 bis 172 BGB wird derjenige geschützt, der er auf den Bestand einer tatsächlich wirksam beendeten oder erloschenen Vollmacht vertraut; insoweit gibt es gewisse Ähnlichkeiten zu den §§ 674 BGB, 729 BGB. Diesen Schutz begrenzt sodann wieder der § 173 BGB, ähnlich wie der § 169 BGB für die Fälle der §§ 674 BGB, 729 BGB.

2. § 170 BGB erfasst die sogenannte Außenvollmacht. Hierbei wurde gem. § 167 BGB die Vollmacht durch Erklärung gegenüber dem Dritten erteilt. Gem. §§ 168 S.3, 167 BGB ist der Widerruf auch gegenüber dem Vertreter möglich; diesen Widerruf kann der Dritte naturgemäß nicht kennen. Also bleibt die Vollmacht ihm gegenüber gem. § 170 BGB bis zum Zugang der Erlöschensanzeige in Kraft. Zu dieser Gruppe gehören auch die Fälle der durch schlüssiges Verhalten im Außenverhältnis erteilten Vollmachten wie insbesondere die Duldungsvollmacht. Letztlich wie diese Gruppe zu behandeln sind auch die Fälle der Anscheinsvollmacht, bei der der Vollmachtgeber zwar keine Erklärung durch schlüssiges Verhalten abgegeben hat, durch ein pflichtwidriges Unterlassen aber einen entstehenden Rechtsschein nicht erkannte und sich daher so behandeln lassen muss, als ob er diesen Rechtsschein geduldet hätte (was eine Duldungsvollmacht ergeben hätte).

3.1. § 171 I Alt.1 BGB behandelt im Grunde den Fall des § 170 BGB, jedenfalls ist insoweit kein Unterschied zu erkennen. Im § 171 II Alt.2 BGB geht es um die Fälle der öffentlichen Kundgebung. Hierzu gehören zunächst die Fälle der Registereintragungen (vor allem das Handelsregister). Daneben gilt aber diese Norm auch für die Formen des Aushangs oder einer Zeitungsanzeige. Die Form der Mitteilung kann ebenso durch schlüssiges Verhalten erfolgen. Die Mitteilung muss durch einen voll geschäftsfähigen Absender erfolgen.

3.2. Eine nach § 171 BGB bekanntgemachte Vollmacht bleibt so lange bestehen, bis sie durch Kundgebung nach dieser Vorschrift wieder beseitigt wird. Der Widerruf muss aber nicht absolut gleichartig mit der Mitteilung der Bevollmächtigung sein. Eine schriftliche Kundgabe kann somit auch mündlich widerrufen werden.

4. § 172 BGB betrifft die Fälle des Ausstellens einer Vollmachtsurkunde, die der der Schriftform genügen muss (§ 126 BGB). Das Original oder eine Ausfertigung muss vorgelegt werden. Beides ist eng auszulegen. Kopien, auch beglaubigte, sollen nicht ausreichen (bedenklich für die notariell-beglaubigte Kopie). Die Rechtsscheinvollmacht der Urkunde erlischt, wenn die Urkunde an den Geschäftsherrn zurückgegeben oder für kraftlos erklärt wird. Die Vorschrift ist auch auf Blanketturkunden entsprechend anzuwenden. In diesem Fall hat sich der Geschäftsherr auch eine abredewidrig ausgefüllte Urkunde zurechnen zu lassen.

5. Nach § 173 BGB ist nur der gutgläubige Dritte bezüglich der vorgenannten Vertrauenstatbestände geschützt. Dies gilt sowohl für den Fall des Nichtenstehens der Vollmacht als auch für den Fall des erfolgten Widerrufs. Maßgebender Zeitpunkt für den guten Glauben ist die Vornahme des Rechtsgeschäftes. War das Fehlen oder Erlöschen der Vollmacht bekannt oder musste bekannt sein, liegt Bösgläubigkeit beim Geschäftsgegner vor. Nicht geschützt ist deshalb bereits der fahrlässig Unwissende (s. Pal.-Heinrichs § 173 Rn.2 m.w.N.). Man wird angesichts der Formulierung des Gesetzes „..oder kennen muß.“ zumindest die leichte Fahrlässigkeit dem Dritten nicht anlasten können.

6. Aus dem - sich aus §§ 170 ff BGB ergebenden - Grundsatz, dass der Geschäftsgegner nicht die Bevollmächtigung des Handelnden überprüfen muss, hat sich unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes die Anscheins- und Duldungsvollmacht entwickelt.

