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BbgPBWoG (ENTWURF!)
Brandenburgisches Pflege und Betreuungswohngesetz
Gesetz über das Wohnen mit Pflege und Betreuung des Landes Brandenburg
Art. 4 Einrichtungen und ihnen gleichgestellte Wohnformen (Regelung seit 26.05.2009)
(1) Einrichtungen im Sinne dieses Gesetzes sind unterstützende Wohnformen nach § 1 Absatz 2 Satz 2, in denen

1. sich ein Leistungsanbieter zur Ãœberlassung von Wohnraum und zur Erbringung von Pflege- oder Betreuungsleistungen in einem Vertrag verpflichtet,

2. der Bestand des Vertrags über die Überlassung von Wohnraum von dem Bestand des Vertrags über die Pflege- oder Betreuungsleistungen abhängig ist oder

3. die Nutzerin oder der Nutzer an dem Vertrag über die Überlassung von Wohnraum nach den vertraglichen Vereinbarungen nicht unabhängig von dem Vertrag über Pflege- oder Betreuungsleistungen festhalten kann.

(2) Den Einrichtungen werden Wohnformen gleichgestellt, in denen der Vertrag über die Überlassung von Wohnraum von dem Vertrag über die Erbringung von Pflege- oder Betreuungsleistungen tatsächlich abhängig ist. Eine solche Abhängigkeit wird vermutet, wenn

1. der Zweck des Dienstleistungsangebotes in der umfassenden Versorgung von mehreren Personen mit weitgehendem Unterstützungsbedarf liegt, der eine durchgehende und schichtplanmäßige Präsenz von Betreuungskräften in der unterstützenden Wohnform erforderlich macht, oder

2. der Anbieter der Pflege- oder Betreuungsleistungen mit dem Vermieter des Wohnraums rechtlich oder wirtschaftlich verbunden ist; eine solche rechtliche oder wirtschaftliche Verbundenheit ist insbesondere anzunehmen, wenn die Beteiligten

a) personenidentisch sind,

b) gesellschaftsrechtliche Verbindungen aufweisen,

c) in Bezug auf die Einrichtung eine vertragliche Beziehung eingegangen sind, soweit sich diese nicht ausschließlich auf die Bereitstellung allgemeiner Serviceleistungen im Sinne des § 3 Absatz 1 Satz 2 bezieht, oder

d) in einem Angehörigenverhältnis nach § 20 Absatz 5 Satz 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Brandenburg zueinander stehen. Diese Vermutung ist widerlegt, wenn der Leistungsanbieter nachweist, dass die freie Wählbarkeit der Pflege- oder Betreuungsleistungen nicht eingeschränkt ist oder in absehbarer Zeit tatsächlich vorliegen wird.

(3) Wohnformen für Menschen mit Behinderungen sind keine Einrichtungen, wenn

1. sie eigene räumliche Einheiten bilden und nicht nur unselbständige Teile einer Einrichtung im Sinne des Absatzes 1 oder des Absatzes 2 sind,

2. nicht mehr als acht Personen gemeinschaftlich wohnen und betreut werden und

3. der Unterstützungsbedarf dieser Personen keine tägliche Präsenz von Betreuungskräften über einen wesentlichen Teil des Tages erfordert.

(4) Einrichtungen müssen die Anforderungen der Abschnitte 2 und 3 erfüllen.
Franz-Anton Plitt
 (Internet entrepreneur)
 Chisinau
 (Moldova)


Stand: 27.05.2009
zur Entstehung des § 4 BbgKPBauV
Zu § 4 Einrichtungen und ihnen gleichgestellte Wohnformen

Die Definition des Einrichtungsbegriffs ist erforderlich, um die anzuwendenden Regelungen des Gesetzes bei den unter § 1 Absatz 2 fallenden Wohnformen nach dem Schutzbedarf der Personen zu differenzieren. Mit Einrichtungen wird eine Kategorie von Pflege- und Betreuungssettings definiert, deren gemeinsame Eigenschaft in der Übernahme einer starken Verantwortung des Leistungserbringers durch die unlösbare Verbindung von Wohnen mit Pflege- oder Betreuungsleistungen begründet ist. Die Definition nimmt ausdrücklich keinen Bezug zu den leistungsrechtlichen Kategorien „stationär“ oder „ambulant“. In der Praxis können auch leistungsrechtlich als ambulant betriebene Wohnformen dadurch gekennzeichnet sein, dass Wohnen und Betreuungsleistung tatsächlich untrennbar miteinander verbunden sind. Entscheidend für die Erfüllung des Tatbestandes einer Einrichtung sind letztlich immer die tatsächlichen Verhältnisse. Diese werden klar und nachvollziehbar an der Frage der freien und von dem Wohnelement unabhängigen Wählbarkeit der Pflege- und Betreuungsleistungen festgemacht. Die Regelung soll bewirken, dass Versuche, rechtliche Konstrukte zur Umgehung der Anwendbarkeit des Gesetzes trotz faktisch bestehender struktureller Abhängigkeit zu schaffen, an Attraktivität verlieren. Der herkömmliche mit Fürsorge und Abhängigkeit assoziierte Begriff „Heim“ wird dabei durch den Begriff „Einrichtung“ ersetzt. Die Begriffsbestimmung entspricht den Definitionen des Anwendungsbereiches im Entwurf der Bundesregierung eines Gesetzes zur Neuregelung der zivilrechtlichen Vorschriften des Heimgesetzes nach der Föderalismusreform, Bundesrat-Drucksache 167/09.

