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GG
Grundgesetz
Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland
Art. 34 (Regelung seit 23.05.1949)
Verletzt jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht. Bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit bleibt der Rückgriff vorbehalten. Für den Anspruch auf Schadensersatz und für den Rückgriff darf der ordentliche Rechtsweg nicht ausgeschlossen werden.
Abgelehnte Änderung zu Art. 34 GG (1978)

Gang der Gesetzgebung:


1. Bundesrat - Gesetzentwurf Bundesregierung 26.05.1978 Drucksache 214/78
Zuweisung: RechtsA (fdf), FinanzA, InnenA

2. Bundesrat - Empfehlungen RechtsA (federführend); FinanzA; InnenA 22.06.1978 Drucksache 214/1/78
RechtsA: u.a. Änderungsvorschläge - FinanzA, InnenA: keine Einwendungen

3. Bundesrat - Antrag BW; RPF 05.07.1978 Drucksache 214/2/78
Änderungsvorschläge

4. Bundesrat - Antrag BAY 06.07.1978 Drucksache 214/3/78
Stellungnahme

1. Durchgang


5. Bundesrat - Plenarprotokoll 461/78 07.07.1978 S. 232D-233A, 259B-263A/Anl
protokollierte Berichterstattung: Dr. Wicklmayr, LMin, Rechtspflege u.Bundesangel SL, RechtsA S. 259B-261B/Anl
protokollierte Rede: Dr. de With, PStSekr BMJ S. 261B-262B/Anl; Dr. Hartkopf, StSekr BMI S. 262B-263A/Anl
Beschluß: S. 233A - Stellungnahme: u.a. Änderungsvorschläge

6. Bundestag - Stellungnahme Bundesrat 07.07.1978 Drucksache 214/78 (Beschluß)

7. Bundesrat - Gesetzentwurf Bundesregierung 05.09.1978 Drucksache 08/2080
Anlage: Stellungnahme Bundesrat und Gegenäußerung Bundesregierung

1. Beratung


8. Bundestag - Plenarprotokoll 08/107 28.09.1978 S. 8436B, C-8444D
zusammenberaten mit: Staatshaftungsgesetz; s. Staatshaftungsgesetz BR Drucksache 215/78
Redner: Dr. Vogel, BMin BMJ S. 8436C-8438C; Dr. Klein (Göttingen), CDU/CSU S. 8438C-8440C; Frau Dr. Däubler-Gmelin, SPD S. 8440C-8443A; Kleinert, FDP S. 8443B-8444D
Zwischenfrage: Dr. Klein (Göttingen), CDU/CSU S. 8441B-C; Erhard (Bad Schwalbach), CDU/CSU S. 8442B
Beschluß: S. 8444D - Überweisung: RechtsA (federführend), InnenA

9. Bundestag - Beschlußempfehlung RechtsA 19.05.1980 Drucksache 08/4028
Fünfunddreißigstes Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes

10. Bundestag - Bericht RechtsA 21.05.1980 Drucksache 08/4036



A. Bundestag - Gesetzentwurf Bundesregierung, 05.09.1978, Drucksache 08/2080


(Konsoliderte Fassung, enthält die Stellungnahme des BUndesrates und die Gegenäußerung der BUndesregierung als Anhang)

Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes

A. Zielsetzung
Die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für die Reform des Staatshaftungsrechts müssen geschaffen werden. Die Staatshaftung soll als wesentliche rechtsstaatliche Institution verfassungsrechtlich abgesichert werden. Ferner ist verfassungrechtlich die Zusammenfassung des gerichtlichen Rechtsschutzes bei den für die Rechtmäßigkeitskontrolle öffentlicher Gewalt zuständigen Gerichtszweigen zu ermöglichen.

B. Lösung
Die Haftung des Staates für pflichtwidrige Ausübung vollziehender und rechtsprechender Gewalt wird als Verfassungsinstitut gewährleistet. Die grundgesetzliche Zuweisung von Rechtsstreiten aus Amtspflichtverletzung und enteignungsgleichem Eingriff in den ordentlichen Rechtsweg wird in eine allgemeine Rechtsweggarantie umgewandelt, um den Rechtsschutz gegen rechtswidrige öffentliche Gewalt bei den Gerichtsbarkeiten zusammenfassen zu können, denen die Rechtmäßigkeitskontrolle auch im übrigen anvertraut ist.

Die nähere Ausgestaltung der Staatshaftung wird dem Bundesgesetzgeber übertragen. Er kann auch die Haftung für Tumultschäden oder andere schwere Störungen der öffentlichen Sicherheit bundeseinheitlich regeln.

Die Länder können ihre Staatshaftungsausgaben insoweit vom Bund erstattet verlangen, als diese durch rechtswidriges Verhalten des Bundes verursacht worden sind.

C. Alternativen
keine

D. Kosten
keine



Bundesrepublik Deutschland
Der Bundeskanzler
Bonn, den 5. September 1978


An den Herrn
Präsidenten des Deutschen Bundestages

Hiermit übersende ich den von der Bundesregierung beschlossenen Entwurf eines ... Gesetzes zur Anderunq des Grundgesetzes mit Begründung und Vorblatt (Anlage 1). Ich bitte, die Beschlußfassung des Deutschen Bundestages herbeizuführen.

Die Vorlage ist von dem Bundesminister der Justiz und dem Bundesminister des Innern gemeinsam erstellt worden.

Der Bundesrat hat in seiner 461. Sitzung am 7. Juli 1978 gemäß Artikel 76 Abs, 2 des Grundgesetzes beschlossen, zu dem Gesetzentwurf wie aus der Anlage 2 ersichtlich Stellung zu nehmen.

Die Auffassung der Bundesregierung zu der Stellungnahme des Bundesrates ist in der Gegenäußerung (Anlage 3) dargelegt.

Schmidt


1. Vorschlag:


Artikel 1

Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland wird wie folgt geändert:

1. ...(Zu Art. 14 GG)

2. Artikel 34 erhält folgende Fassung:

"Artikel 34

(1) Die Haftung der vollziehenden und der rechtsprechenden Gewalt für die Verletzung von Pflichten des öffentlichen Rechts, die ihnen anderen gegenüber obliegen, wird gewährleistet. Bei vorsätzlicher oder grobfahrlässiger Pflichtverletzung bleibt der Rückgriff vorbehalten. Im Streitfalle steht der Rechtsweg offen.

