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GG
Grundgesetz
Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland
Art. 74 (Regelung seit 15.11.1994)
a) Der bisherige Wortlaut wird Absatz 1 und wie folgt geändert:

aa) Die Nummern 5 und 8 werden aufgehoben.

bb) In Nummer 18 wird nach den Wörtern „das Bodenrecht" der Klammerzusatz „(ohne das Recht der Erschließungsbeiträge)" eingefügt.

cc) In Nummer 24 wird der Punkt durch einen Strichpunkt ersetzt.

dd) Nach Nummer 24 werden folgende Nummern 25 und 26 angefügt:

„25. die Staatshaftung;

26. die künstliche Befruchtung beim Menschen, die Untersuchung und die künstliche Veränderung von Erbinformationen sowie Regelungen zur Transplantation von Organen und Geweben."

b) Nach Absatz 1 wird folgender Absatz 2 angefügt:

„(2) Gesetze nach Absatz 1 Nr. 25 bedürfen der Zustimmung des Bundesrates
Abgelehnte Änderung zu Art. 74 GG (1978)

Gang der Gesetzgebung:


1. Bundesrat - Gesetzentwurf Bundesregierung 26.05.1978 Drucksache 214/78
Zuweisung: RechtsA (fdf), FinanzA, InnenA

2. Bundesrat - Empfehlungen RechtsA (federführend); FinanzA; InnenA 22.06.1978 Drucksache 214/1/78
RechtsA: u.a. Änderungsvorschläge - FinanzA, InnenA: keine Einwendungen

3. Bundesrat - Antrag BW; RPF 05.07.1978 Drucksache 214/2/78
Änderungsvorschläge

4. Bundesrat - Antrag BAY 06.07.1978 Drucksache 214/3/78
Stellungnahme

1. Durchgang


5. Bundesrat - Plenarprotokoll 461/78 07.07.1978 S. 232D-233A, 259B-263A/Anl
protokollierte Berichterstattung: Dr. Wicklmayr, LMin, Rechtspflege u.Bundesangel SL, RechtsA S. 259B-261B/Anl
protokollierte Rede: Dr. de With, PStSekr BMJ S. 261B-262B/Anl; Dr. Hartkopf, StSekr BMI S. 262B-263A/Anl
Beschluß: S. 233A - Stellungnahme: u.a. Änderungsvorschläge

6. Bundestag - Stellungnahme Bundesrat 07.07.1978 Drucksache 214/78 (Beschluß)

7. Bundesrat - Gesetzentwurf Bundesregierung 05.09.1978 Drucksache 08/2080
Anlage: Stellungnahme Bundesrat und Gegenäußerung Bundesregierung

1. Beratung


8. Bundestag - Plenarprotokoll 08/107 28.09.1978 S. 8436B, C-8444D
zusammenberaten mit: Staatshaftungsgesetz; s. Staatshaftungsgesetz BR Drucksache 215/78
Redner: Dr. Vogel, BMin BMJ S. 8436C-8438C; Dr. Klein (Göttingen), CDU/CSU S. 8438C-8440C; Frau Dr. Däubler-Gmelin, SPD S. 8440C-8443A; Kleinert, FDP S. 8443B-8444D
Zwischenfrage: Dr. Klein (Göttingen), CDU/CSU S. 8441B-C; Erhard (Bad Schwalbach), CDU/CSU S. 8442B
Beschluß: S. 8444D - Überweisung: RechtsA (federführend), InnenA

9. Bundestag - Beschlußempfehlung RechtsA 19.05.1980 Drucksache 08/4028
Fünfunddreißigstes Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes

10. Bundestag - Bericht RechtsA 21.05.1980 Drucksache 08/4036



A. Bundestag - Gesetzentwurf Bundesregierung, 05.09.1978, Drucksache 08/2080


(Konsoliderte Fassung, enthält die Stellungnahme des BUndesrates und die Gegenäußerung der BUndesregierung als Anhang)

Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes

A. Zielsetzung
Die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für die Reform des Staatshaftungsrechts müssen geschaffen werden. Die Staatshaftung soll als wesentliche rechtsstaatliche Institution verfassungsrechtlich abgesichert werden. Ferner ist verfassungrechtlich die Zusammenfassung des gerichtlichen Rechtsschutzes bei den für die Rechtmäßigkeitskontrolle öffentlicher Gewalt zuständigen Gerichtszweigen zu ermöglichen.