Zu Absatz 1

Absatz 1 regelt drei Fallgestaltungen, in denen die Nutzerinnen und Nutzer vertraglich dazu verpflichtet sind, die Pflege- und Betreuungsleistungen im Verbund mit dem Mietvertrag abzunehmen. Dieser Umstand bildet die stärkste Form einer strukturellen Abhängigkeit, da die Abwahl des Anbieters der zum Leben unerlässlichen Dienstleistungen immer zu einem Umzug in eine andere Wohnform führt. Hierdurch ist die Möglichkeit der Nutzerinnen und Nutzer ausgeschlossen, Einfluss auf die Qualität einzelner Leistungen zu nehmen. Die Nutzerinnen und Nutzer solcher Wohnformen werden zu Bewohnerinnen und Bewohnern von Einrichtungen. Wohnanlagen des Servicewohnens fallen nicht hierunter, solange die zu erbringenden Leistungen die Voraussetzungen des § 3 Absatz 1 Satz 1 nicht erfüllen und die Wahl der weitergehenden Pflege- und Betreuungsleistungen rechtlich und faktisch frei erfolgt.

Zu Absatz 2

Durch Absatz 2 werden auch Wohnformen den Einrichtungen gleichgestellt, in denen faktische Abhängigkeitsverhältnisse bestehen. Rechtlich sind Mietverhältnis und der Pflege- oder Betreuungsvertrag voneinander unabhängig. Jeder einzelnen Bewohnerin und jedem einzelnen Bewohner ist es formal möglich, statt des vorhandenen Leistungsanbieters einen anderen Dienst zu beauftragen. Faktisch aber ist diese Möglichkeit aufgrund des konkreten gemeinschaftlichen Betreuungsarrangements oder der sonstigen Verhältnisse der beteiligten Vertragsparteien beschränkt.

In Satz 2 werden Vermutungstatbestände aufgeführt, die für eine tatsächliche Abhängigkeit der Verträge über das Wohnen und über die Erbringung der Pflege- oder Betreuungsleistungen sprechen. Die Vermutung in Nummer 1 greift den Umstand einer verdeckten stationären Pflege im Rahmen eines ambulanten Pflege- oder Betreuungsarrangements auf. Liegt bei den Nutzerinnen und Nutzern eine derart intensive Hilfebedürftigkeit vor, dass eine durchgehende schichtplanmäßige Präsenz von Betreuungskräften erforderlich ist, kann eine Versorgung auf ambulanter Basis nur dadurch realisiert werden, dass alle Nutzerinnen und Nutzer denselben Leistungsanbieter beauftragen. Eine Abwahl des Anbieters der Pflege- und Betreuungsleistungen durch den Einzelnen ist faktisch unmöglich, da er sonst auf den nur durch das gemeinschaftliche Betreuungsarrangement ermöglichten Betreuungsumfang verzichten müsste, auf den er aber angewiesen ist. Damit besteht - wie in anderen Einrichtungen auch - eine unlösbare Verbindung zwischen Miet- und Betreuungsverhältnis, die Kennzeichen der heimtypischen strukturellen Abhängigkeit ist. Unter diesen Vermutungstatbestand würden etwa Wohngemeinschaften fallen, in denen neurologisch geschädigte Menschen in der Pflegephase F gepflegt und betreut werden. Nummer 2 nimmt eine Abhängigkeit der Verträge über das Wohnen und über die Pflege- und Betreuungsleistungen an, wenn zwischen dem Anbieter dieser Leistungen und dem Vermieter der hierfür genutzten Räumlichkeiten eine Verknüpfung besteht. Diese kann rechtlicher oder wirtschaftlicher Art sein. Beispielhaft werden im 2. Halbsatz die eine Verbundenheit begründende Tatbestände aufgeführt. Danach sind Personenidentität von Vermieter und Anbieter der Pflege- und Betreuungsleistungen und das Vorhandensein gesellschaftsrechtlicher Verbindungen ebenso einschlägig wie bezüglich der Wohnform eingegangene vertragliche Beziehungen und das Bestehen eines Angehörigenverhältnisses.

