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BGB
Bürgerliches Gesetzbuch
§ 7 Wohnsitz; Begründung und Aufhebung (Regelung seit 01.01.2002)
(1) Wer sich an einem Ort ständig niederlässt, begründet an diesem Ort seinen Wohnsitz.

(2) Der Wohnsitz kann gleichzeitig an mehreren Orten bestehen.

(3) Der Wohnsitz wird aufgehoben, wenn die Niederlassung mit dem Willen aufgehoben wird, sie aufzugeben.
Wohnsitz natürlicher Personen - Wohnsitz als allgemeiner Gerichtsstand
1. Begriff

Der Wohnsitz der der räumliche Schwerpunkt der gesamten Lebensverhältnisse einer Person. Dabei ist der Wohnsitz die kleinste politische Einheit, also meist die Gemeinde, in welcher die Wohnung liegt.

Bei juristischen Personen tritt an die Stelle des Wohnsitzes der Sitz der juristischen Person (§ 24 BGB).

Vom Wohnsitz sind der Aufenthalt bzw. Aufenthaltsort (§ 20 ZPO), der Dienstliche Wohnsitz (§ 9 BGB) und die gewerbliche Niederlassung (§ 21 ZPO) zu unterscheiden.

2. Begründung

Durch die tatsächliche Niederlassung an einem Ort, verbunden mit dem Willen (§ 8 BGB), den Ort zum ständigen Schwerpunkt der Lebensverhältnisse zu machen (sogenannter "Domizilwille") begründet einen Wohnsitz (informativ zum "Wohnungswechsel", also beiden Seiten: BGH XI ZR 248/03 - Urteil vom 14.09.2004).

Der BGH führt aus:

"Die Begründung eines Wohnsitzes (§ 7 Abs. 1 BGB) setzt einen längeren Aufenthalt und einen Domizilwillen voraus, das heißt, der Betroffene muss den rechtsgeschäftlichen Willen haben, nicht nur vorübergehend zu bleiben und den Ort zum Mittelpunkt oder Schwerpunkt seines Lebens zu machen (vgl. Staudinger/Weick BGB (2004) § 7 Rdn. 3 ff; MünchKommBGB/J. Schmitt § 7 Rdn. 7 ff) "BGH 2 ARs 536/08 - Beschluß vom 09.12.2008).

Ähnlich, eher noch genauer das BVerwG:

Nach § 7 Abs. 1 BGB wird ... ein Wohnsitz durch die ständige Niederlassung an einem Ort begründet.

Das setzt in objektiver Hinsicht eine Niederlassung in dem Sinne voraus, dass der Schwerpunkt der Lebensverhältnisse am Ort der Aufenthaltnahme gebildet wird.

In subjektiver Hinsicht ist der Wille erforderlich, den Schwerpunkt der Lebensverhältnisse dort nicht nur vorübergehend, sondern dauernd beizubehalten (...).
BVerwG 5 C 59.01 - Urteil vom 30.05.2002).


2.1 Zur Niederlassung (nicht zu verwechseln mit dem Begriff der Niederlassung einer Unternehmung, siehe z.B. § 21 ZPO!):

Dies ist ein objektives Kriterium.

Dabei ist im Einzelfall auf die Umstände der Niederlassung abzustellen. So führt der Aufenthalt am Studienort nicht zwingend zur Begründung eines neuen Wohnsitzes (BVerwG 5 C 59.01 - Urteil vom 30.05.2002).

Zwingend erforderlich dürfte eine dem Besitz des Betroffenen unterliegende Schlafstelle sein.

Briefkasten, Telefon, etc. sind sicher nur Indizien.

Ein Büro genügt keinesfalles.


2.2 Zum Domizilwillen:

"Der Betroffene muss den rechtsgeschäftlichen Willen haben, nicht nur vorübergehend zu bleiben und den Ort zum Mittelpunkt oder Schwerpunkt seines Lebens zu machen BGH 2 ARs 536/08 - Beschluß vom 09.12.2008 (mwN.)).

Er muß nicht nur innerlich bestehen sondern auch erkennbar sein - zumindest "für einen mit den Verhältnissen vertrauten Beobachter" (BGH XI ZR 248/03 - Urteil vom 14.09.2004 für den entgegengesetzten Akt der Wohnungsaufgabe).

Indizien können Anmeldung/ fehlende Anmeldung bei dem Einwohnermeldeamt sein, Anknüpfung neuer persönlicher Beziehungen mit Personen, die am Orte wohnen, Vereinsbeitritte, etc.