B. Lösung
Die Haftung des Staates für pflichtwidrige Ausübung vollziehender und rechtsprechender Gewalt wird als Verfassungsinstitut gewährleistet. Die grundgesetzliche Zuweisung von Rechtsstreiten aus Amtspflichtverletzung und enteignungsgleichem Eingriff in den ordentlichen Rechtsweg wird in eine allgemeine Rechtsweggarantie umgewandelt, um den Rechtsschutz gegen rechtswidrige öffentliche Gewalt bei den Gerichtsbarkeiten zusammenfassen zu können, denen die Rechtmäßigkeitskontrolle auch im übrigen anvertraut ist.

Die nähere Ausgestaltung der Staatshaftung wird dem Bundesgesetzgeber übertragen. Er kann auch die Haftung für Tumultschäden oder andere schwere Störungen der öffentlichen Sicherheit bundeseinheitlich regeln.

Die Länder können ihre Staatshaftungsausgaben insoweit vom Bund erstattet verlangen, als diese durch rechtswidriges Verhalten des Bundes verursacht worden sind.

C. Alternativen
keine

D. Kosten
keine



Bundesrepublik Deutschland
Der Bundeskanzler
Bonn, den 5. September 1978


An den Herrn
Präsidenten des Deutschen Bundestages

Hiermit übersende ich den von der Bundesregierung beschlossenen Entwurf eines ... Gesetzes zur Anderunq des Grundgesetzes mit Begründung und Vorblatt (Anlage 1). Ich bitte, die Beschlußfassung des Deutschen Bundestages herbeizuführen.

Die Vorlage ist von dem Bundesminister der Justiz und dem Bundesminister des Innern gemeinsam erstellt worden.

Der Bundesrat hat in seiner 461. Sitzung am 7. Juli 1978 gemäß Artikel 76 Abs, 2 des Grundgesetzes beschlossen, zu dem Gesetzentwurf wie aus der Anlage 2 ersichtlich Stellung zu nehmen.

Die Auffassung der Bundesregierung zu der Stellungnahme des Bundesrates ist in der Gegenäußerung (Anlage 3) dargelegt.

Schmidt


1. Vorschlag:


Artikel 1

Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland wird wie folgt geändert:

3. Nach Artikel 74 Nr. 1 wird folgende Nummer 1 a eingefügt:

"1 a. die Haftung des Staates für Schäden aus Tumulten oder anderen schweren Störungen der öffentlichen Sicherheit."

Artikel 2

Dieses Gesetz tritt am 1. Januar 1982 in Kraft.



2. Begründung:


A. Allgemeiner Teil

Die Verantwortung des Staates für fehlerhaft ausgeübte Staatsgewalt findet erstmals ihren verfassungsrechtlichen Ausdruck in Artikel 131 der Weimarer Reichsverfassung. Mit dieser Norm hat das Institut der Staatshaftunq verfassungsrechtlich seine noch heute maßgebliche Ausprägung erhalten.

1. Staatshaftung und Verfassung

Ausgangspunkt der Entwicklung war zunächst die rein privatrechtliche Beamtenhaftung des 19. Jahrhunderts. Nach der in dieser Zeit herrschenden Mandatstheorie wurde das Beamtenverhältnis als ein privatrechtliches Vertragsverhältnis angesehen und die Amtspflichtverletzungen des Beamten allein dem sein Mandat überschreitenden Amtsträger zur Last gelegt, der gegen den Willen des Staates tätig wurde und daher seinen Dienstherrn insoweit nicht vertreten konnte. Diese Auffassung lag schon dem Preußischen Allgemeinen Landrecht von 1794 zugrunde, bildete aber auch noch die Rechtfertigung für § 839 des Bürgerlichen Gesetzbuchs von 1896, obwohl das Beamtenverhältnis zu dieser Zeit bereits als Rechtsverhältnis des öffentlichen Rechts entwikkelt worden war. § 839 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, der die Eigenverantwortlichkeit des Beamten reichseinheitlich als Sondertatbestand des Rechts der unerlaubten Handlungen privatrechtlich regelte, unterscheidet nicht zwischen privatrechtlichen und hoheitlichen Amtspflichtverletzungen und macht in beiden Tätigkeitsbereichen allein den Beamten persönlich haftbar. Eine Haftung des Staates kennt das Bürgerliche Gesetzbuch nur bei fiskaliehern Handeln des Beamten dann, wenn der Beamte verfassungsmäßig berufener Vertreter im Sinne der §§ 89, 31 BGB ist.

