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KSchG
Kündigungsschutzgesetz
§ 1a Abfindungsanspruch bei betriebsbedingter Kündigung (Regelung seit 01.01.2004)
(1) Kündigt der Arbeitgeber wegen dringender betrieblicher Erfordernisse nach § 1 Abs. 2 Satz 1 und erhebt der Arbeitnehmer bis zum Ablauf der Frist des § 4 Satz 1 keine Klage auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, hat der Arbeitnehmer mit dem Ablauf der Kündigungsfrist Anspruch auf eine Abfindung. Der Anspruch setzt den Hinweis des Arbeitgebers in der Kündigungserklärung voraus, dass die Kündigung auf dringende betriebliche Erfordernisse gestützt ist und der Arbeitnehmer bei Verstreichenlassen der Klagefrist die Abfindung beanspruchen kann.

(2) Die Höhe der Abfindung beträgt 0,5 Monatsverdienste für jedes Jahr des Bestehens des Arbeitsverhältnisses. § 10 Abs. 3 gilt entsprechend. Bei der Ermittlung der Dauer des Arbeitsverhältnisses ist ein Zeitraum von mehr als sechs Monaten auf ein volles Jahr aufzurunden.
Begründung aus dem Gesetzentwurf mit Ergänzungen
BT-Drs. 15/1204


(PLITT: Blaue Texte sind Ergänzungen von mir)


Zu Nummer 2 (§ 1a)

Der gesetzliche Abfindungsanspruch wird als eine einfach zu handhabende, moderne und unbürokratische Alternative zum Kündigungsschutzprozess geregelt.

Der Abfindungsanspruch des Arbeitnehmers setzt voraus, dass der Arbeitgeber in der Kündigungserklärung darauf hinweist, dass er die Kündigung auf betriebsbedingte Gründe stützt und der Arbeitnehmer die im Gesetz vorgesehene Abfindung beanspruchen kann, wenn er die dreiwöchige Frist für die Erhebung der Kündigungsschutzklage verstreichen lässt.

Entscheidet sich der Arbeitnehmer, keine Kündigungsschutzklage zu erheben, hat er mit Ablauf der Kündigungsfrist, also nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses, Anspruch auf die gesetzlich festgesetzte Abfindung.

Die Arbeitsvertragsparteien sind auch nach geltendem Recht nicht gehindert, nach Ausspruch einer Kündigung des Arbeitgebers eine Vereinbarung zu treffen, nach welcher der Arbeitnehmer wegen Zahlung einer Abfindung auf die Erhebung der Kündigungsschutzklage verzichtet.

Die formalisierten Voraussetzungen für den Abfindungsanspruch und die gesetzlich festgesetzte Abfindungshöhe sollen es den Arbeitsvertragsparteien erleichtern, die außergerichtliche Option wahrzunehmen. Arbeitgeber werden bereit sein, die gesetzlich vorgegebene Abfindungssumme zu zahlen, wenn sie Risiken und Kosten eines Kündigungsschutzprozesses in Betracht ziehen. Arbeitnehmer, die an ihrem Arbeitsverhältnis nicht zwingend festhalten wollen, werden die Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses akzeptieren, wenn der Arbeitgeber den dafür im Gesetz vorgesehenen Betrag zahlt.

Zu Absatz 1

Der gesetzliche Abfindungsanspruch kommt nur bei betriebsbedingten Kündigungen in Betracht, weil hier der Kündigungsgrund der Sphäre des Arbeitgebers zuzurechnen ist.

Der Abfindungsanspruch ist auf ordentliche Kündigungen beschränkt (Dies sieht die wohl hM. inzwischen zu Recht anders, siehe z.B. Dornbusch-Wolff, KSchG, 2. Aufl., § 1a mwN. - Sinn und Zweck dieser Norm lassen es sinnvoll erscheinen, zumindest in Fällen wo eine ordentliche Kündigung ausgeschlossen ist, § 1a KSchG anzuwenden, und sei es analog. Dies kann z.B. wegen eines tarifvertraglichen Ausschlusses einer ordentlichen Kündigung der Fall sein.

§ 1a KSchG ist auch auf eine aus dringenden betrieblichen Gründen ausgesprochene Änderungskündigung anwendbar, soweit diese wegen Nichtannahme oder vorbehaltloser Ablehnung des Änderungsangebots zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führt, siehe BAG 2 AZR 663/06 - Urt.v. 13.12.2007.)