(2) Das Nähere über Inhalt und Umfang der Haftung regelt ein Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf."

Artikel 2

Dieses Gesetz tritt am 1. Januar 1982 in Kraft.



2. Begründung zur Änderung des Art. 34 GG:


A. Allgemeiner Teil

Die Verantwortung des Staates für fehlerhaft ausgeübte Staatsgewalt findet erstmals ihren verfassungsrechtlichen Ausdruck in Artikel 131 der Weimarer Reichsverfassung. Mit dieser Norm hat das Institut der Staatshaftunq verfassungsrechtlich seine noch heute maßgebliche Ausprägung erhalten.

1. Staatshaftung und Verfassung

Ausgangspunkt der Entwicklung war zunächst die rein privatrechtliche Beamtenhaftung des 19. Jahrhunderts. Nach der in dieser Zeit herrschenden Mandatstheorie wurde das Beamtenverhältnis als ein privatrechtliches Vertragsverhältnis angesehen und die Amtspflichtverletzungen des Beamten allein dem sein Mandat überschreitenden Amtsträger zur Last gelegt, der gegen den Willen des Staates tätig wurde und daher seinen Dienstherrn insoweit nicht vertreten konnte. Diese Auffassung lag schon dem Preußischen Allgemeinen Landrecht von 1794 zugrunde, bildete aber auch noch die Rechtfertigung für § 839 des Bürgerlichen Gesetzbuchs von 1896, obwohl das Beamtenverhältnis zu dieser Zeit bereits als Rechtsverhältnis des öffentlichen Rechts entwikkelt worden war. § 839 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, der die Eigenverantwortlichkeit des Beamten reichseinheitlich als Sondertatbestand des Rechts der unerlaubten Handlungen privatrechtlich regelte, unterscheidet nicht zwischen privatrechtlichen und hoheitlichen Amtspflichtverletzungen und macht in beiden Tätigkeitsbereichen allein den Beamten persönlich haftbar. Eine Haftung des Staates kennt das Bürgerliche Gesetzbuch nur bei fiskaliehern Handeln des Beamten dann, wenn der Beamte verfassungsmäßig berufener Vertreter im Sinne der §§ 89, 31 BGB ist.

Unter dem Eindruck der immer stärker werdenden Forderung nach einer Haftung des Staates im hoheitlichen Bereich gestattete der Reichsgesetzgeber in Artikel Ti des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch den Ländern, eine Haftung auch des Staates selbst einzuführen. Einige Länder machten davon Gebrauch und ließen anstelle des Beamten den Staat haften, sahen also eine mittelbare Haftung des Staates vor. Andere Länder ließen lediglich eine subsidiäre Haftung des"Staates neben der Beamtenhaftung zu. Eine dritte Ländergruppe hielt weiterhin die bloße persönliche Beamtenhaftung für ausreichend. 1897 wurde reichsgesetzlich zunächst die lJbernahme der persönlichen Haftung der Grundbuchbeamten für Fehler bei der Verwaltung der Grundbücher durch den Staat angeordnet. Im Jahre 1910 begründete das Reichsbeamtenhaftungsgesetz dann die mittelbare Staatshaftung für Amtspflichtverletzungen der Reichsbeamten.

Artikel 131 der Weimarer Reichsverfassung schloß diese Entwicklung der Staatshaftung inhaltlich durch Bestätigung der einfachgesetzlichen Regelung des Reichsbeamtenhaftungsgesetzes ab, verlieh dem Reichsinstitut selbst Verfassungsrang und beseitigte das bestehende Haftungsgefälle in Reich und Ländern durch Vereinheitlichung der Staatshaftungsvoraussetzungen über den Amtshaftungstatbestand des § 839 BGB und die unmittelbar geltende Uberleitunq der persönlichen Haftung des Beamten auf den Staat unter Beseitigung aller landesgesetzlichen Einschränkungen.

Artikel 34 der Grundgesetzes hat die bestehende staatshaftungsrechtliche Verfassungslage mit geringfügigen Anderungen übernommen. Die Uberleitunq der Haftung auf den Staat wird auf alle Personen ausgedehnt, die in Ausübung eines öffentlichen Amtes Pflichtverletzungen begehen. Das Rückgriffsrecht des Staates gegen den fehlsam handelnden Beamten wird auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt. Eine Ermächtigung zur Ausführungsgesetzgebung ist nicht mehr vorgesehen. Artikel 34 des Grundgesetzes berücksichtigt damit im wesentlichen die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Auslegufig des Artikels 131 der Weimarer Reichsverfessung. Das Grundgesetz vollzieht aber noch nicht den Schritt von der mittelbaren zur unmittelbaren Staatshaftung, sondern beläßt es bei der Ubemahme der persönlichen Haftung des Beamten durch den Staat. Die strukturellen Schwächen der mittelbaren Staatshaftung bleiben erhalten. Die Haftung für fehlerhaft ausgeübte Staatsqewalt bedeutet nicht das Einstehenmüssen im Sinne einer Eigenverantwortung des Staates, sondern nur Ubernahme der zivilreditlichen persönlichenHaftunq des Amtswalters im Sinne übernommener Fremdhaftung. Rechtswidrige unmittelbare Eingriffe von hoher Band in existenzielle Rechtsgüter der Bürger, wie Leben, Gesundheit, Freiheit und Eigentum, die im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Haftungsinstitute der Aufopferung und des enteignungsgleichen Eingriffs unabhängig von der zivilrechtlichen Haftung des Beamten die Staatshaftung auslösen, können in die Struktur des Artikels 34 des Grundgesetzes nicht eingeordnet werden. Entsprechendes gilt für den Folgenbeseitigungsanspruch.

Artikel 34 des Grundgesetzes garantiert als Zuweisungsnorm lediglich einen Bestand von einfachgesetzlichen haftungsausfüllenden Normen, ohne deren Regelungsgehalt im einzelnen zu bestimmen. Die bedeutsamste Ausfüllungsnorm bleibt § 839 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, der Voraussetzung, Art und Umfang der Haftung für Amtspflichtverletzungen festlegt. Diese zivilrechtliche Zuordnung des Haftungstatbestandes prägt die geltende Staatshaftung in eigenartiger Weise. Die vorwerfbare Amtsführung bleibt als persönliches deliktisches Verschulden Grundvoraussetzung auch der Haftung des Staates.