Unter dem Eindruck der immer stärker werdenden Forderung nach einer Haftung des Staates im hoheitlichen Bereich gestattete der Reichsgesetzgeber in Artikel Ti des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch den Ländern, eine Haftung auch des Staates selbst einzuführen. Einige Länder machten davon Gebrauch und ließen anstelle des Beamten den Staat haften, sahen also eine mittelbare Haftung des Staates vor. Andere Länder ließen lediglich eine subsidiäre Haftung des"Staates neben der Beamtenhaftung zu. Eine dritte Ländergruppe hielt weiterhin die bloße persönliche Beamtenhaftung für ausreichend. 1897 wurde reichsgesetzlich zunächst die lJbernahme der persönlichen Haftung der Grundbuchbeamten für Fehler bei der Verwaltung der Grundbücher durch den Staat angeordnet. Im Jahre 1910 begründete das Reichsbeamtenhaftungsgesetz dann die mittelbare Staatshaftung für Amtspflichtverletzungen der Reichsbeamten.

Artikel 131 der Weimarer Reichsverfassung schloß diese Entwicklung der Staatshaftung inhaltlich durch Bestätigung der einfachgesetzlichen Regelung des Reichsbeamtenhaftungsgesetzes ab, verlieh dem Reichsinstitut selbst Verfassungsrang und beseitigte das bestehende Haftungsgefälle in Reich und Ländern durch Vereinheitlichung der Staatshaftungsvoraussetzungen über den Amtshaftungstatbestand des § 839 BGB und die unmittelbar geltende Uberleitunq der persönlichen Haftung des Beamten auf den Staat unter Beseitigung aller landesgesetzlichen Einschränkungen.

Artikel 34 der Grundgesetzes hat die bestehende staatshaftungsrechtliche Verfassungslage mit geringfügigen Anderungen übernommen. Die Uberleitunq der Haftung auf den Staat wird auf alle Personen ausgedehnt, die in Ausübung eines öffentlichen Amtes Pflichtverletzungen begehen. Das Rückgriffsrecht des Staates gegen den fehlsam handelnden Beamten wird auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt. Eine Ermächtigung zur Ausführungsgesetzgebung ist nicht mehr vorgesehen. Artikel 34 des Grundgesetzes berücksichtigt damit im wesentlichen die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Auslegufig des Artikels 131 der Weimarer Reichsverfessung. Das Grundgesetz vollzieht aber noch nicht den Schritt von der mittelbaren zur unmittelbaren Staatshaftung, sondern beläßt es bei der Ubemahme der persönlichen Haftung des Beamten durch den Staat. Die strukturellen Schwächen der mittelbaren Staatshaftung bleiben erhalten. Die Haftung für fehlerhaft ausgeübte Staatsqewalt bedeutet nicht das Einstehenmüssen im Sinne einer Eigenverantwortung des Staates, sondern nur Ubernahme der zivilreditlichen persönlichenHaftunq des Amtswalters im Sinne übernommener Fremdhaftung. Rechtswidrige unmittelbare Eingriffe von hoher Band in existenzielle Rechtsgüter der Bürger, wie Leben, Gesundheit, Freiheit und Eigentum, die im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Haftungsinstitute der Aufopferung und des enteignungsgleichen Eingriffs unabhängig von der zivilrechtlichen Haftung des Beamten die Staatshaftung auslösen, können in die Struktur des Artikels 34 des Grundgesetzes nicht eingeordnet werden. Entsprechendes gilt für den Folgenbeseitigungsanspruch.

Artikel 34 des Grundgesetzes garantiert als Zuweisungsnorm lediglich einen Bestand von einfachgesetzlichen haftungsausfüllenden Normen, ohne deren Regelungsgehalt im einzelnen zu bestimmen. Die bedeutsamste Ausfüllungsnorm bleibt § 839 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, der Voraussetzung, Art und Umfang der Haftung für Amtspflichtverletzungen festlegt. Diese zivilrechtliche Zuordnung des Haftungstatbestandes prägt die geltende Staatshaftung in eigenartiger Weise. Die vorwerfbare Amtsführung bleibt als persönliches deliktisches Verschulden Grundvoraussetzung auch der Haftung des Staates.