Der Abfindungsanspruch des Arbeitnehmers setzt voraus, dass der Arbeitgeber bereit ist, zur Vermeidung der Kündigungsschutzklage die im Gesetz festgesetzte Abfindung zu zahlen.

In diesem Fall muss er in der schriftlichen Kündigungserklärung (§ 623 BGB) als Kündigungsgrund dringende betriebliche Erfordernisse nach § 1 Abs. 2 Satz 1 angeben. Es reicht aus, dass der Arbeitgeber die Kündigung als betriebsbedingt bezeichnet. Eine nähere Begründung ist nicht erforderlich.

Außerdem muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer darauf hinweisen, dass der Arbeitnehmer die gesetzliche Abfindung nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses beanspruchen kann, wenn er die dreiwöchige Frist für die Erhebung der Kündigungsschutzklage nach § 4 Satz 1 verstreichen lässt.

Es ist oft streitig, ob Ausführungen zur Abfindungshöhe gerade keinen Hinweis auf die gesetzliche Abfindung darstellen sondern vielmehr ein vertragliches Angebot machen will, siehe z.B. LAG Chemnitz 2 Sa 841/06 - Urt.v.30.05.2008 und BAG 2 AZR 209/07 - Urt.v. 10.07.2008. Ist in der Kündigung ein vertragliches Angebot statt des Hinweises auf die gesetzliche Abfindungshöhe ist kein Fall des § 1a KSchG gegeben!

Unschädlich ist es, wenn die Angaben in der Kündigung eindeutig informatorisch sind und lediglich eine falsch berechnete Zahl herauskommt (BAG 1 AZR 340/06 - Urt. v. 19.06.2007)


Dadurch, dass der Arbeitgeber beide Angaben schriftlich mitteilen muss, werden irrtümliche Erklärungen vermieden.

Durch die gesetzliche Schriftform und den gesetzlich vorgegebenen Inhalt der Kündigungserklärung wird für den Arbeitnehmer die erforderliche Rechtsklarheit und Beweissicherung geschaffen.

Der Arbeitnehmer kann jetzt frei darüber entscheiden, ob er die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung der gesetzlich festgesetzten Abfindung gegen sich gelten lässt oder ob er Kündigungsschutzklage erhebt, bevor die Kündigung wegen Ablaufs der Klagefrist als von Anfang an rechtswirksam gilt (§ 7).

Der Abfindungsanspruch ist lediglich an die formale Voraussetzung des Verstreichenlassens der Klagefrist des § 4 Satz 1 gebunden. Eine ausdrückliche Erklärung des Arbeitnehmers, dass er die gesetzliche Abfindung beanspruchen will, wird nicht gefordert.

(Plitt: Auch eine Klageeinreichung nach Ablauf der Klagefrist hindert jedoch die Anspruchsentstehung (BAG, 2 AZR 267/08 - Urt.v. 20.08.2009 unter expliziter Ablehnung anderslautender Literaturstimmen, Rn. 14 ff. des vorgenannten Urteils), und zwar unabhängig davon, ob eine verspätete Zulassung nach § 5 KSchG möglich wäre; in einem solchen Falle rettet demnach auch eine spätere Klagerücknahme den Anspruch des ArbN nicht mehr!

Ausdrücklich offen lässt das BAG aaO. die Beurteilung der Situation, wenn vor Klageeinreichung die Kündigungsfrist schon abgelaufen und damit der Anspruch entstanden wäre! Der vom BAG herausgearbeitete Schutzzweck jedoch spricht für ein einheitliches Ergebnis, und dieses lässt sich, zwar schwerer als vor Ablauf der Kündiguingsfrist, aber durchaus noch überzeugend dogmatisch begründen, z.B. über eine Verwirkung.)


Der Anspruch auf Abfindung entsteht mit dem Ablauf der Kündigungsfrist, also im Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. (Der Entstehungszeitpunkt ist wichtig, weil der Anspruch zuvor auch noch untergehen kann, z.B. auch durch Tod, siehe z.B. BAG 2 AZR 45/06 - Urt.v. 10.05.2007). Wird das Arbeitsverhältnis zu einem früheren Zeitpunkt beendet, insbesondere durch eine fristlose Kündigung aus wichtigem Grund, entsteht der Abfindungsanspruch nicht.

