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BGB
Bürgerliches Gesetzbuch
§ 252 Entgangener Gewinn (Regelung seit 01.01.2002)
Der zu ersetzende Schaden umfasst auch den entgangenen Gewinn. Als entgangen gilt der Gewinn, welcher nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen, insbesondere nach den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen, mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte.
1. Allgemeines

1.1. Begriff:
Entgangener Gewinn sind alle Vermögensvorteile, welche im Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses noch nicht zum Vermögen des Geschädigten gehörten, die ihm ohne dieses Ereignis aber zugeflossen wären (BGH NJW 00, 2670).
Ein entgangener Gewinn kann durch die Schädigung einer Person oder einer Sache oder irgendeines Rechtes, nicht nur absoluter Rechte, eintreten. Darunter fällt aber nicht der Gewinn, der durch eine rechtswidrige Tätigkeit hätte erzielt werden können.
Entgehender Dirnenlohn hingegen dürfte inzwischen erstattungsfähig sein (anders noch: BGH 67, 119), da sich Moralvorstellungen und inzwischen auch die Gesetzeslage insoweit verändert haben.

1.2. Bei rechtswidrigen Verträgen ist entscheidend, ob das betreffende Gesetz ein Verbotsgesetz i.S.d. § 134 BGB ist. Bedarf das gewinnbringende Geschäft einer behördlichen Genehmigung, so kann entgangener Gewinn geltend gemacht werden, wenn auf Antrag die benötigte Genehmigung durch die Behörde erteilt worden wäre. So besteht keine Ersatzpflicht für entgangene Einkünfte aus Schwarzarbeit. Auch Gewinn der unter Verstoß gegen die guten Sitten erworben wird, ist nicht ersetzbar (z.B. Prostitution).

2. Aus § 252 S.2 BGB wird die Vermutung begründet, dass ein Kaufmann marktgängige Ware auch zu Marktpreisen absetzen kann (BGH, Urt. v. 22.12.1999 - VIII ZR 135/99). Demnach kann die Differenz eines niedrigeren Kaufpreises zum Marktpreis als entgangener Gewinn geltend gemacht werden.

3. Der entgangene Gewinn aus abhängiger Arbeit besteht im Gehalt nebst dem anteiligen Weihnachts- und Urlaubsgeld. Die Ersatzpflicht erstreckt sich auch die Zuschläge, die der Arbeitnehmer auf seine Tätigkeit erhält (z.B. Erschwerniszulagen). Nach dem Ende der Entgeltfortzahlung stehen dem Geschädigten je nach Berechnungsmethode der Brutto- oder Nettolohn als entgangener Gewinn zu. Dazu gehören auch die Beiträge zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung.

4. Bei Schädigung vor Eintritt des Geschädigten in den Beruf ist abzuschätzen, welche gewöhnliche berufliche Entwicklung der Geschädigte unter Berücksichtigung seiner persönlichen Fähigkeiten und Eigenschaften unter den Bedingungen des Arbeitsmarktes voraussichtlich durchlaufen würde (BGH, Urt. v. 20.4.1999 - VI ZR 65/98). Dabei ist vom durchschnittlichen beruflichen Erfolg auszugehen, verbleibende Risiken können mit gewissen Abschlägen berücksichtigt werden. Es müssen aber ausreichende Anhaltspunkte für die Bewertung der beruflichen Entwicklung vorhanden sein. Gibt es bei einem mit Verlust arbeitenden Unternehmer keine ausreichenden Anhaltspunkte für eine zukünftige Gewinnerzielung, muss bei der Prognose auch die Möglichkeit einer abhängigen Erwerbstätigkeit berücksichtigt werden. Auch bei Arbeitslosen ist i.d.R. anzunehmen, dass sie nicht auf Dauer erwerbslos sind.

5. Selbständige Tätigkeit, insbesondere bei Arbeitsunfähigkeit

Bei selbstständiger Arbeit ist die konkret festzustellende Gewinnminderung zu ermitteln.

Dies erfolgt zunächst durch den Vergleich der Betriebsergebnisse vor und nach dem Arbeitsausfall. Natürlich ist eine solche Berechnung lediglich in Fällen sehr gleichmäßiger Geschäftsgänge einigermaßen genau. Aber völlige Genauigkeit fordert § 252 S. 2 ja eindeutig nicht.

Die Gewinnminderung kann sich aber auch aus den Kosten für eine gleichwertige Ersatzkraft ergeben, wenn sich einer solchen bedient wurde.
Ob und inwieweit dies auch in Fällen, wo keine Ersatzkraft beschäftigt wurde möglich ist kann m.A. nach nur im Einzelfall beurteilt werden. Der BGH lehnt dies weitgehend ab, die Literatur ist nahezu einmütig anderer Ansicht (Pal.-Heinrichs, 62., § 252, Rn. 16, mwN).