Das zum persönlichen Schutze des Amtswalters gewährte Privileg, bei fahrlässigen Amtspflichtverletzungen nur subsidiär, also erst nach anderen Ersatzverpflichteten zu haften, bleibt auch Staatsprivileg. Der Schadensausgleich im Wege hoheitlicher Maßnahmen (Naturalrestitution) anstelle von Geldersatz ist nach wie vor verwehrt, weil der amtspflichtwidrig handelnde Beamte außerhalb seiner Amtsbefugnisse tätig geworden und damit als Privatperson zur hoheitlichen Restitution außerstande ist. Artikel 34 des Grundgesetzes übernimmt ferner die verfassungsrechtliche Zuweisung von Staatshaftungsklagen in den ordentlichen Rechtsweq mit der Folge, daß die Uberprüfunq der Rechtmäßiqkeit ausgeübter öffentlicher Gewalt und die Wiedergutmachung schädigender Folgen rechtswidriger öffentlicher Gewalt hinsichtlich ein und desselben Lebenssachverhalts nicht. in einem Rechtsweg und durch ein und dasselbe Gericht vorgenommen werden können; die Aufhebung der rechtswidrigen Akte öffentlicher Gewalt selbst bleibt grundsätzlich der Verwaltungsgerichtsbarkeit vorbehalten.

2. Staatshartung als veriassungsrechtliche Institutsgarantie

Die Ausübung aller Staatsgewalt der Bundesrepublik Deutschland ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die Ausübung der vollziehenden und der rechtsprechenden Gewalt darüber hinaus ausdrücklich an Gesetz und Recht gebunden (Artikel 20 Abs. 3 des Grundgesetzes). Das in dieser Bindung zum Ausdruck kommende Rechtsstaatsprinzip findet in der Rechtsschutzgarantie des Artikels 19 Abs. 4 des Grundgesetzes eine spezifische Ausprägung. Die gerichtliche Kontrolle der ausgeübten vollziehenden Gewalt auf ihre Rechtmäßigkeit hin wird verfassungsrechtlich gewährleistet. In Weiterentwicklung dieses verfassungsrechtlichen Rechtsschutzes soll jetzt auch die unmittelbare Staatshaftung als Verfassungsinstitut gewährleistet werden. Verursacht rechtswidriges Verhalten der vollziehenden Gewalt einen Schade-n, der durch Wiederherstellunq des verfassungsmäßigen, gesetzmäßigen oder rechtmäßigen Zustandes nicht zu beseitigen ist, so legt das Rechtsstaatsprinzip die möglichst enge Annäherung an den rechtmäßigen Zustand im Wege der Wiedergutmachung nahe. Ihre inhaltliche Rechtfertigung findet die Staatshaftung in dem Bedürfnis nach Heilung des in der verletzten Rechtsstaatlichkeit liegenden Unrechts.

Das Verfassungsinstitut entfaltet seine Wirkung nur soweit, als deutsche Staatsgewalt im Sinne des Grundgesetzes ausgeübt wird. Die Garantie schließt daher Hoheitsakte ausländischer Staaten oder zwischenstaatlicher Einrichtungen im Sinne des Artikels 24 des Grundgesetzes nicht ein. Die Eigenverantwortlichkeit der Europäischen Gemeinschaften für Rechtsakte ihrer Organe bleibt unberührt und richtet sich ausschließlich nach den Haftungsnormen des Gemeinschaftsrechts.