Satz 2 bestimmt, dass eine vorliegende Vermutung nach den Nummern 1 und 2 als widerlegt gilt, wenn der Leistungsanbieter nachweist, dass die freie Wählbarkeit der Pflege- oder Betreuungsleistungen nicht eingeschränkt ist oder in absehbarer Zeit tatsächlich vorliegen wird. Diese Regelung berücksichtigt die aus der Praxis ersichtliche Tatsache, dass das Kriterium der Selbstverantwortung von im Aufbau befindlichen Einrichtungen trotz aller Bemühungen häufig noch nicht realisierbar ist. So bestehen viele Vermieter in der Aufbauphase auf einen Kooperationsvertrag mit dem Pflege- oder Betreuungsdienst, um die Einhaltung der mietvertraglichen Pflichten abzusichern. Ebenso wünschen sich viele Menschen mit Pflegebedürftigkeit oder Behinderung, die sich aus ihrer Häuslichkeit in eine unterstützende Wohnform begeben, zunächst ein erhöhtes Maß an Sicherheit und können erst nach einer gewissen Zeit der Stabilisierung die Verantwortung über die Wohnform übernehmen. Es ist daher sinnvoll, derartige unterstützende Wohnformen nicht als Einrichtung zu qualifizieren, vor allem, wenn der für eine Abhängigkeit von Wohn- und Pflege- bzw. Betreuungsvertrag sprechende Umstand durch eine starke Verbraucherstellung der Nutzerinnen und Nutzer kompensiert werden kann.

Zu Absatz 3

Wohnformen für Menschen mit Behinderungen werden beim Vorliegen der in den Nummern 1 und 2 genannten Voraussetzungen nicht den Einrichtungen gleichgestellt. Damit wird den Besonderheiten in der Eingliederungshilfe entsprochen, in denen der Grundsatz „ambulant vor stationär“ aufgegriffen und kleinteilige, auf geringe Betreuung ausgerichtete Wohneinheiten geschaffen worden sind. In diesen Fällen wird trotz einer möglichen rechtlichen oder tatsächlichen Verknüpfung zwischen dem Wohnelement und den Betreuungsleistungen ein geringerer Schutzbedarf gesehen, der es rechtfertigt, diese Wohnformen nicht als Einrichtungen im Sinne des § 4 zu qualifizieren.

Zu Absatz 4

Für Einrichtungen gelten sowohl die allgemeinen, als auch die besonderen Anforderungen nach diesem Gesetz.
In dieser Kommentarsreihe werden insbesondere folgende Abkürzungen und Quellen verwendet:
a.A. = Anderer Ansicht
AG = Arbeitgeber (evtl. auch einmal "Aktiengesellschaft")
AGBs, AGB´s = Allgemeine Geschäftsbedingungen
AG = Amtsgericht
ArbG = Arbeitsgericht (gelegentlich auch für Arbeitgeber!)
ArbGG = Arbeitsgerichtsgesetz
AT = Austria, Österreich
BAG = Bundesarbeitsgericht (BRD)
BGB = Bürgerliches Gesetzbuch (BRD)
BGH = Bundesgerichtshof (BRD)
BRD = Bundesrepublik Deutschland
BVerwG = Bundesverwaltungsgericht
CH = Schweiz
Dornb./W.- ... Dornbusch/Wolff-(Bearbeiter), KSchG, arbeitsrechtliche Kurzkommentare, Luchterhand-Verlag
EuGH = Europäischer Gerichtshof
EU = Europäische Union
h.M. = Herrschende Meinung
KSchG = Kündigungsschutzgesetz
LAG = Landesarbeitsgericht
OGH = Oberster Gerichtshof (Österreich)
OLG = Oberlandesgericht (BRD)
OVG = Oberverwaltungsgericht (BRD)
Pal.- ... = Palandt-(Bearbeitername), Kurzkommentar zum BGB, C.H. Beck-Verlag
PM = Pressemitteilung
m.M. = Mindermeinung
Staudinger-... = Staudinger-(Bearbeiter, Kommentar zum BGB
str. = strittig, streitig
u.a. = unter anderem
u.U. = Unter Umständen
ZPO = Zivilprozeßordnung