Wurde der ausgefallene Arbeitgeber durch Partner, Mitarbeiter und Freunde/Verwandte teilweise ausgeglichen, sollte dies aber nicht dem Schädiger zugute kommen. Zumindest in diesen Fällen sollte zumindest eine Zahlung in Höhe des Gehaltes einer adäquaten Ersatzkraft erfolgen. Hierbei ist festzustellen, dass kurzfristig verfügbare Kräfte für einen begrenzten Zeitraum am ehesten über Personaldienstleister erhältlich sein dürften. Diese schlagen aber natürlich auf das übliche Gehalt des Beschäftigten ihre eigenen Verwaltungskosten, eine Risikoprämie (für Zeiten fehlender Nachfrage) und einen zu Recht kalkulierten Gewinn ein. Damit kostet eine solche Kraft deutlich mehr als eine fest angestellte Kraft kosten würde. Dies muß hingenommen werden, denn diese Aufwendungen sind ja real durch den Schädiger verursacht.

Eine rein abstrakte Berechnung des entgangenen Gewinns ohne Berücksichtigung der konkreten Umstände wird vom BGH allerdings abgelehnt (BGH NJW-RR 1992, 852).
An die Darstellung des naturgemäß lediglich hypothetischen Geschehens- und damit Gewinnverlaufes dürfen aber keine zu hohen Ansprüche gestellt werden. Gerade hier wird die Parallelität zu § 287 ZPO deutlich.

Am schwierigsten ist der Fall eines Selbständigen mit unregelmäßigen Einkünften, ohne Mitarbeiter und Ersatzkraft, also bei dem im Falle seiner Erwerbsunfähigkeit der Betrieb stillsteht. Aber auch hier kann es nicht sein, dass ein Vollbeweis für einen etwaigen Schaden erforderlich ist.
Erschwerend kommt hier dazu, dass eine Ersatzkraft in der Regel gar nicht in der Lage ist, einen solchen Alleinschaffenden zu ersetzen. Daher ist eine Erstattung der Kosten einer angestellten Ersatzkraft, auch wenn sie nicht angestellt wurde, oft nicht genügend, denn: Lebenserfahrung und Einkommensstatistiken lehren, dass Selbständige meist besser verdienen (bei wesentlich höherem durchschnittlichem Arbeitseinsatz) als gleich qualifizierte Angestellte (sonst würde sich niemand selbständig machen).
Diese Problematik sieht auch Staudinger-Schiemann, 13. Aufl. 1998, § 252, Rn. 44 (mit einigen Rechtsprechungsfundstellen), ohne hierzu klar Stellung zu beziehen.

Da nun eindeutig die Darlegungslast nicht überzogen werden darf und vorgenannte Feststellungen zur üblichen Einkommenslage kaum als falsch angegriffen werden dürften ist daher davon auszugehen, dass hier mehr als die Kosten einer Ersatzkraft zu ersetzen sind.

Jedenfalles aber sind die Kosten einer kurzfristig erreichbaren Ersatzkraft anzusetzen, auch wenn diese für einen kurzzeitigen Einsatz sicher nicht einen normalen Lohn sondern eine erhöhte BVergütung kosten würde.

6. Bei unentgeltlicher Tätigkeit (z.B. Hausfrau) ist der entgangene Gewinn durch die Kosten einer fiktiven Ersatzkraft festzustellen. Enthscheidend ist, ob die vereitelte Arbeitsleistung selbst einen Geldwert hat. Der Einsatz der Arbeitskraft muss dabei aber von großer Bedeutung für die Lebensführung des Geschädigten sein.

7. Der entgangene Gewinn kann konkret in allen Einzelpositionen gefordert werden. Da bei Unternehmen dabei u.U. auch interne Daten an die Öffentlichkeit gelangen könnten, steht dem Geschädigten auch die Möglichkeit der abstrakten Schadensberechnung zur Verfügung (siehe unter Vorbm. zu § 249 BGB).

8. Prozessuales
Der Geschädigte / Verletzte muss die Wahrscheinlichkeit einer nachhaltigen Erwerbsmöglichkeit nachweisen, welche ihm durch den Unfall entgangen ist (OLG Köln, Urt. v. 22.6.1999 - 15 U 67/98).
§ 252 S.2 BGB enthält insoweit eine § 287 ZPO ergänzende Beweiserleichterung für den Geschädigten. Unter Umständen kann also der Mindestschaden auf Basis einiger Indizien und sonstiger Anscheinsbeweise auch geschätzt werden. Der Gegenbeweis durch den Schädiger ist aber immer zulässig.

Maßgeblicher Zeitpunkt ist der der Erfüllung des Anspruches, im Prozess die letzte mündliche Verhandlung. Der Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses ist dagegen unerheblich.


Anregungen nimmt der Autor gerne entgegen. Bei Interesse ist die Aufnahme in die Kommentatorenliste auch anderen Personen (Juristen, insb. RAe) möglich. Kontaktaufnahme bitte über die Redaktion.

Diese Kommentierung beruht auf einer Vorarbeit des RA Thomas Weidel, Leipzig, als damaligem Mitarbeiter.
Stand dieser Bearbeitung: 30.09.2000
Urteile nach 02.01.2002, also nach Abschluss dieser Kommentierung