Das zum persönlichen Schutze des Amtswalters gewährte Privileg, bei fahrlässigen Amtspflichtverletzungen nur subsidiär, also erst nach anderen Ersatzverpflichteten zu haften, bleibt auch Staatsprivileg. Der Schadensausgleich im Wege hoheitlicher Maßnahmen (Naturalrestitution) anstelle von Geldersatz ist nach wie vor verwehrt, weil der amtspflichtwidrig handelnde Beamte außerhalb seiner Amtsbefugnisse tätig geworden und damit als Privatperson zur hoheitlichen Restitution außerstande ist. Artikel 34 des Grundgesetzes übernimmt ferner die verfassungsrechtliche Zuweisung von Staatshaftungsklagen in den ordentlichen Rechtsweq mit der Folge, daß die Uberprüfunq der Rechtmäßiqkeit ausgeübter öffentlicher Gewalt und die Wiedergutmachung schädigender Folgen rechtswidriger öffentlicher Gewalt hinsichtlich ein und desselben Lebenssachverhalts nicht. in einem Rechtsweg und durch ein und dasselbe Gericht vorgenommen werden können; die Aufhebung der rechtswidrigen Akte öffentlicher Gewalt selbst bleibt grundsätzlich der Verwaltungsgerichtsbarkeit vorbehalten.

2. Staatshartung als veriassungsrechtliche Institutsgarantie

Die Ausübung aller Staatsgewalt der Bundesrepublik Deutschland ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die Ausübung der vollziehenden und der rechtsprechenden Gewalt darüber hinaus ausdrücklich an Gesetz und Recht gebunden (Artikel 20 Abs. 3 des Grundgesetzes). Das in dieser Bindung zum Ausdruck kommende Rechtsstaatsprinzip findet in der Rechtsschutzgarantie des Artikels 19 Abs. 4 des Grundgesetzes eine spezifische Ausprägung. Die gerichtliche Kontrolle der ausgeübten vollziehenden Gewalt auf ihre Rechtmäßigkeit hin wird verfassungsrechtlich gewährleistet. In Weiterentwicklung dieses verfassungsrechtlichen Rechtsschutzes soll jetzt auch die unmittelbare Staatshaftung als Verfassungsinstitut gewährleistet werden. Verursacht rechtswidriges Verhalten der vollziehenden Gewalt einen Schade-n, der durch Wiederherstellunq des verfassungsmäßigen, gesetzmäßigen oder rechtmäßigen Zustandes nicht zu beseitigen ist, so legt das Rechtsstaatsprinzip die möglichst enge Annäherung an den rechtmäßigen Zustand im Wege der Wiedergutmachung nahe. Ihre inhaltliche Rechtfertigung findet die Staatshaftung in dem Bedürfnis nach Heilung des in der verletzten Rechtsstaatlichkeit liegenden Unrechts.

Das Verfassungsinstitut entfaltet seine Wirkung nur soweit, als deutsche Staatsgewalt im Sinne des Grundgesetzes ausgeübt wird. Die Garantie schließt daher Hoheitsakte ausländischer Staaten oder zwischenstaatlicher Einrichtungen im Sinne des Artikels 24 des Grundgesetzes nicht ein. Die Eigenverantwortlichkeit der Europäischen Gemeinschaften für Rechtsakte ihrer Organe bleibt unberührt und richtet sich ausschließlich nach den Haftungsnormen des Gemeinschaftsrechts.

Die Institutsgarantie sichert nicht nur dem geschädigten Bürger, ohne ihm allerdings einen unmittelbaren Anspruch zu geben (vgl. dazu die Begründung zu Artikel 34 Abs. 1), die Haftung des Rechtsträgers selbst für die schädigenden Folgen der rechtswidrigen hoheitlichen Maßnahmen, sondern garantiert auch darüber hinaus die Staatshaftung in ihrem Kernbereich, den der Gesetzgeber bei der einfachrechtlichen Ausgestaltung der Haftung weder einschränken noch zu Lasten des Bürgers modifizieren kann. Dem Bundesgesetzgeber sind daher für die vorbehaltene Staatshaftungsregelung folgende Grundsätze vorgegeben. Wesenszug der vorgeschlagenen Institutsgarantie ist die unmittelbare Eigenhaftung des Rechtsträgers der pflichtwidrig ausgeübten vollziehenden Gewalt oder Rechtsprechung. Der Staat als Inhaber der- ausgeübten Gewalt ist auch Träger der Wiederqutmachungspflicht. Seine Haftung hängt nicht mehr von der Haftung des Amtsverwalters ab. Die Staatshaftung ,künpft vielmehr unmittelbar an die Verletzung einer öffentlich-rechtlichen Pflicht als Haftungsvoraussetzung an. Die Wiederqutmadrunq des in pflichtwidriger Ausübung vollziehender Gewalt oder Rechtsprechung verursachten Schadens wird letztlich durch Einstehen des Rechtsträgers selbst garantiert.

Grundgedanke des Verfassungsinstituts ist weiter, daß der Staat für die schädigenden Folgen pflichtwidrigen hoheitlichen Verhaltens in allen Lebensbereichen hoheitlicher Betätigung eintritt. Unvereinbar mit dieser Grundvorstellung wäre es, hoheitliche Tätigkeitsgebiete im ganzen aus politischen oder fiskalischen Gründen aus der Staatshaftung auszunehmen, wie z. B. bestimmte Bereiche der Außenpolitik, das Finanzwesen, das Postwesen oder das Polizeiwesen.

Schließlich ist Haftungsgrund die Rechtswidrigkeit des Verhaltens der vollziehenden oder rechtsprechenden Gewalt, die in der Verletzung von Pflichten des öffentlichen Rechts mit bürqerschützender Funktion besteht. Das Verfassungsinstitut findet seine innere Rechtfertigung allein in der Sicherung des rechtsstaatlich gebotenen Individualrechtsschutzes. Auch der primäre Rechtsschutz durch die gerichtliche Rechtmäßigkeitskontrolle der öffentlichen Gewalt aus Artikel 19 Abs. 4 des Grundgesetzes wird nur bei Verletzung individueller Rechte gewährleistet.