Die Institutsgarantie sichert nicht nur dem geschädigten Bürger, ohne ihm allerdings einen unmittelbaren Anspruch zu geben (vgl. dazu die Begründung zu Artikel 34 Abs. 1), die Haftung des Rechtsträgers selbst für die schädigenden Folgen der rechtswidrigen hoheitlichen Maßnahmen, sondern garantiert auch darüber hinaus die Staatshaftung in ihrem Kernbereich, den der Gesetzgeber bei der einfachrechtlichen Ausgestaltung der Haftung weder einschränken noch zu Lasten des Bürgers modifizieren kann. Dem Bundesgesetzgeber sind daher für die vorbehaltene Staatshaftungsregelung folgende Grundsätze vorgegeben. Wesenszug der vorgeschlagenen Institutsgarantie ist die unmittelbare Eigenhaftung des Rechtsträgers der pflichtwidrig ausgeübten vollziehenden Gewalt oder Rechtsprechung. Der Staat als Inhaber der- ausgeübten Gewalt ist auch Träger der Wiederqutmachungspflicht. Seine Haftung hängt nicht mehr von der Haftung des Amtsverwalters ab. Die Staatshaftung ,künpft vielmehr unmittelbar an die Verletzung einer öffentlich-rechtlichen Pflicht als Haftungsvoraussetzung an. Die Wiederqutmadrunq des in pflichtwidriger Ausübung vollziehender Gewalt oder Rechtsprechung verursachten Schadens wird letztlich durch Einstehen des Rechtsträgers selbst garantiert.

Grundgedanke des Verfassungsinstituts ist weiter, daß der Staat für die schädigenden Folgen pflichtwidrigen hoheitlichen Verhaltens in allen Lebensbereichen hoheitlicher Betätigung eintritt. Unvereinbar mit dieser Grundvorstellung wäre es, hoheitliche Tätigkeitsgebiete im ganzen aus politischen oder fiskalischen Gründen aus der Staatshaftung auszunehmen, wie z. B. bestimmte Bereiche der Außenpolitik, das Finanzwesen, das Postwesen oder das Polizeiwesen.

Schließlich ist Haftungsgrund die Rechtswidrigkeit des Verhaltens der vollziehenden oder rechtsprechenden Gewalt, die in der Verletzung von Pflichten des öffentlichen Rechts mit bürqerschützender Funktion besteht. Das Verfassungsinstitut findet seine innere Rechtfertigung allein in der Sicherung des rechtsstaatlich gebotenen Individualrechtsschutzes. Auch der primäre Rechtsschutz durch die gerichtliche Rechtmäßigkeitskontrolle der öffentlichen Gewalt aus Artikel 19 Abs. 4 des Grundgesetzes wird nur bei Verletzung individueller Rechte gewährleistet.

Ein Popularrachtsschutz ist weder gewollt noch erforderlich. Der sekundäre Rechtsschutz durch die Staatshaftung aus Artikel 34 des Grundgesetzes kann nicht weiter gehen als der primäre, darf aber auch nicht hinter ihm zurückbleiben. Die Rechtswidrigkeit im staatshaftungsrelevanten Sinne wird daher auf die objektive Pflichtwidrigkeit im Sinne einer Verletzung öffentlich-rechtlicher Schutzpflichten gegenüber dem einzelnen beschränkt. Die rechtsstaatsgemäße Ausgestaltung der Staatshaftung mit dem Ziel der Beseitigung der Folgen pflichtwidriger Staatsqewalt wird am besten dadurch erreicht, daß im Verhältnis vom Staat zum Bürger der Haftungsanspruch nicht schon in seinen Voraussetzungen von einem subjektiv vorwarfbaren Verhalten bei der Ausübung der Staatsgewalt abhängt.
Subjektive Zurechenbarkeitselemente können jedoch weiterhin, insbesondere zum Zwecke der Haftungsabwehr durch den Staat, berücksichtigt werden. Das wird durch die Haftungsgarantie nicht ausgeschlossen. Bei der Ausführunqsqesetzqebung müssen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und Erforderlichkeit gewahrt bleiben.

Die gesetzgebende Gewalt wird nicht in die Institutsgarantie mit einbezogen. Die Gewährleistung der Staatshaftung auch für diese Staatsgewalt könnte die Funktion der Legislative im Grundgesetzgefüge wegen der Gefahr einer faktischen Beschränkung des parlamentarischen Gesetzgebers in Bund und Ländern beeinträchtigen. Rechtsverordnungen und Satzungen unterliegen dagegen als Akte der vollziehenden Gewalt im Sinne des Artikels 20 Abs. 3 des Grundgesetzes der Haftungsgarantie wie alle übrigen Exekutivakte. auch wenn ihre Rechtswidrigkeit ausschließlich auf verfassungswidrigen Gesetzen beruht.