6.1. Die Duldungsvollmacht ist gegeben, wenn der Vertretene es wissentlich geschehen lässt, dass ein anderer als Vertreter für ihn auftritt und der Geschäftsgegner dieses Verhalten nach Treu und Glauben so verstehen konnte, dass der Vertreter auch bevollmächtigt war (BGH VersR 1992, 990). Der Vertretene wird wie bei einer ordnungsgemäßen Vollmacht durch das Rechtsgeschäft verpflichtet und berechtigt. Der Unterschied zur stillschweigend erteilten Vollmacht ist darin zu sehen, dass bei der Duldung der Vertretene keinen Willen zur Erteilung einer Vollmacht hat. Strittig ist, ob der fehlende Wille zur Bevollmächtigung der Wertung einer schlüssigen Willenserklärung entgegensteht (Palandt-Heinrichs § 173 Rn.11). Wird eine schlüssige Willenserklärung bejaht, kann diese auch angefochten werden.

6.2. Voraussetzung für die Duldung ist aber, dass der Duldende geschäftsfähig ist und der Vertragsgegner den maßgeblichen Vertrauenstatbestand kennt. Des Weiteren darf das abgeschlossene Geschäft nicht aus dem Rahmen dessen fallen, zu dem der Bevollmächtigte üblicherweise berechtigt ist. Geschäftsunfähige oder auch nur beschränkt Geschäftsfähige können zu ihren Lasten keinen Rechtsschein begründen. Das Vertrauen in den Rechtsschein muss im Zeitpunkt des Abschlusses des Rechtsgeschäfts gegeben sein. Der Umfang der Vollmacht ergibt sich aus dem beim Vertragsgegner geschaffenen Vertrauenstatbestand. Das Ende der Duldungsvollmacht erfolgt dann, wenn das wissentliche Dulden durch den Vertretenen nicht mehr gegeben ist. Allerdings kann dann weiterhin Anscheinsvollmacht bestehen.

7.1. Die Anscheinsvollmacht liegt vor, wenn der Vertretene zwar das Handeln des Scheinvertreters nicht kennt, dies aber bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte erkennen und verhindern können und der Geschäftsgegner von einer Billigung des Handelns des Scheinvertreters durch den Vertretenen ausgehen durfte. Es erfolgt insoweit eine Zurechnung eines schuldhaft verursachten Rechtsscheins. Diese Vollmacht steht in ihrer Wirkung einer ordnungsgemäßen rechtsgeschäftlichen Vollmacht gleich.

7.2. Voraussetzung ist ein dauerhaftes Verhalten wie das mehrfache Verwenden von Firmenstempeln (BGH NJW 1991, 1225) oder die Fortführung des Betriebs des Erblassers durch einen Miterben im Namen der Erbengemeinschaft (BGH NJW 1962, 2196). Der Vertretene hätte das vollmachtslose Handeln erkennen können und müssen. Der Rechtsschein einer Bevollmächtigung muss zum Zeitpunkt des Abschlusses des Rechtsgeschäftes noch bestanden haben und für den Geschäftsgegner ursächlich gewesen sein. Letzterer muss auch im guten Glauben auf die bestehende Vollmacht gehandelt haben. So kann er sich nicht auf guten Glauben berufen, wenn der Vertreter offensichtlich seine Vollmacht überschreitet. Voraussetzung ist wie bei der Duldungsvollmacht auch, dass der Vertretene geschäftsfähig ist.

7.3. Der Umfang der Anscheinsvollmacht ergibt sich aus dem gesetzten Rechtsschein. Das Ende einer solchen Vollmacht tritt ein, wenn dem Geschäftsgegner erkennbar wird, dass der Vertretene dem Scheinvertreter keine Bevollmächtigung erteilt hat. Sehr strittig ist aber, ob der Rechtsschein durch eine Anfechtung beseitigt werden kann (Palandt-Heinrichs § 173 Rn.19).

8. Prozessuales
Bei Berufung auf § 171 BGB muss der Geschäftsgegner die Vertretungsmacht beweisen, wärend der Vertretene den Widerruf nachweisen muss.

Diese Kommentierung basiert auf einer Arbeit des Rechtsanwalts Thomas Weidel, Bitterfeld, einem damaligen Mitarbeiter der Fa. Advo-net.com, Eco-Part GmbH & Co. KG. Stand ist eigentlich der 17.01.2001. Aus technischen Gründen musste oben ein Stand nach dem In-Kraft-treten der Neufassung des BGB am 1.1.2002 eingegeben werden.

Für Hinweise und Anregungen sind wir immer dankbar. Bei Interesse ist qualifizierten Juristen die Aufnahme in die Kommentatoren-Liste möglich.