Ein Popularrachtsschutz ist weder gewollt noch erforderlich. Der sekundäre Rechtsschutz durch die Staatshaftung aus Artikel 34 des Grundgesetzes kann nicht weiter gehen als der primäre, darf aber auch nicht hinter ihm zurückbleiben. Die Rechtswidrigkeit im staatshaftungsrelevanten Sinne wird daher auf die objektive Pflichtwidrigkeit im Sinne einer Verletzung öffentlich-rechtlicher Schutzpflichten gegenüber dem einzelnen beschränkt. Die rechtsstaatsgemäße Ausgestaltung der Staatshaftung mit dem Ziel der Beseitigung der Folgen pflichtwidriger Staatsqewalt wird am besten dadurch erreicht, daß im Verhältnis vom Staat zum Bürger der Haftungsanspruch nicht schon in seinen Voraussetzungen von einem subjektiv vorwarfbaren Verhalten bei der Ausübung der Staatsgewalt abhängt.
Subjektive Zurechenbarkeitselemente können jedoch weiterhin, insbesondere zum Zwecke der Haftungsabwehr durch den Staat, berücksichtigt werden. Das wird durch die Haftungsgarantie nicht ausgeschlossen. Bei der Ausführunqsqesetzqebung müssen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und Erforderlichkeit gewahrt bleiben.

Die gesetzgebende Gewalt wird nicht in die Institutsgarantie mit einbezogen. Die Gewährleistung der Staatshaftung auch für diese Staatsgewalt könnte die Funktion der Legislative im Grundgesetzgefüge wegen der Gefahr einer faktischen Beschränkung des parlamentarischen Gesetzgebers in Bund und Ländern beeinträchtigen. Rechtsverordnungen und Satzungen unterliegen dagegen als Akte der vollziehenden Gewalt im Sinne des Artikels 20 Abs. 3 des Grundgesetzes der Haftungsgarantie wie alle übrigen Exekutivakte. auch wenn ihre Rechtswidrigkeit ausschließlich auf verfassungswidrigen Gesetzen beruht.

3. Staatshaftung und Rechtsweg

Der gerichtliche Rechtsschutz gegen schädigendes pflichtwidriges Verhalten vollziehender oder rechtsprechender Gewalt ist bislang durch die verfassungsrechtliche Zuweisung von Rechtsstreitigkeiten über Amtshaftungsansprüche, Ansprüche aus enteignungsgleichem und aufopferungsgleichem Eingriff in den ordentlichen Rechtsweg gekennzeichnet. Dagegen liegt die Rechtmäßigkeltskontrolle der Hoheitsakte selbst grundsätzlich bei den Gerichten der allgemeinen oder besonderen Verwaltungsgerichtsbarkeit, wenn der Bürger sich gegen eine Rechtsverletzung von hoher Hand wehrt und die Herstellung des gesetzmäßigen. Zustandes verlangt (Verwaltungsgerichte, Finanzgerichte, Sozialgerichte). Diese Aufspaltung der Rechtswege ist nicht länger vertretbar.

Ist durch rechtswidriges hoheitliches Verhalten die Lage des Bürgers in faktischer, rechtlicher oder vermögenswerter Hinsicht nachteilig verändert worden, können wegen der verfassungsrechtlichen Zuweisungen die staatshaftungsrechtlichen Streitigkeiten nicht in dem. Gerichtszweig entschieden werden, in dem regelmäßig die Rechtmäßigkeit öffentlicher Gewalt geprüft wird, nämlich in der allgemeinen oder besonderen Verwaltungsgerichtsbarkeit. Der Bürger muß vielmehr einen zweiten Prozeß vor den ordentlichen Gerichten führen, wenn, er den ihm zustehenden Rechtsschutz in allen Stufen ausschöpfen will, mit allen daraus erwachsenen Nachteilen für den Bürger und die Allgemeinheit. Unzumutbare Verzögerung des gerichtlichen Rechtsschutzes, Doppelbelastung der Gerichtsbarkeiten, Uneinheitlichkeit der Rechtsprechung, ungleiche Prozeßstellung des Bürgers, Ausschluß des Ubergangs von einer Wiederqutmadrunqsart in die andere (Schadensersatz, Folgenbeseitigung), uneinheitliche Beurteilung einheitlicher Lebenssachverhalte. Diese Verfassungsrechtslage ist allein historisch zu erklären. Die in der Rechtswirklichkeit seit langem erreichte Lückenlosigkeit des gerichtlichen Rechtsschutzes in Verbindung mit der Gleichwertigkeit der Gerichtsbarkeiten des Artikels 95 des Grundgesetzes macht sie vollends entbehrlich. Die Vereinheitlichung der Rechtswege entspricht auch einer Empfehlung der vom Deutschen Bundestag eingesetzten Enquete-Kommission Verfassungsreform (vgl. Schlußbericht Teil H, Kapitel 15).

B. Besonderer Teil

Zu den Verfassungsänderungen im einzelnen ist auszuführen:

Zu Nummer 2 (Artikel 34 GG)


a) Zu Artikel 34 Abs. 1 GG

Die Haftungsgarantie für vollziehende und rechtsprechende Gewalt bezieht sich auf ein Fehlgehen dieser beiden Staatsgewalten bei der Erfüllung öffentlich-rechtlicher Pflichten, die ihnen anderen gegenüber obliegen. Eine Gewährleistung der Staatshaftung für die schädigenden Folqen jedweden rechtswidrigen Verhaltens ist weder gewollt noch gerechtfertigt. Die Garantie dient dem Rechtsschutz des einzelnen. Dieser Rechtsschutz wird auf die Verletzung bürgerschützender öffentlich-rechtlicher Pflichten beschränkt. Damit werden in einem wesentlichen Bereich die Voraussetzungen des primären Rechtsschutzes und des sekundären Rechtsschutzes einander angeglichen. Der Rechtsverletzung im Sinne des Artikels 19 Abs. 4 des Grundgesetzes ententspricht die Pflichtverletzung im Sinne des Artikels 34 des Grundgesetzes. Denn in seinen Rechten ist jemand verletzt, wenn gegen öffentlich-rechtliche Pflichten verstoßen wird, die seinem Schutz zu dienen bestimmt sind. Wann eine solche öffentlich-rechtliche Pflicht vorliegt, bestimmt sich nach dem Recht, das die vollziehende Gewalt oder die Rechtsprechung bei ihren jeweiligen Hoheitsmaßnahmen zu beachten hat.