Zu Absatz 2

Die Höhe der Abfindung wird gesetzlich auf 0,5 Monatsverdienste für jedes Jahr des Bestehens des Arbeitsverhältnisses festgelegt. Ein halber Monatsverdienst je Beschäftigungsjahr entspricht dem durchschnittlichen Abfindungsbetrag, den die Arbeitsgerichte bei der Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach den §§ 9, 10 zugrunde legen und an dem sich auch gerichtliche und außergerichtliche Abfindungsvergleiche orientieren. (Will der Arbeitgeber nur eine niedrigere Summe zahlen muß dies sehr konkret im Kündigungsschreiben erklärt werden, siehe z.B. BAG 2 AZR 807/06 - PM v. 13.12.2007)

Als Monatsverdienst gilt, was dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit in dem Monat an Geld und Sachbezügen zusteht, in dem das Arbeitsverhältnis endet (§ 10 Abs. 3) (also eigentlich: Teilzeitbeschäftigte bekommen quasie "Teilzeit-Abfindung", siehe z.B. für einen ähnlichen Fall BAG 1 AZR 316/08 - Urt.v. 22.09.2009; das dürfte unbillig sein in Fällen, wo jemand längere Zeit, z.B. 10 Jahre, Vollzeitbeschäftigter war und dann zur Teilzeitkraft wurde. Dies ist offenbar noch nicht geklärt - der Gesetzeswortlaut der §§ 1a + 10 III KSchG nimmt hierauf keine Rücksicht! Ich meine, daß im Rahmen des § 1a KSchG bei zuletzt einer halben Stelle die Vollzeitjahre einfach mit 2 multipliziert werden sollten, aber ich bezweifele, daß eine solche Lösung sich durchsetzen wird.).

Die Abfindungshöhe ist in Abhängigkeit von der Dauer der Betriebszugehörigkeit zu berechnen und gewährleistet so größtmögliche Transparenz. Für Arbeitnehmer und Arbeitgeber ist leicht kalkulierbar, auf welchen Betrag sich eine für den jeweiligen Arbeitnehmer angemessene Abfindung beläuft. Durch die Aufrundungsregel wird sichergestellt, dass auch diejenigen Arbeitnehmer eine Abfindung beanspruchen können, die nach Ablauf der für den Kündigungsschutz maßgebenden sechsmonatigen Wartezeit, aber vor Ablauf des ersten Beschäftigungsjahres ausscheiden.
In dieser Kommentarsreihe werden insbesondere folgende Abkürzungen und Quellen verwendet:
a.A. = Anderer Ansicht
AG = Arbeitgeber (evtl. auch einmal "Aktiengesellschaft")
AGBs, AGB´s = Allgemeine Geschäftsbedingungen
AG = Amtsgericht
ArbG = Arbeitsgericht (gelegentlich auch für Arbeitgeber!)
ArbGG = Arbeitsgerichtsgesetz
AT = Austria, Österreich
BAG = Bundesarbeitsgericht (BRD)
BGB = Bürgerliches Gesetzbuch (BRD)
BGH = Bundesgerichtshof (BRD)
BRD = Bundesrepublik Deutschland
BVerwG = Bundesverwaltungsgericht
CH = Schweiz
Dornb./W.- ... Dornbusch/Wolff-(Bearbeiter), KSchG, arbeitsrechtliche Kurzkommentare, Luchterhand-Verlag
EuGH = Europäischer Gerichtshof
EU = Europäische Union
h.M. = Herrschende Meinung
KSchG = Kündigungsschutzgesetz
LAG = Landesarbeitsgericht
OGH = Oberster Gerichtshof (Österreich)
OLG = Oberlandesgericht (BRD)
OVG = Oberverwaltungsgericht (BRD)
Pal.- ... = Palandt-(Bearbeitername), Kurzkommentar zum BGB, C.H. Beck-Verlag
PM = Pressemitteilung
m.M. = Mindermeinung
Staudinger-... = Staudinger-(Bearbeiter, Kommentar zum BGB
str. = strittig, streitig
u.a. = unter anderem
u.U. = Unter Umständen
ZPO = Zivilprozeßordnung