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GmbHG
GmbH-Gesetz
Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung
(1) Die Verteilung darf nicht vor Tilgung oder Sicherstellung der Schulden der Gesellschaft und nicht vor Ablauf eines Jahres seit dem Tage vorgenommen werden, an welchem die Aufforderung an die Gläubiger (§ 65 Abs. 2) in den öffentlichen Blättern zum dritten Male erfolgt ist.

(2) Meldet sich ein bekannter Gläubiger nicht, so ist der geschuldete Betrag, wenn die Berechtigung zur Hinterlegung vorhanden ist, für den Gläubiger zu hinterlegen. Ist die Berichtigung einer Verbindlichkeit zur Zeit nicht ausführbar oder ist eine Verbindlichkeit streitig, so darf die Verteilung des Vermögens nur erfolgen, wenn dem Gläubiger Sicherheit geleistet ist.

(3) Liquidatoren, welche diesen Vorschriften zuwiderhandeln, sind zum Ersatz der verteilten Beträge solidarisch verpflichtet. Auf den Ersatzanspruch finden die Bestimmungen in § 43 Abs. 3 und 4 entsprechende Anwendung.
Die Vorschrift ist zwingend (auch nicht mit Zustimmung aller Gläubiger zu umgehen) und eine der wesentlichsten Gläubigerschutzbestimmungen in der Liquidation. Sie bewirkt über die Bestimmungen der §§ 30, 32a und 32b hinaus, auch bei ausreichenden Rücklagen eine totale Ausschüttungssperre an die Gesellschafter. Sie ergänzt § 72, indem sie dessen Voraussetzungen festlegt, nämlich Ablauf des Sperrjahres und Befriedigung oder Sicherstellung aller Verbindlichkeiten (Abs.1). Die Gläubiger sollen ein Jahr Zeit haben, um sich mit ihren Ansprüchen beim Liquidator "bekannt" zu machen und so vor jeglichem Abfluss des Gesellschaftsvermögen an die Gesellschafter Befriedigung zu erlangen.

Nicht von der Sperre erfasst sind jedoch die Drittgläubigeransprüche der Gesellschafter, wozu beispielsweise auch solche Dividendenansprüche erstarkt sind, die vor der Auflösung durch ordnungsgemäßen Gesellschafterbeschluss entstanden sind. Dagegen ist für Gesellschafterdarlehen gegebenenfalls die Sperre der §§ 32a, 32b zu beachten. Auch die §§ 30 und 31 sind neben § 73 anwendbar, so dass ein gleichzeitiger Verstoß gegen diese Vorschriften möglich ist. Während bei einer Verletzung nur des § 73 ein Anspruch auf Rückgewähr nach § 812 BGB besteht, greift bei gleichzeitiger Verletzung der §§ 30, 31 die strengere Rückeinlagepflicht der Gesellschafter ein.

1. Der Beginn der absoluten Leistungssperre an die Gesellschafter (sogenanntes "Sperrjahr") liegt im Zeitpunkt der Auflösung und sie endet nach Abs.1 ein Jahr nach dem tatsächlichen Ausgabetag desjenigen Gesellschaftsblattes, in welchem die dritte Aufforderung an die Gläubiger nach § 65 II erschienen ist. Bei mehreren Blättern ist das letzte entscheidend. Das sogenannte "Sperrjahr" kann also auch länger als ein Jahr sein. Bei Ablauf des Sperrjahres ist der Liquidator nicht mehr zur Zurückhaltung des Gesellschaftsvermögens verpflichtet. Gleichwohl ist eine bereits begonnene Verteilung bei Meldung eines bisher unbekannten Gläubigers zu unterbrechen und zunächst seine berechtigte Forderung zu erfüllen oder sicherzustellen (Abs.1). Das Sperrjahr stellt nämlich keine Ausschlussfrist dar.

2. Die Vorschrift des Abs.2 beinhaltet Regelungen zur Abwicklung der Gesellschaftsschulden und unterscheidet hierbei in bekannte und unbekannte Gläubiger, sowie in ausführbare, unausführbare, streitige und unstreitige Verbindlichkeiten. Mit "bekannten Gläubigern" sind eigentlich die "bekannten Forderungen" gegen die Gesellschaft gemeint. Diese müssen dem Liquidator im Wesentlichen nach Grund und Höhe bekannt sein. Jedoch dürfen nicht zu geringe Anforderungen an die Sorgfalt der Liquidatoren bei der Ermittlung von Verbindlichkeiten gestellt werden. Vielmehr haben sie Buchhaltung und Korrespondenz der letzten Jahre auf Anhaltspunkte für bestehende Verbindlichkeiten durchzusehen und diesen nachzugehen. Unter Umständen ist aber auch dann zu hinterlegen, wenn zwar die Person des Gläubigers unbekannt, aber die Verbindlichkeit aufgrund einer verbrieften Forderung, insbesondere bei Inhaber- und Orderpapieren, sicher ist. Vom Liquidator nach der Auflösung selbst begründete Verbindlichkeiten sind auch ohne Meldung bekannt. Auch sonst ist die Meldung des Gläubigers nach § 65 II nicht Voraussetzung für die "Bekanntheit" seiner Forderung, dient ihm aber als Nachweis hierfür.