Wer sich aus zwingenden beruflichen Gründen an einem Orte aufhält, dort aber möglichst wenige Niederlassungsmerkmale aufbaut, weil er demnächst an anderer Stelle eingesetzt zu werden meint und gleichzeitig einen anderen Wohnsitz hat (z.B. bei Ehefrau und Kindern in einiger Entfernung) will offensichtlich gerade nicht dauerhaft den Mittel- oder Schwerpunkt seines Lebens an diesem Orte bilden. Dieser Mensch wartet auf einen Wechsel.

Angeknüpft wird an diesen Willen zur dauerhaften Residenz z.B. im Rahmen der ZPO bei der örtl. Zuständigkeit einer Klage. Meist ist da die Klage beim Wohnsitz des Beklagten (als seinem regelmäßigen allgemeinen Gerichtsstand) einzureichen (§§ 12, 13 ZPO), damit derselbe nicht unnötig belastet wird. Dieser Schutzzweck wird aber nur bei einem dauerhaften Aufenthalt im Rahmen des Privatlebens erreicht, da der Prozeß oft erst einige Zeit nach dem Vorfall beginnt und dann ziemlich lange dauern kann. Der Gerichtsstand des Wohnsitzes ist also nur angebracht, wenn mit einer dauerhaften Anwesenheit des Beklagten am Orte als Lebensschwerpunkt zu rechnen ist/war. Auch eine dauerhafte Anwesenheit zu beruflichen Zwecken rechtfertigt diesen Schutzgedanken nur unvollständig, weil der Prozeß mit Brückentagen, etc, eine unnötige längere Abwesenheit vom Lebensschwerpunkt = Zuhause erforderte. Deshalb sollte auch § 20 ZPO, der an einen längeren Aufenthalt zu bestimmten beruflichen Zwecken anknüpft, sehr zurückhaltend ausgelegt werden.

Anders sieht es bei der Zustellung aus. Diese ist ein einmaliger Akt (der evtl. mehrfach wiederholt werden muß, klar, aber jede Zustellung an sich ist punktuell). Dafür genügt die punktuell gegebene Anwesenheit/ Erreichbarkeit. Dafür ist deshalb z.B. auch ein vorübergehender Aufenthalt bzw. ein Unterhalten eines Büros genügend im Moment der Zustellung (§§ 177, 178 ZPO).


2.3 Sonderfälle

a.) Bei Geschäftsunfähigen und beschränkt Geschäftsfähigen erfolgt die Begründung des Wohnsitzes durch den gesetzlichen Vertreter (§§ 8,11 BGB).

b.) Exterritoriale Personen haben ihren allgemeinen Gerichtsstand im Inland nach § 15 ZPO, soweit vorhanden ist dies der letzte inländische Wohnsitz.

c.) Ein staatl. Verbot den Wohnsitz zu wechseln steht dessen Begründung nicht im Wege. Allerdings gilt der alte Wohnsitz als weiterbestehend, da die Person keine Vorteile aus der rechtswidrigen Tat ziehen darf.


3. Aufhebung

Die Aufhebung setzt den Willen voraus, die Niederlassung und den Lebensmittelpunkt aufzuheben. Dafür ist auch ein schlüssiges Verhalten ausreichend. (informativ zum "Wohnungswechsel", also beiden Seiten: BGH XI ZR 248/03 - Urteil vom 14.09.2004)

Der Aufhebungswille allein reicht nicht aus, wenn die Niederlassung am Ort tatsächlich bestehen bleibt.

4. Doppelwohnsitz

Die Begründung eines Doppelwohnsitzes widerspricht etwas dem Wortlaut der von der Rechtsprechung entwickelten Definition. Wer dauerhaft einen Lebensschwerpunkt bildet, kann dies eigentlich schlecht an mehreren Orten zun, denn "den Lebensschwer- oder mittelpunkt" gibt es natürlich zu einer bestimmten Zeit nur ein mal.

Dennoch wird die Bildung mehrerer zeitgleich bestehender Wohnsitze als möglich angesehen. Dies setzt voraus, daß an zwei Orten dauernde Niederlassungen unterhalten werden, welche gleichermaßen den Lebensmittelpunkt der Person bilden sollen.

Dieser sprachliche Widerspruch belegt schon, daß man mit derlei Annahmen vorsichtig sein sollte (anders die Praxis).

Natürlich kann man leicht mehrere "Niederlassungen", also im Zweifelsfalle Wohnungen, begründen (wenn man über die Mittel verfügt).

Aber den Willen, an mehreren Orten gleichzeitig und dauerhaft "den" Lebensschwer- oder mittelpunkt zu haben kann es wohl nur unter besonderen Umständen geben und ein solcher ist demnach gegebenenfalles zu belegen.