Die Staatshaftungsinstitute des enteignungsgleichen und aufopferungsgleichen Eingriffs und der Folgenbeseitigung sind von der Rechtsprechung auf unterschiedlichen Rechtsgrundlagen außerhalb des Geltungsbereichs von Artikel 34 des Grundgesetzes entwickelt worden. Durch diese Institute sind einige grobe Mängel des Staatshaftungsrechtsschutzes ausgeglichen worden. Mit Einführung der unmittelbaren und primären Staatshaftung können die Institute nunmehr in das Staatshaftungssystem einbezogen werden; knüpfen sie doch alle an Verstöße der Staatsgewalt gegen bürgerschützende öffentlich-rechtliche Pflichten an.

Die Anbindung der Staatshaftung an die Verletzung bürgerschützender öffentlich-rechtlicher Pflichten grenzt sie gleichzeitig von der Enteignungsentschädigung ab. Staatshaftung bedeutet nicht auch Einstehenmüssen des Staates für rechtmäßige Maßnahmen mit schädigenden Auswirkungen. Als Garant der Haftung ist grundsätzlich derjenige Rechtsträger in Anspruch zu nehmen, dessen vollziehende oder rechtsprechende Gewalt pflichtwidrig ausgeübt worden ist. Dieser Grundsatz gilt auch, wenn die vollziehende Gewalt nicht durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts, sondern durch eine natürliche oder juristische Person des Privatrechts ausgeübt wird (Beliehene). Jedoch wird die Haftung dieses Trägers im Gegensatz zum geltenden Artikel 34 des Grundgesetzes nicht schon verfassungsrechtlich zwingend vorgeschrieben.

Die Staatshaftungsgarantie gilt für pflichtwidriges Handeln und Unterlassen in gleicher Weise, Das folgt aus dem Begriff der Pflichtverletzung, der beide Handlungsformen umfaßt.

Ein verfassungsunmittelbarer Staatshaftungsanspruch des Bürgers wird durch die grundgesetzliehe Gewährleistung der Haftung nicht begründet. Das Verfassungsinstitut bindet nur den Gesetzqeber bei der einfachrechtlichen Ausgestaltung der Staatshaftung im Rahmen des Absatzes 2. Aus diesem Grunde wird Artikel 34 des Grundgesetzes nicht in den Katalog des Artikels 93 Abs.1 Nr. 4 a des Grundgesetzes aufgenommen.

Der geltende Artikel 34 Satz 2 des Grundgesetzes beschränkt die Rückgriffshaftung des Dienstherrn gegen den fehlsam handelnden Amtsträger im Bereich der Hoheitsverwaltung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit. Das Grundgesetz bestätigt damit die entsprechende Entwicklung im öffentlichen Dienstrecht und beseitiqt gleichzeitig mit Verfassungskraft abweichende Regelungen im Landesdienstrecht, soweit sie noch in Ubereinstimmung mit Artikel 131 der Weimarer Reichsverfassung den Rückgriff bereits bei einfacher Fahrlässigkeit zuließen. Diese ausdrückliche verfassungsrechtliche Beschränkung des Rückgriffsrechts wird beibehalten.

Die bisher in Artikel 34 Satz 3 des Grundgesetzes enthaltene Rechtswegzuweisung für Rechtsstreitigkeiten über den Schadensersatzanspruch oder den Rückgriffsanspruch in den ordentlichen Rechtsweg wird aufgegeben. Damit wird die Zusammenfassung des gerichtlichen Rechtsschutzes in Staatshaftungssachen verfassungsrechtlich ermöglicht. Die Regelung wird als allgemeine Rechtsweggarantie unter Streichung der Zuweisung in den ordentlichen Rechtsweg aufrechterhalten.

Dadurch wird sichergestellt, daß auch in Zukunft für Streitigkeiten über die Haftung aus pflichtwidriger Ausübung vollziehender oder rechtsprechender Gewalt der Weq zu den Gerichten offenstehen muß. Aus Artikel 19 Abs. 4 des Grundgesetzes konnte diese Rechtsschutzgarantie bisher nicht entnommen werden. Für fehlerhafte Akte der Rechtsprechung kann sie auch weiterhin nicht aus dieser Verfassungsnorm hergeleitet werden.

b) Zu Artikel 34 Abs. 2 GG

Die grundgesetzliehe Garantie der Staatshaftung als Verfassungsinstitut und ihre innere Begründung im Rechtsstaatsprinzip verlangen dem Wesen nach einen einheitlichen Rechtsschutzstaudard in der Bundesrepublik Deutschland. Die Staatshaftung ist notwendiger Bestandteil der bundesstaatlichen Gesamtordnunq und wesensmäßig länderübergreifendes Rechtsinstitut. Eine unterschiedliche Haftungslage je nach Haftungsträgerschaft oder nach Sachkompetenzbereichen in Bund, Ländern und Gemeinden wäre mit dem Grundsatz der Rechtsgleichheit nicht mehr zu vereinbaren und im Hinblick auf die vielfältigen Verzahnungen der Staatsgewalten unerträglich.