Sind die bekannten Verbindlichkeiten unstreitig und fällig, sind sie zu erfüllen, egal ob sich der bekannte Gläubiger gemeldet hat oder nicht.

Für Verbindlichkeiten, die streitig oder derzeit nicht ausführbar (z.B. bedingt, betagt, Person des Gläubigers unbekannt, Annahmeverzug) sind, kann der Liquidator wahlweise gem. §§ 372-386 BGB und HinterlO beim Amtsgericht des Leistungsortes (§§ 269, 270 BGB) hinterlegen oder nach den §§ 232-240 Sicherheit leisten. Ob die Stellung eines tauglichen Bürgen nach § 232 II BGB ausreicht ist streitig. Dies ist jedenfalls nur subsidiär zulässig und wird wohl zumindest hinsichtlich der Bürgschaft einer deutschen Großbank oder Sparkasse auch allgemein als ausreichend und zulässig angesehen. Die Hinterlegung kann mit einer den Gläubiger befriedigenden Wirkung, nämlich unter Verzicht auf eine Rücknahme (§ 378 BGB) oder ohne einen solchen Verzicht erfolgen, was die Wirkung einer Sicherheitsleistung hätte (§§ 379, 232 BGB). Besonders schwierig ist die Behandlung der Pensionszusagen, welche noch nicht fällig und wegen der Anpassungspflicht des § 16 BetrAVG zur Zeit der Höhe nach unbekannt sind. Hier bleibt nur die Absicherung durch eine Versicherungsgesellschaft gegen die Zahlung einer Einmalprämie aufgrund versicherungsmathematischer Berechnung übrig.

Die Liquidatoren haben nach den Grundsätzen des § 70 zu verfahren. Eine besondere Rangfolge unter den Gläubigern besteht nicht, auch nicht für neue Gläubiger. Der Liquidator kann die Gläubiger also in der Reihenfolge ihrer Meldung befriedigen. Auch die Befriedigung noch nicht fälliger Verbindlichkeiten ist prinzipiell möglich (§ 271 II BGB). Dringliche Forderungen, insbesondere nötige Liquidationskosten, können vorab befriedigt werden. Sobald die Liquidatoren die Gesellschaft jedoch für überschuldet halten, haben sie das Insolvenzverfahren zu beantragen (§ 64). Liegt hingegen nach Überprüfung noch keine Überschuldung vor, sollten bei bestehenden Bedenken bezüglich eines späteren Eintretens derselben vorsichtshalber quotenmäßige Teilzahlungen an die Gläubiger geleistet werden. Dies gilt vor allem für Steuerschulden, da der Liquidator für diese nach § 69 AO haftet und der BFH eine gleichmäßige Befriedigung wie im Konkurs verlangt (siehe hierzu auch unter § 70).

3. Hat sich ein unbekannter Gläubiger nicht vor Ablauf des Sperrjahres bei der Gesellschaft gemeldet, ist er nur dann zu berücksichtigen, wenn noch nicht der gesamte Liquidationsüberschuss verteilt und noch verteilungsfähiges Vermögen vorhanden ist. Anderenfalls hat ein solcher Gläubiger weder Ersatzansprüche gegen den Liquidator noch gegen die begünstigten Gesellschafter.

4. Als vorbeugende Maßnahmen gegen ein vorzeitige Verteilung des Gesellschaftsvermögens unter Verstoß gegen § 73 können die Gläubiger einen dinglichen Arrest gegen die GmbH nach §§ 916 ff ZPO ausbringen oder aber aus § 73 i.V.m. §§ 823 II, 1004 BGB gegen sie bzw. den Liquidator persönlich auf Unterlassung klagen und gegebenenfalls eine einstweilige Verfügung dafür beantragen.

5. Bei einer Verletzung dieser Vorschriften durch die Liquidatoren, haften diese der Gesellschaft gem. Abs.3 solidarisch auf Ersatz. Sie können sich nicht mit einem ihren Handlungen zugrunde liegendem Weisungsbeschluss der Gesellschafter entlasten, sondern müssen notfalls ihr Amt niederlegen. Mit "diesen" Vorschriften sind die Bestimmungen der Abs.1 und 2 gemeint. Haben die Liquidatoren den Ablauf des Sperrjahres abgewartet und ist Befriedigung aller bekannten Verbindlichkeiten oder Sicherstellung bzw. Hinterlegung für diese erfolgt, bestehen daher keinerlei Ansprüche gegen sie. Wurden hingegen diese Bestimmungen verletzt, kann in dem Verstoß gegen § 73 auch gleichzeitig ein solcher gegen die §§ 30, 31 liegen, da die dortige Sperre erst mit der Zulässigkeit der Vermögensverteilung nach § 73 entfällt. Gleichwohl sind etwaige vorzeitige Leistungen an die Gesellschafter wirksam, sofern es sich nicht um ein bewußt schädigendes Verhalten (§§ 138, 826 BGB) handelt. Die Bestimmung des § 134 BGB wird hier durch Abs.3 ersetzt.

