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BGB
Bürgerliches Gesetzbuch
§ 243 Gattungsschuld (Regelung seit 01.01.2002)
(1) Wer eine nur der Gattung nach bestimmte Sache schuldet, hat eine Sache von mittlerer Art und Güte zu leisten.

(2) Hat der Schuldner das zur Leistung einer solchen Sache seinerseits Erforderliche getan, so beschränkt sich das Schuldverhältnis auf diese Sache.
Oskar Stübinger
 (Student)
90489
 Nürnberg
 (Deutschland)

Mobil 0179/7998982

Stand: 24.07.2005
Zu Abs. 1:

1. Begriff
Eine Gattungsschuld ist ein Schuldverhältnis mit einem unbestimmten, aber bestimmbaren Leistungsgegenstand.
Anders als bei der Stückschuld (auch Speziesschuld) ist der Gegenstand nicht individuell festgelegt, sondern nur nach generellen Merkmalen bestimmt (Palandt § 243, Rn. 1).
Klassisches Beispiel hierfür (welches daher auch in Klausuren häufiger anzutreffen ist) ist der gebrauchte PKW (Stückschuld -individuell bestimmbar- ein gebrauchtes Fahrzeug ist einzigartig) und im Gegensatz dazu der fabrikneue PKW der Baureihe XY (Gattungsschuld- da es von diesem Modell mit Sicherheit einige Tausend gibt).
Über die genauen Abgrenzungsmerkmale entscheidet der Wille der Parteien (BGH NJW 86, 659). Dabei ist der Kreativität der Vertragspartner im Prinzip keine Grenze gesetzt (Privatautonomie!).
Beispiel: etwa beim PKW der Baurehe XY noch das Kriterium der Farbe („Ich kaufe Dir alle PKW der Baureihe XY in der Farbe British Racing Green ab.“)

2. Beschaffungspflicht
Die Gattungsschuld begründet grundsätzlich eine Beschaffungspflicht für den Schuldner. Dieser wird nur von seiner Pflicht befreit, wenn die gesamte (!) Gattung untergeht.
Es kann aber im Vertrag auch eine sogenannte Vorratsschuld vereinbart worden sein („Ich kaufe Dir alle Autos ab, die in Deinem Lager stehen.“). Diese stellt eine beschränkte Gattungsschuld dar, d.h. bei Untergang des Vorrats (z.B.: Abbrennen des Lagers) wird der Schuldner von seiner Beschaffungspflicht frei.

3. Mittlere Art und Güte
Die vom Schuldner ausgewählte Ware aus der Gattung muss mittlerer Art und Güte sein (oder auch –freiwillig- besser!).
Unter mittlerer Art und Güte versteht man, dass die Sache sich einwandfrei zum bestimmungsgemäßen Gebrauch eignet und die typische Durschnitts-Qualität des Produkts besitzt (Beispiel: Bananen dürfen weder zu grün, noch zu reif, noch zu klein sein- trotzdem: nicht jede XY-Banane muss eine „Chiquita“ sein- es sei denn, dass gerade das vereinbart wurde! -> siehe Abgrenzungsmerkmale).
Bei Schlechtlieferung kann der Gläubiger die Ware zurückweisen und Ansprüche aus § 437 BGB (Rechte des Käufers bei Mängeln) geltend machen (BGH NJW 67, 33).

Zu Abs. 2:

1. Konkretisierung
Durch die sogenannte Konkretisierung wird das Schuldverhältnis auf eine bestimmte Sache beschränkt, wenn der Schuldner das zur Leistung einer solchen Sache seinerseits Erforderliche getan hat. Aus der Gattungsschuld wird durch Konkretisierung eine Stückschuld (das spielt besonders im Rahmen der Prüfung der Unmöglichkeit nach § 275 BGB eine entscheidende Rolle, da dann lediglich ein Untergang der bestimmten Sache erforderlich ist und nicht der der gesamten Gattung!).
Eine Konkretisierung bei einer Gattungsschuld nach § 243 II BGB tritt ein, wenn

- der Schuldner eine Sache nach mittlerer Art und Güte ausgesondert,
- diese zur rechten Zeit am rechten Ort dem Gläubiger angeboten und
- die ihm laut Vertrag obliegende Leistungshandlung vorgenommen hat.

Das Aussondern stellt selten ein Problem dar und wird laut Sachverhalt meist ordnungsgemäß erfolgt sein.
Ob Leistungszeit, Leistungsort und Leistungshandlung vertragsgemäß eingehalten, bzw. vorgenommen wurden, ist hingegen ein häufig geprüftes Problem.
Wann dies der Fall ist gestaltet sich nämlich –je nach Vertragsausgestaltung- unterschiedlich.
a) Leistungszeit
Bezüglich der Leistungszeit können sich häufig Probleme ergeben, welche im Bereich der Abgabe der jeweiligen Erklärungen (Angebot und Annahme) der Vertragsparteien liegen.
Oft wird die Leistungszeit kalendarisch festgelegt sein (§§ 295, 296 BGB).
b) Leistungsort
Wann die vertraglich obliegende Leistungshandlung bezüglich des Verbringens an den richtigen Leistungsort erfüllt ist, hängt davon ab, wo dieser laut Vertrag sein soll.
Zu unterscheiden sind hier Holschuld, Bringschuld und Schickschuld.

