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GG
Grundgesetz
Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland
Art. 6 (Regelung seit 23.05.1949)
(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.
Abgelehnte Änderung des Grundgesetzes zu Artikel 6 (1997)
(Etwaige Ergänzungen zum Originaltext sind blau!)


Inhalt:

Änderung von Art. 6 Grundgesetz: Stärkung der Kinderrechte, insbesondere Recht auf Entfaltung ihrer Grundrechte und Verpflichtung der Eltern zur gewaltfreien Erziehung. Es entstehen keine Kosten.


Gang der Gesetzgebung:

Bundestag - Gesetzentwurf Dr. Edith Niehuis, SPD; Christel Hanewinckel, SPD; und andere; SPD 27.02.1997 Drucksache 13/7104

1. Beratung

Bundestag - Plenarprotokoll 13/163 13.03.1997 S. 14626C-14667B

Beschluß: S. 14667B - Überweisung: Rechtsausschuß (federführend), Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung, Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Parlamentsarchiv Gesetzesdokumentation: Signatur XIII/1128


A. Gesetzentwurf der Abgeordneten [...] und der Fraktion der SPD, Bundestag-Drucksache 13/7104, 27.02.1997


Entwurf eines . . . Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes

A. Problem

Seit Inkrafttreten des Grundgesetzes haben sich vielfältige gesellschaftliche und rechtliche Entwicklungen auf den Bereich Kindheit und Familie ausgewirkt. Diese Veränderungen, vor allem aber nach wie vor bestehende Defizite hinsichtlich der Lage von Kindern in der Gesellschaft erfordern eine Neufassung der Verfassung zur Stärkung der Kinderrechte. Besonders die punktuellen, kurzfristigen Reaktionen angesichts besonders aufsehenerregender Fälle von Gewalt gegen Kinder und Verletzung ihrer Menschenwürde zeigen, daß es in der Bundesrepublik Deutschland an einer umfassenden Anerkennung des Kindes als Subjekt mit eigenständigen Rechten mangelt, obwohl gerade diese Anerkennung ein zentrales Element jeder Präventionsmaßnahme zum Schutz von Kindern vor jeder Form von Gewalt ist. Zur Wahrung der Zukunfts- und Entwicklungschancen von Kindern bedarf es einer besseren Umsetzung von Artikel 3 Abs. 1 des von der Bundesrepublik Deutschland ratifizierten Übereinkommens über die Rechte des Kindes der Vereinten Nationen ("Bei allen Maßnahmen, die Kinder betreffen, gleichviel ob sie von öffentlichen oder privaten Einrichtungen der privaten Fürsorge, Gerichten, Verwaltungsbehörden oder Gesetzgebungsorganen getroffen werden, ist das Wohl des Kindes ein Gesichtspunkt, der vorrangig zu berücksichtigen ist."). So hat auch der Ausschuß für die Rechte des Kindes der Vereinten Nationen in seinen abschließenden Bemerkungen vom 6./7. November 1995 zum Erstbericht der Bundesrepublik Deutschland zur Umsetzung des Übereinkommens zu weiteren Bemühungen hin zu einem verfassungsmäßigen Status der Kinderrechte ermuntert.

B. Lösung

Das Grundgesetz wird durch die Verbesserung der Rechtsstellung der Kinder ergänzt.

C. Alternativen

Keine

D. Kosten

Keine


1. Vorschlag


Entwurf eines . . . Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes


Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das folgende Gesetz beschlossen; Artikel 79 Abs. 2 des Grundgesetzes ist eingehalten:

Artikel 1

Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Gesetz vom 3. November 1995 (BGBl. I S. 1492), wird wie folgt geändert:

Artikel 6 wird wie folgt geändert:

1.Nach Absatz 1 wird folgender Absatz 2 eingefügt:

"(2) Kinder haben ein Recht auf Wahrung und Entfaltung ihrer Grundrechte sowie auf Entwicklung zu selbstbestimmungs- und verantwortungsfähigen Persönlichkeiten."

2.Der bisherige Absatz 2 wird Absatz 3 und wie folgt gefaßt:

"(3) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft. Die wachsende Fähigkeit der Kinder zu selbständigem, verantwortlichem Handeln ist zu berücksichtigen. Kinder sind gewaltfrei zu erziehen."

3.Die bisherigen Absätze 3 bis 5 werden die Absätze 4 bis 6.

Artikel 2

Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft.

Bonn, den 26. Februar 1997


2. Begründung


Kinder als Zukunft unserer Gesellschaft und zugleich ihre schwächsten Glieder kommen bislang in der Verfassung ausdrücklich nur als Objekt, etwa elterlicher Erziehungsbemühungen, vor. Zur Verbesserung ihrer Rechtsstellung ist der Anspruch der Kinder auf Wahrung und Entfaltung ihrer Grundrechte sowie auf Entwicklung verfassungsrechtlich zu akzentuieren. Das Verhältnis zwischen elterlichem Erziehungsrecht und wachsender Eigenverantwortlichkeit der Kinder ist genauer zu bestimmen; besondere Bedeutung hat hier in einer zunehmend gewaltförmigen Gesellschaft das Gebot der gewaltfreien Erziehung.

1.Artikel 6 Abs. 2 (neu)

Mit der Aufnahme spezieller Kinderrechte in die Verfassung wird die der Sache nach außer Streit stehende Grundrechtsfähigkeit der Kinder in der Verfassung positiv festgeschrieben. Das elterliche Erziehungsrecht und der Anspruch der Kinder auf optimale Entwicklung und Entfaltung haben beide verfassungsrechtlichen Rang.