3. Staatshaftung und Rechtsweg

Der gerichtliche Rechtsschutz gegen schädigendes pflichtwidriges Verhalten vollziehender oder rechtsprechender Gewalt ist bislang durch die verfassungsrechtliche Zuweisung von Rechtsstreitigkeiten über Amtshaftungsansprüche, Ansprüche aus enteignungsgleichem und aufopferungsgleichem Eingriff in den ordentlichen Rechtsweg gekennzeichnet. Dagegen liegt die Rechtmäßigkeltskontrolle der Hoheitsakte selbst grundsätzlich bei den Gerichten der allgemeinen oder besonderen Verwaltungsgerichtsbarkeit, wenn der Bürger sich gegen eine Rechtsverletzung von hoher Hand wehrt und die Herstellung des gesetzmäßigen. Zustandes verlangt (Verwaltungsgerichte, Finanzgerichte, Sozialgerichte). Diese Aufspaltung der Rechtswege ist nicht länger vertretbar.

Ist durch rechtswidriges hoheitliches Verhalten die Lage des Bürgers in faktischer, rechtlicher oder vermögenswerter Hinsicht nachteilig verändert worden, können wegen der verfassungsrechtlichen Zuweisungen die staatshaftungsrechtlichen Streitigkeiten nicht in dem. Gerichtszweig entschieden werden, in dem regelmäßig die Rechtmäßigkeit öffentlicher Gewalt geprüft wird, nämlich in der allgemeinen oder besonderen Verwaltungsgerichtsbarkeit. Der Bürger muß vielmehr einen zweiten Prozeß vor den ordentlichen Gerichten führen, wenn, er den ihm zustehenden Rechtsschutz in allen Stufen ausschöpfen will, mit allen daraus erwachsenen Nachteilen für den Bürger und die Allgemeinheit. Unzumutbare Verzögerung des gerichtlichen Rechtsschutzes, Doppelbelastung der Gerichtsbarkeiten, Uneinheitlichkeit der Rechtsprechung, ungleiche Prozeßstellung des Bürgers, Ausschluß des Ubergangs von einer Wiederqutmadrunqsart in die andere (Schadensersatz, Folgenbeseitigung), uneinheitliche Beurteilung einheitlicher Lebenssachverhalte. Diese Verfassungsrechtslage ist allein historisch zu erklären. Die in der Rechtswirklichkeit seit langem erreichte Lückenlosigkeit des gerichtlichen Rechtsschutzes in Verbindung mit der Gleichwertigkeit der Gerichtsbarkeiten des Artikels 95 des Grundgesetzes macht sie vollends entbehrlich. Die Vereinheitlichung der Rechtswege entspricht auch einer Empfehlung der vom Deutschen Bundestag eingesetzten Enquete-Kommission Verfassungsreform (vgl. Schlußbericht Teil H, Kapitel 15).

B. Besonderer Teil

Zu den Verfassungsänderungen im einzelnen ist auszuführen:

Zu Nummer 3 (Artikel 74 Nr, 1 a GG)


Die Tumultschädenregelung im Reichsgesetz über die durch innere Unruhen verursachten Schäden vom 12. Mai 1920 (RGBl. S. 941) mit den Änderungen der Verordnungen vom 8. Januar und 29. März 1924 (RGBl. I S. 23, 381) gilt zur Zeit noch als Landesrecht fort, ist aber nach allgemeiner Meinung dringend neuordnungsbedürftig. Die Nähe der Tumultschädenhaftung zur Pflichtwidrigkeitshaftung des Staates rechtfertigt die gleichzeitige Inangriffnahme beider Vorhaben durch eine bundeseinheitliche Regelung. Das erfordert hinsichtlich der Tumultentschädigung eine Ausdehnung der Gesetzgebungskompetenz des Bundes, da seine vorhandenen Kompetenzen, insbesondere die für die öffentliche Fürsorge (Artikel 74 Nr. 7 des Grundgesetzes), eine umfassende Entschädigungsregelung für Sachschäden nicht zulassen. Nach allgemeiner Auffassung ist daher auch die Reich5tumult5chädengesetzgebung Landesrecht geworden (Artikel 123, 125 des Grundgesetzes). Im Gegensatz zur Pflichtwidriqkeitshaftung des Staates genügt für die Tumultentschädigung jedoch eine mit dar Kompetenz der Landesgesetzgeber konkurrierende Zuständigkeit des Bundes. Das gilt insbesondere für die schädigenden Folgen schwerer Störungen der öffentlichen Sicherheit, die unterhalb der Schwelle von Tumulten liegen, also beispielsweise für Entschädigungsregelungen bei Terrorakten, Geiselnahmen und subversiven Tätigkeiten von Banden oder kriminellen Vereinigungen. Landesgesetzliche Entschädigungsnormen, die über den bundesgesetzlichen Entschädigungsrahmen hinausgehen und den Rechtsschutz der Bürger weiter verbessern, sollen möglich bleiben. Die bundesgesetzliche Ubernahme von Entschädigungsmodellen, die sich im Landesbereich bewährt haben, wird durch die weite Fassung der vorgeschlagenen Kompetenznorm offengehalten.