- Bei der Holschuld nach § 269 I BGB muss der Gläubiger die geschuldete Leistung beim Schuldner abholen.
Gemäß § 269 I, II BGB gilt für Fälle, in denen ein Ort für die Leistung weder bestimmt noch aus den Umständen, insbesondere aus der Natur des Schuldverhältnisses zu entnehmen ist, dass die Leistung an dem Ort zu erbringen ist, an dem der Schuldner bei der Entstehung des Schuldverhältnisses seinen Wohnsitz hatte (bzw. nach Abs.2: die gewerbliche Niederlassung an Stelle des Wohnsitzes- bei Gewerbetreibenden).
Eine Konkretisierung tritt bei der Holschuld demnach mit dem Aussondern und Bereitstellen zur Leistungszeit durch den Schuldner statt.

- Eine Bringschuld liegt vor, wenn der Schuldner die Ware laut Vertrag zum Wohn- oder Geschäftssitz des Gläubigers bringen muss.
Bei der Bringschuld kommt es zur Konkretisierung, wenn der Schuldner seine Verpflichtung erfüllt, die Sache zur Wohnung oder zur geschäftlichen Niederlassung des Gläubigers zu bringen und diesem tatsächlich (!) angeboten hat.
Das wiederum bedeutet, dass der Schuldner auch für den Transport der Sache die Verantwortung trägt (ggf. Auch für Dritte nach § 278 BGB).
In Klausuren geht die Sache daher oft in diesen Fällen auf dem Transport unter.
Dies ist ein Zeichen dafür, dass verlangt wird eine Abgrenzung von Bring- und Schickschuld vorzunehmen.
„Liefern“ heißt (zumindest am Lehrstuhl Micklitz in Bayreuth seit Wintersemester 2002/03), bei Fehlen deutlicher Gegenargumente, dass eine Bringschuld vereinbart worden sein soll.
Im Zweifel liegt nach § 269 III BGB jedoch keine Bringschuld, sondern eine Schickschuld vor.

- Bei der Schickschuld hat der Schuldner bereits mit der ordnungsgemäßen Übergabe (angemessene Verpackung!) an den Spediteur alles seinerseits Erforderliche getan.
Das bedeutet wiederum, dass die Konkretisierung mit der Übergabe an den Spediteur/die Transportperson stattfindet. Der Schuldner ist bei der Schickschuld demnach –im Unterschied zur Bringschuld- nicht für den möglichen Untergang der Sache auf dem Transportweg verantwortlich (in diesem Fall kommt man dann zu dem Problem der Drittschadensliquidation!).
Eine Schickschuld liegt grundsätzlich beim Versenden von Waren im Handelsverkehr vor.

Fraglich ist, ob in diesen Fällen auch das Losschicken eines Mitarbeiters (z.B. zwecks Einsparung der Kosten des Spediteurs) wie eine Übergabe an einen Spediteur zu behandeln ist.

Eine genaue Risikoabwägung und eine Einbeziehung des § 447 BGB, insb. dessen Abs.2, ergibt m.A. nach eindeutig, daß hier ebenfalls eine Konkretisierung stattfindet (zumindest, wenn der eigene Mitarbeiter ähnliche Gewähr für einen sachgerechten Transport bietet wie ein Spediteur).

Der Schuldner sollte in diesen Fällen, in denen er durch Ersparnis der Speditionskosten quasie den Frachtführerlohn "verdient", nur so haften, wie auch ein Spediteur gegenüber dem Gläubiger haften würde, da kein Grund für eine Besserstellung des Gläubigers (meist: Käufers) ersichtlich ist.

Im Falle schuldlosen Untergangs während des Transports würde bei Ablehnung der Konkretisierung dem Schuldner aber mit der Nachlieferungspflicht eine wesentlich weitgehendere Verantwortlichkeit (im Innenverhältnis zum Gläubiger) anheimfallen.

c) weitere dem Schuldner obliegende Leistungshandlungen
Im Rahmen der Privatautonomie steht es den Vertragspartnern frei weitere, dem Schuldner obliegende Leistungshandlungen zu vereinbaren.

2. § 300 II BGB
Zu beachten ist, dass die Konkretisierung auch dann eintreten kann, wenn der Schuldner noch nicht alles seinerseits Erforderliche getan hat, wenn sich der Gläubiger im Annahmeverzug nach § 300 II BGB befindet.
Für das Vorliegen des Annahmeverzuges ist gleichgültig, ob dieser auf § 294 BGB, § 295 BGB oder § 296 BGB beruht (MüKo/ Ernst, Rn.4).