Die Haftung für Verstöße gegen bürgerschützende Pflichten ist ohne Rücksicht darauf zu gewährleisten, ob Stellen des Bundes, der Länder, der Gemeinden oder sonstiger Rechtsträger vollziehender oder rechtsprechender Gewalt den Schaden verursacht haben. Ein Haftungsgefälle innerhalb des Bundesgebietes muß vermieden werden. Bisher konnten trotz Inanspruchnahme der konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit durch den Bund .Haftungsunterschiede in Bund, Ländern und Gemeinden in der Rechtswirklichkeit nicht völlig verhindert werden. Eine bloß konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes in Staatshaftungssachen würde in höherem Maße die Gefahr in sich bergen, daß Länder, Gemeinden und sonstige Körperschaften des öffentlichen Rechts für ihre Verweltunq die einheitlich gewährleistete Haftung nach den Maßstäben des Staatshaftungsgesetzes des Bundes unter Inanspruchnahme einer speziellen Sachkompetenz oder einer Annexkompetenz zu solchen Sachkompetenzen abweichend regeln. Diese unerwünschte Rechtszersplitterung der Staatshaftung wird durch Erteilunq eines ausdrücklichen Gesetzgebungsauftrags an den Bundesgesetzgeber vermieden. Die Belange der Länder sind durch die Zustimmungsbedürftigkeit des Gesetzes gewahrt. Davon unberührt können sie im Rahmen ihrer Gesetzgebungskompetenzen Art und Umfang der öffentlich-rechtlichen Pflichten festlegen, deren Verletzung Staatshaftungsfolgen nach sich ziehen kann. Ebenso unberührt bleibt ihre Zuständigkeit, im Rahmen ihrer Sachkompetenz Entschädigungsregelungen zum Ausgleich solcher immateriellen oder materiellen Nachteile zu treffen, die durch rechtmäßige hoheitliche Maßnahmen verursacht werden.

Bei der einfachgesetzlichen Ausformung der Staatshaftung muß dem Bundesgesetzgeber ein Spielraum erhalten bleiben.

Dies gilt zunächst für den Inhalt der durch Absatz 1 gewährleisteten Staatshaftung. Bei der inhaltliehen Ausgestaltung darf der Gesetzgeber die Institutsgarantie in ihrem Kernbereich nicht antasten. Modifikationen dürfen nicht dazu führen, daß in einem in sich geschlossenen staatlichen Handlungsbereich die Haftung der vollziehenden oder rechtsprechenden Gewalt in einem Umfang zurückgedrängt wird, der den Rechtsschutz des Bürgers unverhältnismäßig oder gar unzumutbar einengt. Nur in besonders gelagerten Fällen, wie bei der historisch gewachsenen freiberuflichen Amtstätigkeit der Notare, kann von der unmittelbaren Haftung des Staates selbst abgesehen werden und etwa eine ausschließlich persönliche Haftung des Amtswalters in Betracht kommen, wenn der Rechtsschutz des Bürgers durch ergänzende Regelungen sichergestellt ist. Ferner erlaubt der Regelungsvorbehalt die sachgerechte Auswahl der Wiedergutmachungsarten in Form der Naturalrestitution oder des Geldersatzes. Auch bleibt dem einfachen Gesetzgeber die Entscheidungsfreiheit für die Abgrenzung der Staatshaftung zur sonstigen Haftung des öffentlichen Rechts und des Privatrechts eingeräumt. Offentliche Aufgaben können innerhalb eines einheitlichen staatlichen Betätigungsfeldes sowohl in den Formen und mit den Mitteln der öffentlichen Gewalt als auch nach den Regeln und Verhaltensweisen des Privatrechtsverkehrs erfüllt werden, ohne daß eine klare Abgrenzung beider Handlungsbereiche nach der Rechtsnatur der zu erfüllende Pflichten als öffentlich-rechtliche oder privatrechtliche Pflichten möglich ist. In diesen Gemengelagen hat der Gesetzgeber zu entscheiden, ob die Staatshaftung oder je Privatrechtshaftung eingreifen soll.

Der zweite wichtige Regelungsbereich ist die Bestimmung des Umfangs der Haftung durch den einfachen Gesetzgeber. Das gilt sowohl für den Umfang der Naturalrestitution als auch für den Umfang des Schadensausgleichs in Geld. Kriterien für eine sachgerechte Abstufung können insbesondere die Bedeutung des verletzten Rechtsguts, die Schwere der Pflichtverletzung oder die Eigenheiten der jeweiligen hoheitlichen Tätigkeitsbereiche sein. Mit der Verfassungsgarantie vereinbar ist weiter, die Voraussetzungen festzulegen, unter denen je nach den Besonderheiten der jeweiligen staatlichen Tätigkeiten und uer für sie typischen Schadensgeneigtheit die Haftung des Staates eingeschränkt wird, Eine gerechte Risikoverteilung zwischen Bürger und Staat kann sich völlig unabhängig von den finanziellen Auswirkungen für die öffentlichen Haushalts in Bund, Ländern und Gemeinden vorgenommen werden.

Auch muß die mittelbare Wirkunq der Staatshaftung auf die Funkticnsfähiqkeit und Funktionstüchtigkeit der einzelnen Verwaltungszweige in Betracht gezogen werden können. Die Verfassung selbst kann die Maßstäbe in ihren Einzelheiten für eine gerechte Auflösung des insoweit bestehenden Spannungsverhältnisses zwischen Staats- und Bürgerinteressen nicht festlegen. Das gilt insbesondere für die Kriterien der Zuredrenbarkeit von Pflichtverletzungen. Mit Rücksicht auf den erreichten Rechtsschutzstandard des geltenden Staatshaftungsrechts, vor allem bei den Haftungsinstituten des enteignungsgleichen und aufopferungsgleichen Eingriffs und bei der Folgenbeseitigung, aber auch in der Amtshaftung, soweit die Rechtsprechung hier durch Objektivierung und Verschärfung der Sorgfaltspflicht oder durch Beweiserleichterungen einen arteigenen Zurechenbarkeitsmaßstab entwickelt hat, legt die Gewährleistungsgarantie es jedoch nahe, für die Staatshaftung außer der Verletzung einer öffentlich-rechtlichen Pflicht nicht zusätzlich in den Anspruchsvoraussetzungen noch einen Subjektiven Sorgfaltsverstoß zu verlangen. Andererseits sollen subjektive Zurechenbarkeitskriterien insoweit aber auch nicht ausgeschlossen werden wenn eine gerechte Abwägunq der beiderseitiqen Belange sie rechtfertigen und angemessen erscheinen lassen.