2.Artikel 6 Abs. 3 (neu)

Mit dem Erziehungsgrundsatz, daß die wachsende Fähigkeit der Kinder zu selbständigem, verantwortlichem Handeln zu berücksichtigen ist, wird der bestehende Grundsatz, daß Pflege und Erziehung das natürliche Recht der Eltern sind, ergänzt. Es wird betont, daß die elterliche Erziehungsbefugnis ein "Recht im Interesse des Kindes" ist, deren Bedeutung mit abnehmender Bedürftigkeit zur Anleitung und wachsender Einsichtsfähigkeit des Kindes abnimmt, bis das Elternrecht mit dem Eintritt der Volljährigkeit ganz erlischt. Diese von der Rechtsprechung entwickelte und anerkannte Lösung des Konflikts zwischen Elternrechten und Subjektstellung des Kindes hat bereits in § 1626 Abs. 2 BGB ihren Niederschlag. Mit der Aufnahme in den Verfassungswortlaut wird dieser Grundsatz unterstrichen.

Obwohl dem Kind aus Artikel 6 Abs. 2 GG kein eigenes Grundrecht auf Förderung und Erziehung zusteht, sind die Eltern bei der Ausübung ihres Erziehungsrechts durch die Grundrechte des Kindes, insbesondere dessen Persönlichkeitsrecht begrenzt (BVerfGE 72, 155, 172). Da das Kind ein Wesen mit eigener Menschenwürde und eigenem Recht auf Entfaltung und Entwicklung seiner Persönlichkeit ist, legitimieren sich Elternvorrang und alleinige Elternverantwortung ausschließlich aus der Abhängigkeit und Schutzbedürftigkeit des Kindes, um sich zu einer eigenverantwortlichen Persönlichkeit innerhalb der sozialen Gemeinschaft zu entwickeln. Die elterliche Bestimmung des Kindeswohls wird so in die grundrechtliche Stellung des Kindes eingebettet und muß auf die eigenverantwortliche Wahrnehmung von Grundrechten durch das Kind selbst Bedacht nehmen.

Ein Gebot, Kinder gewaltfrei zu erziehen, leistet einen wichtigen Beitrag zur Ächtung und Abkehr von Gewalt. In Deutschland tragen jährlich unzählige Jungen und Mädchen durch Gewaltmaßnahmen der Erziehungsberechtigten körperliche und seelische Schäden davon; durch Schläge bedingte Todesfälle sind keine Seltenheiten. In der Kindheit erlittene Gewalt wirkt sich häufig lebenslang aus, zum Teil werden kindliche Opfer später selbst zu Gewalttätern. Die Einfügung des Gebotes gewaltfreier Erziehung schärft die allgemeine Aufmerksamkeit für das Problem der Gewalt gegenüber Kindern. Die Verfassungsänderung selbst wird keinen unmittelbaren Einfluß auf die Wahl elterlicher Erziehungsmethoden erwarten lassen. Indem der Gewaltanwendung gegenüber Kindern immerhin der Schein der Gesellschaftsfähigkeit genommen wird, können indes individuelle und gesellschaftliche Lern- und Umdenkungsprozesse initiiert und gefördert werden, was zugleich einer Erziehung zur Gewaltfreiheit förderlich ist.


B. Weiterer Fortgang des Gesetzes

Dieser Vorschlag fand nicht die notwendige Zustimmung. Deshalb wurde er nie Bestandteil des Grundgesetzes.
In dieser Kommentarsreihe werden insbesondere folgende Abkürzungen und Quellen verwendet:
a.A. = Anderer Ansicht
AG = Arbeitgeber (evtl. auch einmal "Aktiengesellschaft")
AGBs, AGB´s = Allgemeine Geschäftsbedingungen
AG = Amtsgericht
ArbG = Arbeitsgericht (gelegentlich auch für Arbeitgeber!)
ArbGG = Arbeitsgerichtsgesetz
AT = Austria, Österreich
BAG = Bundesarbeitsgericht (BRD)
BGB = Bürgerliches Gesetzbuch (BRD)
BGH = Bundesgerichtshof (BRD)
BRD = Bundesrepublik Deutschland
BVerwG = Bundesverwaltungsgericht
CH = Schweiz
Dornb./W.- ... Dornbusch/Wolff-(Bearbeiter), KSchG, arbeitsrechtliche Kurzkommentare, Luchterhand-Verlag
EuGH = Europäischer Gerichtshof
EU = Europäische Union
h.M. = Herrschende Meinung
KSchG = Kündigungsschutzgesetz
LAG = Landesarbeitsgericht
OGH = Oberster Gerichtshof (Österreich)
OLG = Oberlandesgericht (BRD)
OVG = Oberverwaltungsgericht (BRD)
Pal.- ... = Palandt-(Bearbeitername), Kurzkommentar zum BGB, C.H. Beck-Verlag
PM = Pressemitteilung
m.M. = Mindermeinung
Staudinger-... = Staudinger-(Bearbeiter, Kommentar zum BGB
str. = strittig, streitig
u.a. = unter anderem
u.U. = Unter Umständen
ZPO = Zivilprozeßordnung
Urteile nach 05.04.2008, also nach Abschluss dieser Kommentierung