3. Stellungnahme des Bunderates


1. Vorschlag - 2. Zu Artikel 1 Nr. 3 (Artikel 74 Nr. 1 a GG)


Artikel 1 Nr. 3 ist zu streichen.

2. Begründung - 2. Zu Artikel 1 Nr. 3 (Artikel 74 Nr. 1 a GG)


Angesichts der in der Vergangenheit vorgenommenen vielfachen Kompetenzverschiebungen zugunsten des Bundes können weitere Anderunqen der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern nur dann in Betracht kommen, wenn Gründe von besonderem Gewicht eine solche Anderunq zwingend verlangen. Solche Gründe liegen für die vorgesehene Zuweisung der konkurrierenden Gesetzqebunqszuständiqkeit des Bundes für den Bereich der Tumultschädenhaftung nicht vor. Insbesondere rechtfertigt die Nähe der Tumultschädenhaftung zur Pflichtwidrigkeitshaftung nach der in Artikel l Nr. 2 des Gesetzentwurfs in Artikel 34 Abs. 1 Satz 1 GG vorgesehenen Institutsgarantie der Staatshaftung nicht eine Kompetenzverlagerung zu Lasten der Länder. Dies gilt auch für das Argument, die bestehende Tumultschädenregelung se; neuordnungsbedürftig.

4. Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates


Zu 2. (Artikel 1 Nr. 3 - Artikel 74 Nr. 1 a GG)


Die Bundesregierung stimmt dem Vorschlag des Bundesrates nicht zu.

Die Bundesregierung teilt die Auffassung des Bundesrates, daß Änderungen der Kompetenzverteilung im Bereich der Gesetzgebung zwischen Bund und Ländern nur vorgenommen werden sollten, wenn Gründe von besonderem Gewicht eine solche Anderung gebieten, also ein "Bedürfnis" im Sinne von Artikel. 72 Abs. 2 GG für eine. Gesetzgebung des Bundes gegeben ist. Sie bejaht jedoch entgegen der Auffassung des Bundesrates ein solches Bedürfnis für eine konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeil des Bundes auf dem Gebiet der Tumultentschädigung aus folgenden Gründen:

1. Das bisherige Tumultschädenrecht, das im Reichsgesetz über die durch innere Unruhen verursachten Schäden vom 12. Mai 1920 geregelt ist und als Landesrecht fortgilt, ist nach Auffassung der Bundesregierung dringend neuerungsbedürftig, weil der Begriff der "inneren Unruhen" zu eng und durch seine Begrenzung auf ein politisch oder sozial motiviertes Verhalten nicht geeignet ist, die entschädigungswürdigen Fälle zu erfassen.

Deshalb sieht die Regierungsvorlage als Voraussetzung für eine Entschädigung vor, daß eine erhebliche Störung der öffentlichen Sicherheit durch das unfriedliche Verhalten einer Menschenmenge vorliegen muß. Allein eine Keukonzeption des Tumultschädenrechts auf dieser Grundlage ermöglicht es, den heutigen Formen von "Tumulten" - was die Entschädigung anbelangt - wirksam begegnen zu können.

2. Nach Auffassung der Bundesregierung muß die Tumultentschädigung als konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes ausgestaltet werden, da nur auf diese Weise bei vergleichbaren Tatbeständen eine einheitliche Rechtsanwendung in den verschiedenen Bundesländern und damit eine Rechtseinheit im gesamten Bundesgebiet gewährleistet werden kann. Würde dem Bund - wie vom Bundesrat beschlossen - keine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für die vorgeschlagene Neuordnung der Tumultentschädigung gewährtwerden, so würde dies zu einem - rechtspolitisch unerwünschten - Haftungsgefälle zwischen den verschiedenen Bundesländern führen können und jedenfalls die dringend nötige Verbesserung des Rechtsschutzes des Bürgers bei Tumulten unvertretbar verzögern.