Weiter steht dem Gesetzgeber im Rahmen der Gewährleistung eine Haftungsabwehrregelung zugunsten des Staates offen, wenn bei Abwägung der Rechtsschutzinteressen des Bürgers und der Staatsinteressen die Pflichtverletzung dem Staat deswegen nicht mehr zugerechnet werden kann, weil ihm verständigerweise aus seinem Verhalten bei der pflichtwidriqen Ausübune von Hoheitsqewalt kein Vorwurf zu machen ist. Der Maßstab der Vorwerfbarkeit ist am Rechtsstaatsprinzip zu orientieren. Dabei könner, Art und Umstände der Pflichtverletzunq, die Verhältnisse im Organisationsbereich des Staates, Sorgfaltsanforderungen und ähnliche Kriterien berücksichtigt werden.

3. Stellungnahme des Bundesrates


1. Zu Artikel 1 Nr. 2 (Artikel 34 GG)

Die in Artikel 1 Kr. 2 des Gesetzentwurfs in Artikel 34 Abs. 2 GG vorgesehene ausschließliche Kompetenz des Bundes, das Nähere über Inhalt und Umfang der Haftung zu regeln, ist in eine konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit umzugestalten, weil die Rechtseinheit auf dem Gebiet des Staatshaftungsrechts und die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet auch bei einer konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes hinreichend gewahrt werden können und das Entstehen eines Haftungsgefälles zwischen den Ländern der Bundesrepublik ausgeschlossen werden kann. Dabei ist das Erfordernis der Zustimmung des Bundesrates in Anlehnung an Artikel 74 a Abs.2 GG vorzusehen.

4.Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates


Zu 1. (Artikel 1 Kr. 2 - Artikel 34 GG)

Die Bundesregierung stimmt dem Vorschlag des Bundesrates mit der Maßgabe zu, daß Artikel 34 Abs. 2 des Grundgesetzes folgende Fassung erhält:

(2) Das Nähere über Inhalt und Umfang der Haftung
wird durch Gesetz bestimmt; ein Bundesgesetz bedarf der Zustimmung des Bundesrates."



B. Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses (6. Ausschuss)


A. Problem
Die Staatshaftung soll als wesentliche rechtsstaatliche Institution verfassungsrechtlich abgesichert werden. Dafür sollen die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen geschaffen werden.

B. Lösung
Der Ausschuß schlägt folgende Grundgesetzänderung vor.
Die Haftung des Staates für pflichtwidrige Ausübunq öffentlicher Gewalt wird als Verfassungsinstitut gewährleistet.
Die nähere Ausgestaltung der Staatshaftung wird dem Bundesgesetzgeber übertragen.
Die Länder können ihre Staatshaftungsausgaben insoweit vom Bund erstattet verlangen, als diese durch rechtswidriges Verhalten des Bundes verursacht worden sind,

C. Alternativen
keine

D. Kosten
Die Grundgesetzänderungen verursachen in den öffentlichen Haushalten keine Kosten. Diese werden erst als Folge der Durchführurigsgesetzgebung eintreten.


Beschlußempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

1. den Gesetzentwurf - Drucksache 8/2080 - in der sich aus der anliegenden Zusammenstellung ersichtlichen Fassung anzunehmen.

2. die zu dem Gesetzentwurf eingegangenen Petitionen für erledigt zu erklären.

Entwurf Beschlüsse des 6. Ausschusses
Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes Entwurf eines Fünfunddreißigsten Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes
Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das folgende Gesetz beschlossen; Artikel 79 Abs. 2 des Grundgesetzes ist eingehalten:
Artikel 1
Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland wird wie folgt geändert: .

2. Artikel 34 erhält folgende Fassung:

"Artikel 34

(1) Die Haftung der vollziehenden und der rechtsprechenden Gewalt für die Verletzung von Pflichten des öffentlichen Rechts, die ihnen anderen gegenüber obliegen, wird gewährleistet. Bei vorsätzlicher oder grobfahrlässiger Pflichtverletzung bleibt der Rückgriff vorbehalten. Im Streitfalle steht der Rechtsweg offen.

(2) Das Nähere über Inhalt und Umfang der Haftung regelt ein Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf."

2. Artikel 34 erhält folgende Fassung:

"Artikel 34

(1) Die Haftung der öffentlichen Gewalt für die Verletzung von Pflichten des öffentlichen Rechts, die ihr anderen gegenüber obliegen, wird gewährleistet. Bei vorsätzlicher oder grobfahrlässiger Pflichtverletzung beibt der Rückgriff vorbehalten. Für den Anspruch von Geldersatz und für den Rückgriff darf der ordentliche Rechtsweg nicht ausgeschlossen werden.

(2) Das Nähere über Inhalt und Umfang der Haftung wird durch Gesetz bestimmt; ein Bundesgesetz bedarf der Zustimmung des Bundesrates."





C. Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuß)


Bericht der Abgeordneten Frau Dr. Däubler-Gmelin und Dr. Klein (Göttingen)

I.



Der Deutsche Bundestag hat in seiner 101. Sitzung am 28. September 1918 den Entwurf eines ... Gesetzes zur Anderung des Grundgesetzes - Drucksache 8/2080 - in erster Lesung beraten und an den Rechtsausschuß federführend und an den Innenausschuß mitberatend überwiesen.

Der Rechtsausschuß hat in seiner 65. Sitzung am 1. Mai .1919 eine öffentliche Anhörung zu den Gesetzentwürfen zum Staatshaftungsrecht - Drucksachen 8/2019, 8/2080 - durchgeführt, um insbesondere den kommunalen Spitzenverbänden sowie den betroffenen Berufs- und Interessenvertretungen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Sachverständige aus Rechtswissenschaft und Rechtspraxis haben sich gutachtlich geäußert. Auf der Grundlage des Anhörungsergebnisses hat der Rechtsausschuß den Gesetzentwurf in seiner 80., 81., 82., 89. Sitzung am 19. September, 10. Oktober, 11. Oktober, 1. November und 14. November 1919 sowie in seiner 89., 90., 91., 96., 91. Sitzung am 14. Februar, 21. Februar, 5. März, 14. Mai und 22. Mai 1980 beraten und verabschiedet.

II.



In der Verfassung ist der primäre Rechtsschutz des Bürgers gegen Rechtsverletzungen durch die öffentliche Gewalt im Wege der Rechtmäßigkeitskontrolle durch. unabhängige Gerichte in Artikel 19 Abs. 4 GG garantiert. Der Rechtsschutz des Bürgers gegen schädigende Folgen solcher Rechtsverletzungen im Wege staatlicher Wiedergutmachung ist dagegen nicht mit gleicher Stärke rechtsstaatlich abgesichert.