Der Anspruch der Gesellschaft gegen den Liquidatoraus Abs.3 i.V.m. § 43 geht auf den Ersatz der zu Unrecht verteilten Beträge bzw. Sachwerte. Die Gesellschaft soll in die Lage versetzt werden, diese Beträge an die entgegen § 73 übergangenen Gläubiger (nicht an unbekannte, sich nach Sperrfristablauf und Verteilung meldende Gläubiger) leisten zu können. Der Anspruch ist ein Schadenersatzanspruch und erfordert Verschulden. Der Höhe nach ist er durch die übergangene Forderung und den zu Unrecht verteilten Betrag begrenzt. Sind mehrere Liquidatoren vorhanden, haften diese als Gesamtschuldner gemäß §§ 421 ff BGB. Die Geltendmachung des Anspruchs setzt einen Gesellschafterbeschluss nach § 46 Nr.8 voraus, es sei denn er wurde von einem Gläubiger gepfändet und ihm zur Einziehung überwiesen oder durch den Konkursverwalter geltend gemacht. Die Verjährungsfrist beträgt 5 Jahre (Abs.3 S.2, § 43 IV)


Ob ein eigener Anspruch des Gläubigers gegen den Liquidator aus § 73 i.V.m. §§ 823, 1004 BGB besteht ist umstritten, wird aber wohl von der überwiegenden Meinung bejaht, da § 73 als zentrale Gläubigerschutzregel ebenso wie §§ 30 und 64 Schutzvorschrift i.S.d. § 823 II BGB ist. Jedoch ist dieser Anspruch subsidiär zu einer Geltendmachung des Anspruchs nach Abs.3 durch die Gesellschaft selbst, vertreten durch ihren Liquidator. Diesem muss also eine angemessene Frist zu einem entsprechenden Vorgehen gesetzt werden.
Der Fiskus nimmt als Gläubiger gemäß § 69 AO eine Sonderstellung ein. Die Liquidatoren haften ihm gegenüber persönlich, wenn sie grob fahrlässig oder vorsätzlich nicht die Steuerschulden der GmbH vor der Verteilung befriedigt oder sichergestellt haben.

Daneben können auch Ansprüche der Gesellschaft gegen ihre Gesellschafter bestehen. Diese richten sich bei einem gleichzeitigen Verstoß der § 73 widersprechenden Verteilung gegen die Kapitalerhaltungsvorschriften nach der strengen Rückeinlagepflicht des § 31. Die Rückeinlagepflichten der Gesellschafter in der Liquidation bestehen jedoch nur, soweit sie zur Befriedigung der Gläubiger notwendig ist (KG, Urt.v.20.12.1999 – 2 U 6691/98; nach LG Berlin). Für diesen Anspruch gilt eine 5-jährige Verjährungsfrist (§ 31 V, VI). Im übrigen hat die GmbH hinsichtlich der Leistungen, die ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 73 und damit ohne Fälligkeit des Anspruchs auf Liquidationsüberschuss an die Gesellschafter erfolgt sind, gegen dieselben einen Rückgewähranspruch gemäß §§ 812 ff BGB. Dieser Anspruch kann auch durch Entreicherung (§ 818 III BGB) gemindert sein. Auch hier ist nach h.M. im Regelfall eine 5-jährige Verjährungsfrist wie bei der schärferen Vorschrift des § 31 anzunehmen.

Keine Ansprüche bestehen seitens der Gläubiger gegen die Gesellschafter, da diese aus dem Vermögen der Gesellschaft, aber nicht aus dem der Gläubiger bereichert sind.

Unmittelbare Ansprüche der nicht befriedigten gegen die befriedigten Gläubiger bestehen nicht. Allenfalls kann den befriedigten Gläubigern aufgrund einer Insolvenz- oder Gläubigeranfechtung wieder etwas entzogen werden.

Hat der Liquidator Ersatz geleistet, steht ihm ein Rückforderungsrecht gegen die Gesellschafter zu. Zwar ist dies eigentlich ein Anspruch der GmbH, jedoch kann der Liquidator, welcher anstelle der GmbH vom Gläubiger oder von der GmbH nach Abs.3 in Anspruch genommen wurde, Abtretung dieses Anspruchs gegen die Gesellschafter verlangen. Die Abtretung unterliegt als Erfüllung einer Verbindlichkeit nicht dem Verbot des § 181 BGB, so dass sich der Liquidator den Anspruch in Vertretung der GmbH selbst abtreten kann.

Prozessuales:

Die Beweislast für die Kenntnis der Gesellschaft von der Forderung trägt der Kläger, also die Gesellschaft oder der pfändende Gläubiger. Hinsichtlich des Verschuldens trägt hingegen der Liquidator die Beweislast.