3. Die Kompetenzverlagerung rechtfertigt sich auch aus sozialen Gesichtspunkten. Nur durch eine Bundeskompetenz kann dem berechtigten Interesse der Bürger nach gleicher Entschädigung bei sozial gleichgelagerten Entschädiqunqstatbeständen Rechnung getragen werden.



B. Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses (6. Ausschuss)


A. Problem
Die Staatshaftung soll als wesentliche rechtsstaatliche Institution verfassungsrechtlich abgesichert werden. Dafür sollen die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen geschaffen werden.

B. Lösung
Der Ausschuß schlägt folgende Grundgesetzänderung vor.
Die Haftung des Staates für pflichtwidrige Ausübunq öffentlicher Gewalt wird als Verfassungsinstitut gewährleistet.
Die nähere Ausgestaltung der Staatshaftung wird dem Bundesgesetzgeber übertragen.
Die Länder können ihre Staatshaftungsausgaben insoweit vom Bund erstattet verlangen, als diese durch rechtswidriges Verhalten des Bundes verursacht worden sind,

C. Alternativen
keine

D. Kosten
Die Grundgesetzänderungen verursachen in den öffentlichen Haushalten keine Kosten. Diese werden erst als Folge der Durchführurigsgesetzgebung eintreten.


Beschlußempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

1. den Gesetzentwurf - Drucksache 8/2080 - in der sich aus der anliegenden Zusammenstellung ersichtlichen Fassung anzunehmen.

2. die zu dem Gesetzentwurf eingegangenen Petitionen für erledigt zu erklären.

Entwurf Beschlüsse des 6. Ausschusses
Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes Entwurf eines Fünfunddreißigsten Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes
Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das folgende Gesetz beschlossen; Artikel 79 Abs. 2 des Grundgesetzes ist eingehalten:
Artikel 1
Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland wird wie folgt geändert: .
3. Nach Artikel 74 Nr. 1 wird folgende Nummer 1 a eingefügt:

" 1a. die Haftung des Staates für Schäden aus Tumulten oder anderen schweren Störungen der öffentlichen Sichetlieit."

Nummer 3 entfällt




C. Weiterer Fortgang des Gesetzes


Dieser Vorschlag fand nicht die notwendige Zustimmung. Deshalb wurde er nie Bestandteil des Grundgesetzes.
In dieser Kommentarsreihe werden insbesondere folgende Abkürzungen und Quellen verwendet:
a.A. = Anderer Ansicht
AG = Arbeitgeber (evtl. auch einmal "Aktiengesellschaft")
AGBs, AGB´s = Allgemeine Geschäftsbedingungen
AG = Amtsgericht
ArbG = Arbeitsgericht (gelegentlich auch für Arbeitgeber!)
ArbGG = Arbeitsgerichtsgesetz
AT = Austria, Österreich
BAG = Bundesarbeitsgericht (BRD)
BGB = Bürgerliches Gesetzbuch (BRD)
BGH = Bundesgerichtshof (BRD)
BRD = Bundesrepublik Deutschland
BVerwG = Bundesverwaltungsgericht
CH = Schweiz
Dornb./W.- ... Dornbusch/Wolff-(Bearbeiter), KSchG, arbeitsrechtliche Kurzkommentare, Luchterhand-Verlag
EuGH = Europäischer Gerichtshof
EU = Europäische Union
h.M. = Herrschende Meinung
KSchG = Kündigungsschutzgesetz
LAG = Landesarbeitsgericht
OGH = Oberster Gerichtshof (Österreich)
OLG = Oberlandesgericht (BRD)
OVG = Oberverwaltungsgericht (BRD)
Pal.- ... = Palandt-(Bearbeitername), Kurzkommentar zum BGB, C.H. Beck-Verlag
PM = Pressemitteilung
m.M. = Mindermeinung
Staudinger-... = Staudinger-(Bearbeiter, Kommentar zum BGB
str. = strittig, streitig
u.a. = unter anderem
u.U. = Unter Umständen
ZPO = Zivilprozeßordnung
Urteile nach 25.04.2007, also nach Abschluss dieser Kommentierung