Die in Artikel 34 des Grundgesetzes enthaltene Konzeption einer befreienden Schuldübernahme der zivilrechtlichen Verantwortlichkeit der öffentlichen Bediensteten, also dem Amtswalter, durch den Staat entspricht nicht mehr dem modernen Verfassungsverständnis vom Rechtsstaatsprinzip. Nach einhelliger Auffassung des Ausschusses ist dieses Prinzip im Bereiche der Staatshaftung fortzuentwickeln. Ferner ist die Gesetzgebungskompetenz des Bundes, die gegenwärtig nach Artikel 14 Nr. 1 GG besteht, entsprechend der in Artikel 34 Abs. 1 n. F. vorgesehenen öffentlich-rechtlichen Konzeption der Staatshaftung, umdenkbare Zweifel auszuschließen, gesondert zu begründen.

Endlich ist nach Auffassung des Ausschusses den landesrechtliehen Rechtsträgern der Rückgriff gegen den Bund zu ermöglichen, wenn die Verantwortung für Staatshaftungsverpflichtungen der Länder ausschließlich im rechtswidrigen Verhalten von Stellen des Bundes ihre Ursache hat.

1. Zu Artikel 1 Nr, 1 (Artikel 34 GG).

Die Haftung des Staates für pflichtwidrige Ausübung öffentlicher Gewalt wird in Artikel 34 Abs. 1 Satz 1 als Verfassungsinstitut gewährleistet. Der Ausschuß hat den Vorschlag der Bundesregierung, die Gewährleistung der Staatshaftung auf die vollziehende und rechtsprechende Gewalt zu beschränken, nicht übernommen. Statt dessen hat der Ausschuß den Begriff der öffentliehen Gewalt gewählt, um - wie im geltenden Recht - die Ausdehnung der Haftung auch auf legislatives Unrecht im umfassenden Sinne durch den einfachen Gesetzgeber offenzuhalten. Die Rechtsschutzgarantie für den Bürger bezieht sich auf jede Verletzung bürgerschützendet öffentlich-rechtlicher Pflichten und löst die Staatshaftung somit von den Bindungen des Zivilrechts. Ferner knüpft die Staatshaftungsgarantie nicht mehr an Pflichtverletzungen des Amtswalters an. Der Staat soll vielmehr für eigenes Unrecht unmittelbar haften. Die Voraussetzungen des primären Rechtsschutzes des Bürgers vor Rechtsverletzungen durch die öffentliche Gewalt im Wege der Rechtmäßigkeitskontrolle durch die Gerichte, wie sie Artikel 19 Abs. 4 des Grundgesetzes vorsieht, werden in den sekundären Verfassungsrechtsschutz der Staatshaftung übernommen.

Die dienstrechtliche Rückgriffshaftung des Amtswalters gegenüber dem Dienstherrn im neuen Artikel 34 Abs. 1 Satz 2 entspricht der bisherigen Rückgriffshaftung in Artikel 34 Satz 2 GG und bleibt auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt.

Die von der Bundesregierung vorgeschlagene Konzentration des gerichtlichen Rechtsschutzes in Staatshaftungssachen jeweils in dem Gerichtszweig, der auch im Rahmen des primären Rechtsschutzes mit der Rechtmäßigkeitskontrolle der ausgeübten öffentlichen Gewalt befaßt ist, hat der Ausschuß nicht übernommen. Die Uberlegungen dazu könriten zu einem späteren Zeitpunkt aufgegriffen werden, insbesondere wenn die Erfahrungen mit dem neuen Staatshaftungsrecht dazu Anlaß geben sollten.

Im neuen Artikel 34 Abs, 2 wird entsprechend der mittlerweile vollzogenen Rechtsentwicklung der Staatshaftung vom' bürgerlich-rechtlichen Sonderhaftungstatbestand aus unerlaubter Handlung nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches zur mittelbaren Staatshaftung für Geldersatzansprüche nach Artikel 34 Satz 1 GG sowie zur unmittelbaren Staatshaftunq im Rahmen des enteignungsgleichen und des aufopferungsgleichen Eingriffs und der Folgenbeseitigung die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes neu gefaßt.



D. Weiterer Fortgang des Gesetzes


Dieser Vorschlag fand nicht die notwendige Zustimmung. Deshalb wurde er nie Bestandteil des Grundgesetzes.
In dieser Kommentarsreihe werden insbesondere folgende Abkürzungen und Quellen verwendet:
a.A. = Anderer Ansicht
AG = Arbeitgeber (evtl. auch einmal "Aktiengesellschaft")
AGBs, AGB´s = Allgemeine Geschäftsbedingungen
AG = Amtsgericht
ArbG = Arbeitsgericht (gelegentlich auch für Arbeitgeber!)
ArbGG = Arbeitsgerichtsgesetz
AT = Austria, Österreich
BAG = Bundesarbeitsgericht (BRD)
BGB = Bürgerliches Gesetzbuch (BRD)
BGH = Bundesgerichtshof (BRD)
BRD = Bundesrepublik Deutschland
BVerwG = Bundesverwaltungsgericht
CH = Schweiz
Dornb./W.- ... Dornbusch/Wolff-(Bearbeiter), KSchG, arbeitsrechtliche Kurzkommentare, Luchterhand-Verlag
EuGH = Europäischer Gerichtshof
EU = Europäische Union
h.M. = Herrschende Meinung
KSchG = Kündigungsschutzgesetz
LAG = Landesarbeitsgericht
OGH = Oberster Gerichtshof (Österreich)
OLG = Oberlandesgericht (BRD)
OVG = Oberverwaltungsgericht (BRD)
Pal.- ... = Palandt-(Bearbeitername), Kurzkommentar zum BGB, C.H. Beck-Verlag
PM = Pressemitteilung
m.M. = Mindermeinung
Staudinger-... = Staudinger-(Bearbeiter, Kommentar zum BGB
str. = strittig, streitig
u.a. = unter anderem
u.U. = Unter Umständen
ZPO = Zivilprozeßordnung
Urteile nach 25.04.2007, also nach Abschluss dieser Kommentierung